Alle jubeln über die US-Notenbank – nur Trump will nicht mitfeiern
Mit einer kräftigen Zinssenkung löst die Fed weltweit Euphorie aus. Anleger hoffen auf steigende Kurse. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
München – Chapeau. Amerikas Notenbank „Fed“ macht keine halben Sachen: Die am Mittwochabend verkündete Zinssenkung um einen vollen halben Prozentpunkt hat das Zeug, nicht nur den USA, sondern der ganzen Weltwirtschaft neuen Schub zu verleihen. Der Freudensprung des deutschen Aktienindex Dax auf ein neues historisches Hoch, und das ausgerechnet im Börsen-Psychomonat September, spiegelt die enorme Erleichterung darüber wider. Nicht mal die neuen Schreckensmeldungen von Volkswagen konnten im Wachstums-Schlusslichtland Deutschland gestern die Stimmung trüben.
US-Notenbank senkt Leitzins: Gespenst der „Stagflation“ ist vertrieben
Der von vielen prophezeite Weltuntergang an den Märkten ist mal wieder abgesagt, das Stagflations-Gespenst vertrieben. Darüber freut sich wohl nur einer nicht: Donald Trump. Der Republikaner verdächtigt die US-Notenbanker, mit ihrer Zinspolitik den regierenden Demokraten Schützenhilfe im US-Präsidentschaftswahlkampf zu leisten.
Tatsächlich hat die Fed, die wegen ihrer immensen Macht die Rolle einer Art Welt-Notenbank spielt, geschafft, was ihr vor zwei Jahren kaum noch einer zugetraut hatte: Nachdem den US-Währungshütern nach Corona und dem Ausbruch des Ukrainekriegs die Inflation vollständig entglitten war, mit Verbraucherpreissteigerungen von bis zu 9 Prozent, haben sie die Zinsen ab März 2022 in einer historisch einmaligen Serie von null auf 5,5 Prozent hochgerissen.
Inflation: Ist vor der US-Wahl 2024 ein „soft landing“ in Sicht?
In der Vergangenheit haben solche Manöver regelmäßig Rezessionen und Börsencrashs ausgelöst. Mit der dynamischen Zinswende vom Mittwoch wächst die Hoffnung, dass die auf 2,5 Prozent gesunkene Inflation diesmal besiegt werden kann, ohne gleichzeitig die Wirtschaft auf Talfahrt zu schicken. „Soft landing“, sanfte Landung, nennen das die Amerikaner. Viele Anleger träumen schon wieder von einem neuen „Goldlöckchen“-Szenario: Die Wirtschaft wächst ohne inflationäre Tendenzen moderat weiter, während eine Serie weiterer Leitzinssenkungen viel Geld in die Märkte lenkt, was den Konsum belebt und die Aktienkurse befeuert.
So kann es, muss es in den kommenden Wochen und Monaten aber nicht kommen. In den unruhigen US-Wahljahren erreicht der Aktienmarkt diesseits und jenseits des Atlantiks rein statistisch erst im November sein Jahrestief. Und misstrauische Gemüter argwöhnen, dass die US-Notenbanker das Zinsruder nur deshalb so stark herumgerissen haben, weil sie mehr wissen als andere. Die meisten Börsianer wollten davon gestern aber nichts hören. Sie drückten von Tokio über Frankfurt bis an die New Yorker Wall Street beherzt auf die Kauftaste. (Georg Anastasiadis)