Renten-Versicherung warnt vor Technik-Chaos bei Mütterrente III – negative Folgen erwartet
Die Regierung will die Mütterrente III 2027 umsetzen. Die Deutsche Rentenversicherung warnt vor Technik-Hürden. Ökonomen erwarten Einbußen beim BIP.
Würzburg/Berlin – Der Koalitionsbeschluss der Bundesregierung sorgte nach wie vor für heftige Kritik: Während Industrie und Landwirtschaft künftig weniger Stromsteuer zahlen sollen, gehen andere Branchen wie der Handel und Privathaushalte leer aus. Wirtschaftsverbände machten rasch Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verantwortlich. Doch die Gründe für die Entscheidung lagen woanders: bei der CSU. Die Schwesterpartei der Union bestand darauf, ihre Wahlversprechen zur Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie und zur Mütterrente III einzulösen – obwohl beide Projekte teuer sind und laut Ökonomen als verzichtbar gelten.
Mütterrente III statt Stromsteuer-Senkung: Wie ein CSU-Projekt zum Politikum für Merz und Klingbeil wird
Besonders die Mütterrente III gilt als wirtschaftspolitisches Reizthema: Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD verabredet, dass die Mütterrente künftig für alle einheitlich ausfallen soll. Konkret sollen auch die Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder mit drei Rentenpunkten auf dem Rentenkonto berücksichtigt werden. Viele betroffene Rentnerinnen und Rentner würden dadurch rund 20 Euro mehr im Monat erhalten – allerdings würde dieser Betrag bei Bedürftigen auf die Sozialleistungen angerechnet.

Die Deutsche Rentenversicherung veranschlagt die jährlichen Kosten der Mütterrente III auf rund fünf Milliarden Euro – fast so viel wie die geplante Stromsteuersenkung mit 5,4 Milliarden Euro.
Stimmungskiller für Wirtschaft und Verbraucher: ifo-Institut erwartet negative Folgen für BIP
Für den Handel hätte eine Absenkung zum Beispiel eine Entlastung von 700 Millionen Euro bedeutet. Auch das ifo-Institut erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr wegen der ausbleibenden Entlastung um 0,1 Prozentpunkte geringer ausfällt. Angesichts des zweiten Rezessionsjahrs in Folge fällt ein derartiger Rückgang durchaus ins Gewicht. Zudem dämpfe der Beschluss die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern – das Vertrauen in die Regierung habe nachhaltig gelitten.
„Werden diese Erwartungen enttäuscht und nimmt die Unsicherheit wieder zu, werden Haushalte und Unternehmen ihre Konsum- und Investitionsausgaben aufschieben“, sagte ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Dieser Effekt könnte das prognostizierte Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent dämpfen.
Technisch kaum machbar: Die Deutsche Rentenversicherung warnt vor einer Umsetzung vor dem Jahr 2028
Unklar bleibt auch, wann die Mütterrente III tatsächlich umgesetzt wird. Die Merz-Regierung hatte sich darauf verständigt, dass sie zum 1. Januar 2027 umgesetzt werden solle. Doch bereits zwei Tage vor dem Koalitionsausschuss hatte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) gewarnt, dass eine Umsetzung vor 2028 technisch kaum machbar sei. So müsste die Behörde rund 26 Millionen Renten in der Datenbank durchforsten und bei mehr als zehn Millionen Renten Änderungen vornehmen. „Die Neuberechnung unter Berücksichtigung der oft Jahrzehnte zurückliegenden Kindererziehungszeiten erfordert umfassende Anpassungen der IT-Systeme“, schreibt die DRV auf ihrer Website.
Auch Leistungen wie Hinterbliebenenrenten, Wohngeld oder Grundsicherung müssten überprüft und neu berechnet werden – weil sie direkt von der Höhe der Mütterrente III beeinflusst werden.
Über 13.000 Fallkonstellationen: Warum die IT-Systeme der DRV massiv umgebaut werden müssten
Chefin Anja Piel spricht von insgesamt mehr als 13.000 Fallkonstellationen, die die Behörde über ein neues IT-System zu validieren hätte. Die „sehr umfangreichen“ Programmier- und Qualitätssicherungsarbeiten sind entscheidend: Bei einer Fehlerquote von zehn Prozent müssten rund eine Million Konten manuell geprüft werden. Für Piel sei diese Zusatzaufgabe für die ohnehin schon ausgelastete Verwaltung nicht machbar.
Auch die Daten aus den früheren Mütterrenten I und II lassen sich nicht einfach übernehmen: Zwischenzeitliche Änderungen wie „sehr umfangreiche politische Vorhaben wie der Grundrentenzuschlag, Verbesserungen bei der Erwerbsminderung oder einheitliches Rentenrecht in Ost und West“ machen diese einfache Adaption nicht möglich. Auch deshalb pocht sie auf eine rund dreijährige Vorlaufszeit.
Finanzierung offen, Umsetzung fraglich: Warum selbst 2027 als Startdatum wackelt – Kritik aus der CSU
CSU-Politiker Klaus Holetschek, Fraktionschef im bayerischen Landtag, äußerte dagegen Unverständnis: „Das kann doch beim besten Willen nicht so schwer sein, die Fälle von vor 1992 herauszufinden“, erklärte er gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Gerade solche Verzögerungen erwecken den Eindruck „dass in Deutschland nichts funktioniert“. Doch selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintrete und die DRV die entsprechenden IT-Systeme rechtzeitig auf Linie bekäme, steht hinter der Finanzierung nach wie vor ein großes Fragezeichen.
Nach aktuellem Stand sind im Haushalt 2027 keine Mittel für die Umsetzung eingeplant – erst ab 2028 hat Finanzminister Klingbeil entsprechende Ausgaben vorgesehen.