„Wie in Russland“: Trumps Vorgehen gegen Harvard stammt aus „Handbuch eines Tyrannen“

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Donald Trump hat die US-Eliteuni Harvard ins Visier genommen. Seine Attacke ist ein „Angriff auf die Freiheit der Gesellschaft insgesamt“.

Ob Ukraine-Krieg, der bedrohliche Aufstieg Chinas oder die außenpolitische Kehrtwende der USA unter Donald Trump: Unsere Welt ist im Umbruch. Autoritäre Regime haben Aufwind, westliche Demokratien geraten in der Defensive. Für IPPEN.MEDIA blickt Alexander Görlach in der Videokolumne „Görlachs Weltgeschehen“ regelmäßig auf die Brennpunkte dieser Welt. Görlach ist Geopolitik-Experte und unterrichtet an der New York University.

Herr Görlach, woran hat sich der Kulturkampf in den USA entzündet?

Die weltweit bekannte Harvard-Universität hat sich entschlossen, den Kampf gegen Donald Trump aufzunehmen. Der Präsident der Vereinigten Staaten hatte gefordert, dass Harvard künftig seine Einstellung von Professoren, auch das, was im Unterricht gelehrt wird, vom Weißen Haus, von der US-Regierung vorher abgesegnet werden muss. Trump hat behauptet, dass in Harvard und anderen Elite-Universitäten Antisemitismus grassiere und dass eine „woke“ Gender-Ideologie gelehrt werde. Und das müsse nun abgeschafft werden. Andernfalls würden alle Fördermittel des Bundes gestrichen. Harvard hat gesagt, das ist ein Eingriff in unsere wissenschaftliche Freiheit, in unsere Freiheit als Unternehmen, als Forschungseinrichtung und hat sich entschlossen, eben gegen Trump und diese Forderungen sich zu positionieren. Und die Hoffnung ist nun, dass andere Bildungseinrichtungen, die ebenfalls von Donald Trump unter Druck gesetzt werden, Harvards Beispiel folgen.

Trump gegen Harvard: „gegen alles, was seiner Meinung nach links ist“

Zur Person

Professor Alexander Görlach unterrichtet Demokratie-Theorie und -Praxis an der New York University. Der Geopolitik-Experte hatte verschiedene Positionen an der Universitäten Harvard und Cambridge inne. Unter anderem erschien von ihm „Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Westpazifik in einen globalen Krieg führt“ (2022).

Was ist an Trumps Vorwürfen dran?

Schon in seiner ersten Amtszeit hat er gegen alles gewettert, was links ist, seiner Meinung nach. Und sich vor allem so positioniert, weil seine Geldgeber, die christliche Rechte vor allem, das so gefordert hat. Für die ist auf dem Zeugnis der Bibel fußend, so wie sie das auslegen, die Rolle von Mann und Frau für alle Ewigkeiten zementiert. Und Gender Studies, die sich eben kritisch mit der Rolle der Frau und mit Emanzipation von Frauen in Gesellschaften auseinandersetzen, Teufelszeug. Im Zuge der Proteste gegen Israels Politik und Krieg in Gaza gab es auch auf vielen Universitätscampus Proteste. Donald Trump sagt, diese Proteste seien zum großen Teil antisemitisch motiviert und dürften nicht stattfinden. Mittlerweile wurden auch einige der Anführer, also die Studenten, die diese Proteste geleitet haben, in Gewahrsam genommen, verhaftet, und ihr Aufenthaltsstatus wird überprüft. Es gibt viele Rechtsexperten, die das für illegal halten. Auch Harvard hat sich hier positioniert und möchte eben das, obwohl man sagt, man will alles tun gegen Antisemitismus, doch auch die freie Rede auf dem Campus weiter ermöglichen.

Trumps Angriff auf Harvard ist „Angriff auf die Freiheit der Gesellschaft insgesamt“

Was bedeutet das für die Demokratie in den USA?

Der Angriff auf die freien Universitäten jetzt unter Donald Trump ist wie bei jedem Despoten und Tyrannen ein Angriff auf die Freiheit einer Gesellschaft insgesamt. Denn auch wenn man nicht der Meinung sein muss, nicht die Meinung teilen muss, dass alles, was an Universitäten gelehrt, untersucht und behauptet wird, dem Test der Ewigkeit standhalten wird, so dürfte doch klar sein, dass Universitäten der Motor von Innovation und Wandel in einer Gesellschaft sind. Und das stößt natürlich immer bei denen auf, die gegen jede Form von Wandel und Erneuerungen sind. So auch in den USA. Und jetzt in diesem Moment, wo Professoren zum Beispiel an der Grenze, Wissenschaftler an der Grenze aufgehalten werden, zurückgeschickt werden oder Studierende um ihren Aufenthaltstitel fürchten müssen, geht die Furcht um, die Angst um. Und genau das ist es, was Donald Trump jetzt möchte, dass die Menschen Angst haben. Angst vor Deportation, Angst vor Geldentzug, Angst vor gesellschaftlicher Marginalisierung. Und das ist sozusagen das Lebenselixier des Präsidenten, ein Bully auf dem Schulhof zu sein.

Wie wird es jetzt weitergehen?

Donald Trump hat angekündigt, die Steuerbefreiung von Harvard prüfen und unter Umständen auch streichen zu lassen. Das wären dann zwei Milliarden US-Dollar. Harvard ist die reichste Universität in Amerika und 140 Jahre älter als das Land selber. Von daher wird sich die Universität durchaus über Wasser halten können. Aber kleinere Einrichtungen oder andere Einrichtungen wie die Columbia University, denen schon angedroht wurde, dieses Geld zu entziehen, die haben klein beigeben müssen, weil es sonst ihr wirtschaftliches Überleben gefährdet hätte. Es ist ein Teil jedes Playbooks jedes autoritären Despoten und Tyrannen, dass er an die Universitäten geht, die freien Medien geht oder auch die NGOs, also Nichtregierungsorganisationen, die sich um Menschenrechte bemühen. Das sieht man in Russland, das hat man in der Türkei gesehen, das hat man in Ägypten gesehen. Und Amerika ist auf dem Weg, eben genau so ein Land zu werden. Und jene, die sich noch an ein anderes Amerika erinnern können, die reiben sich die Augen, was unter Donald Trump in noch nicht mal 100 Tagen im Amt aus diesem Land bereits geworden ist. Traurigerweise.

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