Wegen großer Asylhalle: Anwohner haben Angst um ihre Kinder

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Weilheim
  4. Seeshaupt

Kommentare

Die Anlieger der geplanten Asylunterkunft in Seeshaupt, die auf der Wiese im Hintergrund entstehen soll. © Veronika Mahnkopf

Wut auf das Landratsamt und Angst vor manchen Asylbewerbern: Das empfinden die Anwohner der Wiese in Seeshaupt, auf der im Frühjahr eine Thermohalle als Asylbewerberunterkunft entstehen soll. Die Familien, die dort leben, fühlen sich von den Verantwortlichen im Stich gelassen.

Seeshaupt – Die 12-jährige Tochter von Julia K. wird gerade so richtig selbstständig. Morgens geht sie allein zum Bahnhof und fährt mit dem Zug zur Schule. Sie ist im Ort unterwegs und trifft Freundinnen. All das wird sie nicht mehr dürfen, wenn die Thermohalle nahe der Tankstelle in Seeshaupt und unmittelbar an ein Wohnviertel angrenzend steht. Denn ihre Eltern haben Angst. „Dass die Männer, die da kommen, die Grenzen meiner Tochter nicht akzeptieren“, sagt Julia K. Ihre Nachbarn nicken. Es sind genau diese Ängste, die alle am Pfarrer-Behr-Weg gerade umtreiben. Ob begründet oder nicht. Ob jemals etwas passieren wird, was die Ängste rechtfertigt, weiß niemand. Sicher ist nur: Sie sind da. Und bleiben von den Verantwortlichen ungehört.

Das Landratsamt Weilheim-Schongau plant, auf der dem Freistaat gehörenden Wiese am Seeshaupter Ortseingang eine Thermohalle als Asylbewerberunterkunft für bis zu 100 Geflüchtete zu errichten (wir berichteten). Zusätzlich sollen dort Container entstehen oder eine feste Bebauung als Wohnungen für 50 oder über 100 Menschen – die Zahlen und Begrifflichkeiten gehen beim Landratsamt und Landrätin Andrea Jochner-Weiß durcheinander, seit die Pläne öffentlich wurden. Die Thermohalle soll bis April stehen, konkrete Pläne fehlen bislang. Bei den untergebrachten Menschen soll es sich um Frauen, Männer und Kinder handeln, die Unterkunft soll vor allem als Übergangslösung genutzt werden.

Petition gegen Unterkunft hat schon fast 1500 Unterschriften

Bei den Anwohnern hat das Vorhaben und die damit verbundenen Unwägbarkeiten zum Beispiel zur Anzahl der Geflüchteten für große Verunsicherung gesorgt. Die Familien wollen sich gegen die Pläne wehren. Eine von ihnen gestartete Petition auf change.org hat bereits fast 1500 Unterschriften. Die Hauptbedenken: Die Unterkunft würde Seeshaupts Infrastruktur zu sehr belasten, außerdem könnte die Lage mitten im Wohngebiet und in unmittelbarer Nähe zu Kinderhaus und Schule „das soziale Gefüge und das Zusammenleben erheblich beeinträchtigen“. Und sie prangern die fehlende Bürgerbeteiligung an: „Wir fordern Transparenz und eine Mitsprachemöglichkeit bei der weiteren Planung.“

Bislang sah es damit mau aus. „Wir wissen nix“, bringt es Julia K. auf den Punkt. Nachgefragt beim Landratsamt teilt dieses mit, dass es bislang auch „keinen neuen Planungsstand“ gibt. Nur so viel: Die Errichtung der Thermohalle habe Vorrang, erst danach werde man die Planung für eine feste Unterkunft angehen. Wie die Heimatzeitung erfuhr, waren die Landratsamtspläne zum Zeitpunkt der Gemeinderatssitzung von Anfang Februar auch bei Innenministerium und Regierung von Oberbayern noch nicht bekannt. Dass man quasi ohne den Rechnungszahler und Grundstückseigentümer plant, sei nicht ungewöhnlich, weil die Grundstücke des Freistaats Bayern für diesen von der „Immobilien Freistaat Bayern“ (IMBY) betreut, verwaltet und vergeben werden. Diese stelle dem Landratsamt solche Grundstücke kostenlos zur Verfügung.

An Sportzentrum „kann man Kinder nicht mehr alleine hin lassen“

Statt Information von Seiten des Landratsamtes macht nun also Spekulation die Runde am Pfarrer-Behr-Weg. Wie viele Geflüchtete kommen, sind es vor allem Männer, wie lange bleiben sie, wie werden sie sich verhalten? „Ich habe Angst vor einem Ankerzentrum mit lauter ungeprüften Leuten, die alle acht Wochen wechseln“, sagt ein Anwohner. Ein anderer fügt an, dass das Sportzentrum als der Treffpunkt für die Seeshaupter Kinder und Jugendlichen nur 200 Meter entfernt liegt. „Da kann man die Kinder dann nicht mehr einfach so alleine hin lassen.“ Und auch die Zufahrt über einen zugewachsenen Feldweg, direkt zwischen zwei Häusern hindurch, beschäftigt die Menschen. „Die ganze Logistik, die Leute, gehen direkt an meinem Fenster vorbei“, sagt Julia K.

Die beim Anwohnertreffen anwesenden Gemeinderatsmitglieder Dorothee von Jungenfeld, Reinhard Weber und Armin Mell können da nicht viel beruhigen. Auch sie fühlen sich vom Landratsamt wenig informiert bis desinformiert. Warum entsteht dieses Vorhaben genau jetzt, in Seeshaupt? Kurz nach der Bundestagswahl sei völlig unklar, wie es in der Migrationspolitik weitergehen wird, führt von Jungenfeld an. Und Weber fügt hinzu: „In Habach steht die Unterkunft leer. Warum lässt man sich da Zeit, wenn doch Druck da ist?“

Den Anwesenden ist an diesem Nachmittag trotz all der formulierten Ängste sehr wichtig, klarzumachen: Sie wollen nicht in die rechte Ecke mit ihren Anliegen. Julia K. hat sich früher für Geflüchtete engagiert, eine Familie besonders unterstützt. Jetzt sei sie in einem moralischen Dilemma, habe bei der Bundestagswahl zum ersten Mal in ihrem Leben schwarz gewählt, weil die Probleme beim Thema Migration nun so nah an ihre Haustüre rücken, sagt sie in der Runde. Ein anderer Anwohner versichert, er habe prinzipiell nichts gegen Flüchtlinge. „20 bis 30 seien schaffbar, aber wir wollen kein Durchgangslager. Das kann so ein kleines Dorf nicht stemmen.“

Auch interessant

Kommentare