Deutscher Zins-Schock: Bundesbank sieht Gefahr einer neuen Finanzkrise

So laut und so deutlich ist die Bundesbank selten gewesen: Sie, die die Oberaufsicht über die Banken und das Geldsystem in Deutschland führt, skizziert in ihrem neuen Finanzstabilitätsbericht 2025 ein Szenario, das klingt wie ein Thriller in den Trading Rooms: Faule Kredite, überbewertete Märkte und explodierende Staatsschulden könnten sich zu einem perfekten Sturm für Deutschlands Finanzsystem verdichten. Die Mischung ist toxisch – und sie gärt bereits.

Ein Blick in die Analyse zeigt: Die Bundesbank sieht „einen erheblichen Risikoanstieg“ im deutschen Finanzsystem. Banken, Versicherer und Fonds profitieren zwar derzeit noch von höheren Zinsen, aber die Gefahr eines empfindlichen Rückschlags wächst. Besonders die Kreditrisiken nehmen zu. 

Zinswende mit Sprengkraft

Der Zinsanstieg der vergangenen zwei Jahre hat viele Unternehmen und Haushalte in Bedrängnis gebracht. Kredite, die in der Nullzinszeit abgeschlossen wurden, stehen jetzt unter Druck, sobald sie verlängert werden müssen. „Die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen ist gestiegen“, heißt es im Bericht. Die Banken verdienen derzeit prächtig, doch die Bundesbank warnt: Das sei kein Zeichen von Stabilität, sondern ein Zinsmoment – und damit eher flüchtig. Sobald die Konjunktur noch schwächer werde, kippen Margen in Verluste, weil Kredite ausfallen. Besonders riskant sind Gewerbeimmobilien und Mittelstandsdarlehen.

Ein Blick auf die Märkte zeigt die zweite Schwachstelle. Die Bundesbank spricht offen von „überhöhten Bewertungen“ an Aktien- und Anleihemärkten. Was im Aufschwung glänzt, kann im Abschwung schmerzen: Wenn die Konjunktur abkühlt oder geopolitische Spannungen zunehmen, drohen abrupte Kursrückgänge. Der Bericht warnt, dass „eine Korrektur an den Märkten gleichzeitig mit höheren Kreditausfällen auftreten“ könne – eine doppelte Belastung für Banken und Versicherer. Genau dieser Gleichklang ist das Gefährliche: Kreditrisiken und Marktverluste verstärken sich gegenseitig.

Schuldenpolitik als Brandbeschleuniger

Besonders brisant ist der dritte Teil der Gleichung: die Schuldenpolitik. Die Bundesbank warnt vor den Folgen steigender Staatsschulden in Europa und Deutschland. „Hohe Defizite und wachsende Zinslasten schränken den Handlungsspielraum der Staaten ein und können die Finanzstabilität gefährden“, schreiben die Bundesbank-Analysten. Das Handelsblatt notiert dazu bereits: „Die Notenbank sieht das Zusammenspiel aus Schulden, Inflation und Zinsen als strukturelles Risiko für das gesamte Finanzsystem.“ 

In Zahlen klingt das abstrakt, in der Praxis ist es gefährlich. Wenn Staaten sich teurer verschulden müssen, geraten ihre Anleihen unter Druck. Das trifft wiederum Banken, die diese Papiere in ihren Bilanzen halten. „Das ist eine toxische Kombination, wenn hohe Verschuldung auf geringes Wachstum trifft“, sagt ein Bundesbankvertreter. In der Eurozone erinnert das an alte Wunden aus der Schuldenkrise rund um Griechenland zu Anfang des letzten Jahrzehnts: – den sogenannten „doom loop“, also die verhängnisvolle Verbindung zwischen Banken und Staaten: Wenn einer schwächelt, reißt er den anderen mit.

Immobilien und Illusionen

Die Lage im Immobiliensektor ist zweigeteilt. Während der Wohnungsmarkt leichte Stabilisierung zeigt, bleibt der gewerbliche Bereich ein Risiko. Leerstände, sinkende Mieten und teure Refinanzierungen lassen Werte bröckeln. Die Bundesbank spricht von einer „anhaltend schwierigen Lage“ und „abnehmender Kreditqualität“ im Gewerbesegment. 

Die Mischung aus schwächerer Wirtschaft, hohen Bewertungen und steigender Verschuldung lässt die Stabilität bröckeln. Der Finanzsektor ist zwar besser kapitalisiert als in der Finanzkrise 2008, aber das ist kein Freibrief. Die Bundesbank schreibt: „Widerstandskraft darf nicht mit Unverwundbarkeit verwechselt werden.“ Übersetzt heißt das: Die Kapitalpuffer reichen, solange kein echter Schock kommt. Wenn er aber kommt, wird’s eng.

Politik zwischen Spardruck und Schuldenlust

Politisch bleibt das Dilemma damit ungelöst. Der Ruf nach mehr Investitionen kollidiert mit der Warnung vor steigenden Schulden, was dazu führt, dass Haushaltslöcher mit kreativer Buchführung gestopft werden: Die sogenannten Sondervermögen für Rüstung und Infrastruktur sind das Ergebnis. Die Bundesbank mahnt deshalb, „fiskalische Klarheit“ zu schaffen und die Tragfähigkeit der Finanzen zu sichern. Anders gesagt: Wer die Schulden aufbläht, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann die Zinsen durch die Decke gehen.

Die Botschaft der Bundesbank sieht somit so aus: Das deutsche Finanzsystem ist verwundbar. Zu viele Risiken laufen parallel, zu viele Schwächen werden übertüncht. Faule Kredite, überbewertete Märkte und explodierende Staatsschulden – das ist kein abstraktes Dreieck, sondern ein Sturm, der sich zusammenbraut.