Nach den elendigen Debatten um das Heizungsgesetz geht es für Robert Habeck um den nächsten Schritt bei der klimaneutralen Wärmeversorgung. Es wird über die Stilllegung von Gasnetzen gesprochen.
Berlin – Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium im vergangenen Jahr fossilen Energieträgern in privaten Heizungen den Kampf angesagt hat, geht es nun in die nächste Runde. Jetzt, wo die Weichen für klimaneutrales Heizen mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) und dem Wärmeplanungsgesetz gestellt wurden, muss die Frage nach der Infrastruktur gestellt werden. Wenn viele Menschen in den kommenden zehn bis 15 Jahren auf Wärmepumpen oder Fernwärme umstellen, wird das Erdgasnetz obsolet oder sehr teuer weiterzubetreiben. In einem neuen Papier aus dem Hause von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird die Stilllegung der Gasnetze erörtert.
Verbraucher sollen bei der Transformation nicht belastet werden
In dem Papier geht es im Wesentlichen darum, auf der einen Seite sicherzustellen, dass Eigentümer und Mieter rechtzeitig über die Stilllegung oder Umwidmung von Gasnetzen informiert werden; auf der anderen Seite aber auch darum, die Netzbetreiber vor wirtschaftlichem Ruin zu schützen, wenn sie gezwungen werden, ein obsoletes Gasnetz weiterzubetreiben. Übergeordnetes Ziel ist es, sicherzustellen, dass Deutschland bis 2045 eine vollständig klimaneutrale Wärmeversorgung hat.
Das Wirtschaftsministerium schreibt in dem Papier: In Zukunft wird das Gasnetz in seinem jetzigen Umfang nicht mehr benötigt werden. Doch der Rückgang des Erdgasverbrauchs wird nicht von einem Tag auf den nächsten passieren, genauso wenig wie der Hochlauf von Fernwärme, Wärmepumpen, Biomethan und Wasserstoff über Nacht geschieht. Es gilt also diese schrittweise Transformation mit sinnvollen Regelungen zu begleiten und die Wogen beim Umbruch der nächsten Jahre möglichst zu glätten.
Das Problem: Aktuell bezahlen alle Gaskunden die Betriebs- und Wartungskosten des Netzes mit den Netzentgelten. Da aktuell 48 Prozent der Privatwohnungen in Deutschland aktuell Gas als Energiequelle nutzen, lassen sich diese Kosten auf viele Schultern verteilen. Doch diese Verteilung wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verschieben, sodass weniger Menschen für die gleichen – oder sogar noch höheren – Betriebskosten aufkommen müssen. Das würde eine schwere Kostenbelastung für Unternehmen und Privatleute bedeuten, die aus verschiedenen Gründen nicht schnell genug vom Gasnetz umsteigen können. Zu denken ist dabei insbesondere an Mietparteien, die die Netzentgelte zahlen müssen, aber für die Umstellung nicht verantwortlich sind. Oder an Eigentümer, die auf ein Fernwärmenetz warten, das noch nicht fertig geworden ist.
„Entscheidend ist, dass während der Transformationsphase eine kontinuierliche, bezahlbare Energieversorgung der Endverbraucher gewährleistet bleibt, d. h. es darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung durch markant steigende Netzentgelte für Haushalte und Unternehmen kommen. Falls Erdgasnetze stillgelegt werden, müssen die angebundenen Kunden einen hinreichenden Vorlauf haben, um ihre Energieversorgung umzustellen“, schreibt das BMWK in dem Papier dazu. Was genau mit „hinreichenden Vorlauf“ gemeint ist, wird nicht weiter beschrieben.
Fragen auf die Habeck noch keine Antworten hat
Weiter stellt das Ministerium klar, dass es den Gasnetzbetreibern aktuell untersagt ist, einen Anschluss an das Gasnetz zu kündigen oder einen Neuanschluss zu verweigern. „Eine Verweigerung des Netzanschlusses ist derzeit nur möglich, wenn der Netzanschluss dem Netzbetreiber aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Das gilt sowohl für Neuanschlüsse also auch für Verdichtungen im Bestandsnetz“, heißt es in dem Papier. „Dies kann im Laufe der Transformation im Widerspruch zur Stilllegung beziehungsweise Umwidmung der Gasverteilernetze stehen. Insoweit wird der entsprechende Ordnungsrahmen anzupassen sein.“
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Daher will das grün-geführte Ministerium den Netzbetreibern die Möglichkeit einräumen, bestehenden Kunden zu kündigen. Auch hier wieder mit genug Vorlaufzeit, damit sich Gaskunden rechtzeitig über andere Heizmöglichkeiten informieren können. Allerdings gibt es hier einen Haken, den das Wirtschaftsministerium erkennt, aber noch keine Lösung parat hat: Was, wenn Gebäudeeigentümer sich eigentlich darauf verlassen hatten, dass das Gasnetz in ein Wasserstoffnetz umgewandelt wird – der Netzbetreiber sich jetzt aber dagegen entschieden hat? Was, wenn jemand eine Biomethanheizung einbaut, in der Straße aber der einzige ist, der noch das Gasnetz braucht? Sollte der Netzbetreiber verpflichtet werden, für diesen einen Haushalt das Netz weiterzubetreiben? Oder sollte der Eigentümer verpflichtet werden, auf eine andere Heizart umzusteigen?
Haushalte sollten sich an einen Energieberater wenden
Das sind kniffelige Fragen, die nicht geklärt sind – und politisch zu diskutieren sind. Zudem ist immer noch nicht klar, ob Wasserstoff und Biomethan in Zukunft wirklich als Heizoption für Verbraucher infrage kommen werden. Vor allem beim Wasserstoff sind sich Experten einig, dass das keine sinnvolle Option für Privatleute sein wird, zum einen, weil es sehr teuer herzustellen ist (und vermutlich auch bleiben wird), zum anderen, weil es Erdgas nicht ersetzen kann. „Selbst wenn wir die gesamte in der EU erzeugte Elektrizität zur Herstellung von Wasserstoff verwenden würden, könnten wir trotzdem nur etwa 45 Prozent der derzeit durch fossiles Gas gelieferten Energie ersetzen“, schreibt dazu die Denkfabrik Bellona Deutschland.
Was sollten Verbraucher und Verbraucherinnen mit diesen Informationen jetzt tun? Zunächst einmal die Klarstellung: Das Papier des Wirtschaftsministeriums dient erstmal nur dazu, die Probleme aufzuzeigen und über mögliche Lösungen zu diskutieren. Auf dessen Grundlage wird nichts beschlossen. Dennoch sollten Haushalte das wieder zum Anlass nehmen, sich über ihre Heizung der Zukunft zu informieren. Der verlässlichste Partner für die eigene Heizungslösung ist ein Energieberater, die Kosten für diesen werden zu 80 Prozent vom Staat bezuschusst.