„Hanna-Prozess“ geht weiter: Weitere Zeugen befragt – 97 Prozent Porno-Anteil auf Handy des Angeklagten
Bereits zwei Monate läuft der Prozess um die mutmaßlich ermordete Hanna W. In den vergangenen Prozesstagen wurde ein Gewaltporno gezeigt und weitere Zeugen befragt.
Aschau/Traunstein – Der Prozess um den mutmaßlichen Mord an einer 23-jährigen Studentin Hanna W. in Aschau im Chiemgau zieht sich weiter hin: Erneut werden Beamtinnen und Beamte befragt; neues Beweismaterial wird vorgetragen. Dem 21-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, die 23-Jährige überfallen, geschlagen und stranguliert zu haben. Er muss sich seit Oktober dieses Jahres wegen Mordes vor dem Landgericht Traunstein verantworten.
Hintergrund des „Hanna-Prozesses“
Am Nachmittag des 3. Oktobers 2022 lief ein Passant am Fluss Prien entlang und entdeckte dabei die Leiche einer jungen Frau.
Ermittlungen ergaben, dass es sich bei der Leiche um die 23-jährige Studentin Hanna W. handelte. Und weiter: Die 23-Jährige hatte in dem Club „Eiskeller“ in Aschau in Chiemgau gefeiert und sich am frühen Morgen auf den Heimweg gemacht – doch zu Hause kam sie nie an.
Sechs Wochen nach der Tat wurde ein inzwischen 21-Jähriger festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, die junge Frau auf ihrem Heimweg vom „Eiskeller“ verfolgt, aus sexuellen Motiven überfallen, auf den Kopf geschlagen und verletzt in den Bärbach geworfen zu haben, der in die Prien mündet. Hanna W. soll dann ertrunken sein.
Nach mehr als zwei Monaten laufenden Prozesses sind unterschiedliche Zeuginnen und Zeugen befragt worden – darunter die Familie der Verstorbenen sowie Bekannte und Freundinnen und Freunde, die mit Hannah W. in der Nacht auf den 3. Oktober 2022 in dem Club gefeiert hatten. Auch die Familie des Angeklagten sowie seine Arbeitskolleginnen und -kollegen und Bekannte von den Pfadfindern wurden vernommen. Hinzukommen Polizei- und Kriminalbeamtinnen und -beamte und Expertinnen und Experten aus der Forensik und Rechtsmedizin.

18. Prozesstag – Justizopfer Manfred Genditzki erscheint im Gerichtssaal – Soko-Chef: „Showveranstaltung“
Die Anwaltschaft der Beklagtenseite wählte im Verlauf des Prozesses zum Teil ungewöhnliche Mittel: So erschien bei der Fortsetzung der Verhandlung vergangene Woche am 18. Verhandlungstag das Justizopfer Manfred Genditzki (63) im Gerichtssaal. Er setzte sich mit seiner Frau Maria in die zweite Reihe – direkt neben die Familie des angeklagten 21-Jährigen. „Unsäglich“ schimpfte der Leiter der Soko „Club“, die in dem Aschauer Mordfall ermittelte, über die „Showveranstaltung“ – so bezeichnete er die Vorgehensweise – der neuen Verteidigerin. Die renommierte Münchner Anwältin Regina Rick möchte im Prozess nachweisen, dass die Studentin durch einen Unfall ums Leben kam und nicht nach einer Attacke des Angeklagten.

„Ich denke, dass der Fall hier von der Struktur ähnlich ist wie Genditzkis“, sagte Rick. Die Anwältin hatte den Hausmeister nach 13 Jahren aus dem Gefängnis geholt und zu einem Freispruch verholfen. Genditzki war fälschlicherweise vorgeworfen worden, eine Seniorin nach einem Streit im Oktober 2008 auf den Kopf geschlagen und sie dann in der Badewanne ertränkt zu haben. Anwesenden Journalistinnen und Journalisten sagte Genditzki bloß: „Ich habe da nur vor Kurzem darüber gelesen. Für mich ist das interessant. Angeblich sind wieder dieselben Ermittlungsbehörden dabei bei dem Fall. Und dann schauen wir mal. Ich muss erst mal ein bisschen zuhören, um was es geht.“
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19. Prozesstag – 97 Prozent der besuchten Seiten des Angeklagten mit pornografischem Inhalt
Am 12. Dezember, dem 19. Prozesstag im Fall Hanna W., erklärten Polizeibeamtinnen und -beamte, dass der Angeklagte großes Interesse an Pornos und Gewalt gezeigt habe. Von insgesamt 3198 Seiten innerhalb eines Vierteljahres berichtete ein Polizist, der das Handy im Rahmen der Ermittlungen ausgewertet hatte. „97 Prozent dieser Seiten sind pornografischen Inhalts“, sagte der Digital-Forensiker.
Im Verlauf des Prozesstags wurde ein Gewaltporno im großen Saal des Landgerichts Traunstein gezeigt. Der Angeklagte soll das Video nur etwas mehr als zwei Tage vor dem mutmaßlichen Mord an Hanna W. aufgerufen haben. Laut Aussagen des Digital-Forensikers erschienen Eingaben wie „Sex“, „Porn“, „stranguliert“, „Schwester“, oder „Vergewaltigung“ teilweise häufig in den Suchbegriffen des Angeklagten.
20. Prozesstag – Arbeitskollege über Angeklagten: „durch den Wind“ und „nicht ganz bei der Sache“
Der 20. Tag der Verhandlung begann pünktlich um 9 Uhr. Als erster Zeuge wurde ein 41 Jahre alter Mann in den Gerichtssaal gerufen, der als Subunternehmer für den Arbeitgeber des Angeklagten arbeitete. Dabei traf er den 21-Jährigen, kurz bevor dieser festgenommen wurde. Bei dem Treffen habe der Angeklagte sich den Aussagen zufolge auffällig verhalten und sei „durch den Wind gewesen“, und „nicht ganz bei der Sache“, wie Rosenheim24 berichtete.
Anschließend wurde demnach die zweite Zeugin geladen: eine Polizeibeamtin, die am 17. und 18. November 2022 die Schulfreundin des Angeklagten vernommen hatte. Verteidigerin Rick legte laut Rosenheim24 Widerspruch ein. Die Gerichtskammer habe es der Verteidigung nicht ermöglicht, die Schulfreundin des Angeklagten zu vernehmen, sagte sie. Die Richterin Jacqueline Aßbichler erklärte dazu: „Der Angeklagte darf lügen, aber die Verteidigung nicht. Wir wollen hier keine Manipulation. Wenn Sie nicht wissen, was hier passiert ist, dann informieren Sie sich bei den Anwälten, die dabei waren.“
Gericht lehnt Widerspruch der Anwältin ab – Polizeibeamtin wird vernommen
Die Richterin erklärte laut Rosenheim24 weiter, dass als die Schulfreundin vor Gericht aussagte, habe zugunsten des Angeklagten und auf eigenen Wunsch der Verteidigung keine konfrontative Befragung der Zeugin stattgefunden. Nach einer kurzen Beratung wurde der Widerspruch der Anwältin Rick abgelehnt und die Zeugin befragt. Diese erklärte, dass die Schulfreundin, bei der Polizei nicht nervös gewesen sei. Bei der ersten Befragung der Zeugin am 17. November habe jedoch auch noch kein Verdacht gegen den mittlerweile Angeklagten bestanden.
Die Schulfreundin wurde vergangenes Jahr vernommen, da der 21-Jährige angegeben hatte, den 3. Oktober mit ihr verbracht zu haben. Am 3. Oktober wurde Hanna W. aufgefunden. Die Schulfreundin bestätigte das. Bei einem gemeinsamen Spaziergang habe er ihr erzählt, dass ein Mädchen in Aschau missbraucht, umgebracht und in der Prien aufgefunden worden sei. Er habe das leise und „erschrocken erzählt“, weil er Hanna W. aus dem Club gekannt zu haben, so Rosenheim24 über die Details des Prozesses.
Angeklagte wollte unbedingt mit Schulfreundin spazieren
Laut Aussagen der Polizistin soll sich die Schulfreundin noch gut daran erinnern haben könne, dass der Angeklagte ihr vor dem Spaziergang von dem Mord erzählte, da sie ein ungutes Gefühl dabei hatte, in die Nähe des vermeintlichen Tatortes zu gehen. Eigentlich hatte die Schulfreundin den Aussagen zufolge keine Lust auf das Treffen mit dem 21-Jährigen gehabt, da sie am nächsten Tag arbeiten musste.
Deswegen könne sie sich noch genau daran erinnern, dass der Spaziergang stattgefunden hatte. Der Angeklagte habe unbedingt spazieren wollen, und aus einer erst kleinen Runde sei eine große Runde geworden – fast drei Stunden lang, berichtete Rosenheim24 über den Prozess. In Aschau soll die Schulfreundin um 19.15 Uhr angekommen und dann um 22.15 Uhr wieder nach Hause gefahren sein.
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Angeklagter zu Schulfreundin: „Jetzt denkt jeder, dass ich der Täter bin“ – Sprachnachrichten abgespielt
Auch berichtete die Polizistin davon, dass die Schulfreundin von einem Abend bei sich zu Hause erzählt habe, an dem der Angeklagte nach der polizeilichen Vernehmung vorbeigekommen war. Er habe gesagt: „Jeder denkt jetzt, dass ich der Täter bin“, so Rosenheim24. Er habe fast geweint, „weil ihn das so fertig gemacht habe.“ Dann soll er sich so viel Alkohol getrunken haben, dass er sich übergeben musste.
Anschließend war Rechtsanwältin Regina Rick mit der Vernehmung dran und befragte die Beamtin. Im Gerichtssaal spielte sie mehrere Sprachnachrichten der Schulfreundin vor. Darin spricht die junge Frau über ihre erste Vernehmung: „Ich könnte heulen. Ich war jetzt gerade bei der Polizei und muss vielleicht ein paar Wochen in U-Haft, weil die mich und den T. verdächtigten. Jetzt soll ich mir einen Anwalt nehmen.“ Die Polizistin zeigte sich laut Rosenheim24 überrascht und gab an, die Schulfreundin sei in den zwei Tagen der Vernehmung sehr locker gewesen und habe danach sogar „gestrahlt“.
Die Anwältin laß im weiteren Verlauf des Prozesses verschriftliche Sprachnachrichten vor: „Ich bin jetzt 1,5 Stunden bei der Polizei gesessen und habe nicht einmal was damit zu tun“. Und: „Dann hat mich der Mann angeschrien, ich soll jetzt die Wahrheit sagen. Und ich habe geantwortet: Ich habe ja nichts Besseres zu tun, als jemanden umzubringen.“ Die Polizeibeamtin antwortete dazu, dass die Schulfreundin bei keiner dieser Vernehmungen – die übrigens auch aufgezeichnet wurden – laut angesprochen worden sei und auch die Schulfreundin selbst nie so forsch geantwortet habe, so Rosenheim24.
Am Tag des Spaziergangs: Angeklagter soll Schulfreundin neues Messer gezeigt haben
Im weiteren Verlauf des 20. Verhandlungstages wurde eine zweite Polizistin in den Zeugenstand gerufen. Die Beamtin hatte die dritte Vernehmung der Schulfreundin des Angeklagten durchgeführt. Demnach habe die Schulfreundin angegeben, sich bei den vorherigen Vernehmungen nicht getraut zu haben, etwas darüber zu sagen, weil sie ihren Bekannten nicht in Schwierigkeiten bringen haben wollen. „Aber es ist halt so gewesen, dass der T. mich in der Vergangenheit angefasst hat und das hat er auch am 3. Oktober“, soll die Schulfreundin den Aussagen zufolge gesagt haben.
Am Tag des Spaziergangs habe der Angeklagte, als die beiden am Kofferraum des Autos gestanden haben, der Schulfreundin ein neues Messer gezeigt, ihr dann an den Hals gehalten und gesagt: „Haha, jetzt bring´ ich dich um.“ Bei der dritten Vernehmung soll die Schulfreundin laut der Polizistin diese Szene auch nachgespielt haben: „Er hat ihren Hals mit dem Messer nicht berührt“, sagte die Beamtin weiter. Die Freundin habe dem Angeklagten gesagt, er solle „den Scheiß lassen“, ihm das Klappmesser abgenommen und es zugeklappt, so Rosenheim24. Der Tatverdächtige habe Messer gesammelt und öfter bei sich geführt.
Die Polizistin erzählte auch, die Schulfreundin habe ihr gesagt, der Angeklagte habe sich beim Tanzen einmal an ihr gerieben. Das habe sie als „ekelhaft“ beschrieben. Auch beim Spaziergang am 3. Oktober soll er den Arm um sie gelegt haben, und ihn auch nicht wieder weggenommen haben, als sie ihm sagte, dass sie das nicht wollte, so Rosenheim24.
Weitere Verhandlungstermine – vier weitere Termine bis 8. Februar
Die Polizistin war auch bei der Vernehmung des Mitgefangenen beteiligt. Dieser hatte ausgesagt, dass der Angeklagte ihm die Tat gestanden habe. Die Zeugin betonte am 20. Prozesstag, dass sich die Aussagen des Mannes bei bisherigen Gelegenheiten als glaubhaft erwiesen hätten, schreibt Rosenheim24.
Am Nachmittag – nach mehreren Prozessstunden – wurde die Zeugin entlassen und die Verhandlung unterbrochen. Der Prozess wird am 19. Dezember, um 14.00 Uhr, fortgesetzt. An diesem Tag sollen die Videos von Drohnenflügen über dem Fluss Prien mit den Rechtsmedizinerinnen und -medizinern im Zeugenstand ausgewertet werden. Das Landgericht hatte am 6. Dezember vier weitere Termine bis zum 8. Februar angesetzt. Ursprünglich war der letzte Termin am 22. Dezember, kurz vor Weihnachten, geplant. (mit Informationen von dpa, Rosenheim24 und Münchner Merkur)
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