Die Queen of Pop baut sich ihr eigenes Denkmal

Mit ihrer "Celebration"-Tour ist Madonna in Berlin zu Gast. Die Fans sehen eine fulminante Show über das Leben der Queen of Pop. Musik, Tanz und Sex inklusive.

Aus der Mercedes-Benz-Arena in Berlin berichtet Nils Heidemann

Als Madonna um 22.19 Uhr endlich auf der Bühne erscheint, ist das Unverständnis einiger Fans über die lange Wartezeit zuvor schnell vergessen. Fast zwei Stunden zögert die Queen of Pop den Konzertbeginn heraus. Es gibt wohl kaum Musiker, die sich so was erlauben können. Madonna hingegen zieht es durch, bei jedem ihrer Konzerte. Aber wenn sich das jemand erlauben kann, dann sie. Schließlich gilt sie nach dem Ableben von Prince und Michael Jackson als der noch größte lebende Popstar der Welt.

Unter den ersten Tönen ihres Hits "Nothing Really Matters" (1998) steigt Madonna wie eine Göttin aus dem Nebel hervor. Ein schwarzes Kleid schmiegt sich an ihren Körper, auf dem Kopf trägt sie einen silbernen Haarreifen, der an einen Heiligenschein erinnert. Sie selbst wird durch eine Bühne in die Höhe befördert, die Mercedes-Benz-Arena in Berlin liegt ihr buchstäblich zu Füßen. Es ist ein Einstieg in die Show, der dem Status Madonna gerecht wird.

Wird sie ihrem Status noch gerecht?

Über Jahrzehnte hat sie sich diesen erarbeitet. Sie prägt den modernen Pop seit den 1980ern wie keine Zweite. Das Ergebnis sind – auch noch im Jahr 2023 – Dutzende ausverkaufte Shows in Riesenhallen. Allein in London verkauft sie die O2-Arena sechsmal aus, hätte dies vermutlich auch ein siebtes Mal geschafft. In Berlin ist sie an zwei Abenden zu Gast. Anfang des Jahres kauften sich 600.000 Personen ein Ticket für die Shows weltweit – an einem einzigen Tag.

Dass sie tatsächlich auf der Bühne steht, war vor Kurzem noch nicht denkbar. Im Juni erlitt sie einen schweren bakteriellen Infekt und landete auf der Intensivstation. Ihre Tour musste zunächst teils verschoben werden. Wie also verträgt Madonna nur ein paar Monate später den Stress einer ausgedehnten Konzertreise durch Europa? Und überhaupt: Kann sie mit mittlerweile 65 Jahren noch das abliefern, was von einem Popstar mit solch horrenden Ticketpreisen erwartet wird?

Dem Anspruch wird sie von Beginn an gerecht. Gewohnt selbstbewusst nimmt sie die Arena für sich ein, macht klar, dass sie der Star des Abends ist. Als sie über den angeblich hohen Drogenkonsum in Berlin spricht, stellt sie kurz darauf fest: "ICH bin heute eure Droge".

Eine Droge, die das Publikum mit einer fulminanten und bis ins letzte Detail durchgeplanten Choreografie in einen zweistündigen Rausch versetzt. Die "Celebration"-Tour bringt nicht nur wahllose Konzerte in die Städte. Es ist eine Geschichte, in der sie auf ihre 40-jährige Karriere, ihr rasantes Leben und auf wichtige Ereignisse sowie Personen der Popkultur blickt.

Madonna: Weltstar, Modeikone, Sexsymbol

Bei der Ballade "Live To Tell" (1986) etwa schwebt Madonna in einem gläsernen Kasten durch das Publikum. Sie widmet den Song all jenen, die den Kampf gegen Aids verloren haben. Ein Bild ihres verstorbenen besten Freundes Martin Burgoyne, ein britischer Künstler, erscheint auf einer riesigen Leinwand, ebenso ein Foto des Pop-Art-Vertreters Keith Haring. Madonna bezieht auch die Kunst in ihre Show ein.

Dasselbe gilt für die Mode. Beim Song "Vogue" (1990) betreten Dutzende Tänzer in ikonischen Outfits der vergangenen Jahrzehnte die Bühne. Sie laufen in schillernden Kostümen über einen Catwalk auf Madonna zu, die in ihrer Hand wild mit einem 10-Punkte-Schild gestikuliert. Getreu dem Motto: Ihr alle seid wunderschön, bitte bleibt genauso wie ihr seid.

Offenbar ist dies eine Reminiszenz an die Ballroom-Szene der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA. Schwarze und lateinamerikanische LGBTQ-Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verstoßen wurden, fanden hier Rückhalt und eine Familie. Madonna, die sich immer schon für die Rechte von sexuellen Minderheiten einsetzte, schafft mit ihrer "Celebration"-Tour einen Safe Space für die queere Community. Das wird nicht nur am Publikum in Berlin, sondern auch daran deutlich, dass Bob the Drag Queen, eine bekannte Aktivistin aus den USA, immer wieder mit Ansagen durch den Abend führt.