Nach München-Anschlag - So viele ausreisepflichtige Afghanen leben bei Ihnen - warum sie noch hier sind
Bayern: 1872 Ausreisepflichtige
Im Freistaat Bayern leben nach Angaben des Landesinnenministeriums Stand 31. Dezember 2024 insgesamt 1872 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige. 1510 von ihnen werden geduldet, 129 davon wegen fehlender Reisedokumente und 27 wegen „ungeklärter Identität“. Die Task Force „Straftäter“ des Bayerischen Landesamts für Asyl und Rückführungen hatte Ende Januar 2025 188 afghanische Straftäter „in Bearbeitung“ - zuzüglich 28 weiterer Afghanen wegen „Ausländerextremismus“. In Abschiebehaft befand sich Ende Januar keine der ausreisepflichtigen Personen.
Nordrhein-Westfalen: 1564 Ausreisepflichtige
Ende 2024 lebten in NRW 1564 ausreisepflichtige Personen mit afghanischer Staatsangehörigkeit. 1439 von ihnen besaßen eine Duldung. Als Gründe dafür nennt das Familienministerium, das auch für die Bereiche Flucht und Integration zuständig ist, „familiäre Ursachen, fehlende Reisedokumente, laufende Ausbildungen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen“. 212 ausreisepflichtige Afghanen, die eine Duldung besitzen, können wegen „fehlender Reisedokumente“ nicht abgeschoben werden, bei elf von ihnen war die Identität ungeklärt.
Fünf Ausreisepflichtige, alles sogenannte „Dublin-Fälle“ (Einreise über Drittstaaten der EU), befanden sich zum Jahresende in Überstellungshaft. Straffällig gewordene Flüchtlinge und Migranten, die sich in Strafhaft befinden, würden statistisch in NRW nicht erfasst. Gleichwohl hat NRW bereits 2018 eine „Regionale Rückkehrkoordinierungsstelle“ (RRK) eingerichtet, die sich um die Abschiebung bei straffällig gewordenen ausländischen Staatsangehörigen kümmert. Bislang seien 3334 Fälle „strafrechtlich auffälliger Personen“ betreut und 1560 Personen abgeschoben worden.
Baden-Württemberg: 1313 Ausreisepflichtige
Im Süden hielten sich am 31. Dezember 2024 insgesamt 1313 vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige auf, bei denen die Abschiebung „vorübergehend ausgesetzt“ war. Bei 81 von ihnen handelt es sich um „schwere Straftäter und Personen, die die Sicherheit des Landes gefährden“. Sieben von ihnen befinden sich in Abschiebehaft.
Schleswig-Holstein: 776 Ausreisepflichtige
Zum Jahresende 2024 waren in Deutschlands nördlichstem Bundesland 776 ausreisepflichtige Staatsangehörige aus Afghanistan registriert. „Wie viele dieser Personen straffällig geworden sind, wird statistisch nicht erfasst“, teilte eine Sprecherin des zuständigen Sozialministeriums mit. 149 von ihnen hätten eine „Duldung aufgrund fehlender Reisedokumente“. Die Zahl untergetauchter Personen werde statistisch ebenfalls nicht erfasst.
Sachsen: 480 afghanische Migranten
Das sächsische Innenministerium der schwarz-roten Minderheitsregierung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) meldete lediglich die Zahl aus Afghanistan stammender Migranten, von denen Ende 2024 genau 480 Personen im ostdeutschen Freistaat lebten. Wie viele davon straffällig sind, werde nicht erfasst, da es „um individuelle Entscheidungen zu Rückführungen“ gehe, die sich zudem „täglich ändern“ könne, heißt es in der knappen Begründung.
Niedersachsen: 478 Ausreisepflichtige
Dem niedersächsischen Innenministerium der rot-grünen Landesregierung liegt nach Angaben eines Sprechers lediglich die Gesamtzahl ausreisepflichtiger afghanischer Staatsbürger vor. Sie betrug 478 zum Jahresende 2024. Davon besaßen 426 eine Duldung, darunter 97 aufgrund fehlender Reisedokumente.
Brandenburg: 376 Ausreisepflichtige
Ende 2024 lebten in Brandenburg 376 ausreisepflichtige Afghanen, von denen 335 geduldet sind. 213 von ihnen galten als „vollziehbar ausreisepflichtig“. Eine Task Force mit dem Namen „Abschiebung Straftäter“ kümmert sich in dem Bundesland um besonders dringliche Fälle von Abschiebung. Neun afghanische Staatsbürger wurden zum 31. Dezember 2024 als „Mehrfach- und Intensivstraftäter“ geführt, elf saßen in Haft. In Abschiebehaft befand sich hingegen keine Person afghanischer Nationalität.
Die Beschaffung von Passersatzpapieren gestalte sich nach Angaben eines Ministeriumssprechers „ebenso schwierig wie die Beschaffung oder Gültigkeitsverlängerung regulärer Pässe für afghanische Staatsbürger mit einem Aufenthaltstitel, da zurzeit nur das afghanische Generalkonsulat in München konsularische Dienstleistungen anbietet“. Das Generalkonsulat München weise aber selbst darauf hin, nur für die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg zuständig zu sein.
Berlin: 339 Ausreisepflichtige
Nach Angaben des Innenministeriums des Landes Berlin sind derzeit im Ausländerzentralregister 339 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige registriert. 260 davon haben eine Duldung. Derzeit befindet sich kein afghanischer Staatsbürger in Abschiebehaft. Zu den Gründen, die eine Abschiebung verhindern, läge laut einer Sprecherin „keine statistische Erfassung vor“.
Hessen: 191 Ausreisepflichtige
In Hessen hielten sich zum Datum der jüngsten Erhebung (18. Oktober 2024) 191 ausreisepflichtige schwere Straftäter. 92 von ihnen waren zum Stichtag „vollziehbar ausreisepflichtig“, neun von ihnen saßen in Strafhaft. Drei Personen waren untergetaucht. Ende Januar saßen zudem sieben afghanische Staatsangehörige in Abschiebehaft.
Sachsen-Anhalt: 182 Ausreisepflichtige
In Sachsen-Anhalt befinden sich zurzeit 182 ausreisepflichtige Afghanen. Eine Statistik über straffällig gewordene Personen unter ihnen führt das Bundesland nicht. Zudem gab ein Sprecher des Landesinnenministeriums an, dass selbst bei Bedarf keine Personen in Abschiebehaft genommen werden könnten, „da der zuständige Bund für die Länder keine verlässlichen Möglichkeiten zur Abschiebung nach Afghanistan geschaffen hat“.
Hamburg: 108 Ausreisepflichtige
Die rot-grüne Senatsverwaltung der Hansestadt Hamburg teilte auf Anfrage lediglich mit, dass 68 der 108 Personen mit afghanischer Staatsangehörigkeit in dem Stadtstaat ausreisepflichtig sind. Die Bitte um Informationen zu Straftätern unter den Betroffenen oder Gründen für Probleme bei der Abschiebung ließ das Innenressort unbeantwortet.
Bremen: 10 Ausreisepflichtige
Im Stadtstaat Bremen sind zurzeit zehn straffällige und ausreisepflichtige afghanische Staatsbürger registriert. Davon befinde sich im Augenblick keine Person in Abschiebungshaft und es gebe auch keine untergetauchten Betroffenen. Fünf Afghanen hätten kein geeignetes Personaldokument, weswegen sie nicht abgeschoben werden könnten, vier Personen befänden sich in „öffentlichem Gewahrsam“. Für zwei Personen bestünden Abschiebungsverbote.
Saarland: 6 Ausreisepflichtige
Aktuell befinden sich im Saarland sechs afghanische Staatsangehörige, die aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen ausgewiesen werden können. Zwei von ihnen sind derzeit „nicht vollziehbar ausreisepflichtig“ aufgrund von Abschiebungsverboten, da ihr Leben in Gefahr sei. Keine der sechs Betroffenen befindet sich derzeit in Abschiebehaft.
Rheinland-Pfalz: Keine „gebündelte Statistik“ vorhanden
Das zuständige Familienministerium der SPD-geführten Koalition mit Grünen und FDP teilte FOCUS online mit, dass für die Zahl von Abschiebungen ausländischer Straftäter „keine gebündelte Statistik“ vorläge, weil für Organisation und Durchführung von Abschiebungen Ausländerbehörden und Kommunen zuständig seien. Diese kurzfristig zu erfassen, sah sich das Ministerium in Rheinland-Pfalz im Gegensatz zu den meisten anderen zuständigen Länderministerien „kurzfristig“ nicht in der Lage.
Das Innenministerium der SPD-geführten rot-roten Regierung von Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin sah sich als einziges Landesministerium aller 16 Bundesländer nicht dazu in der Lage, Zahlenmaterial zu den Fragen zu liefern. Die Antwort des Innenministeriums der CDU-geführten „Brombeer-Koalition“ mit dem BSW in Thüringen steht noch aus.
Reformbedarf bei Abschiebungen überdeutlich
Fazit: Immer öfter und immer heftiger wird von verschiedenen Stellen aus Politik und Sicherheitsbehörden kritisiert, dass die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer, die straffällig geworden sind, juristisch und organisatorisch viel zu kompliziert ist. Neuen Auftrieb hat diese Debatte zuletzt durch die Gewalttaten von Aschaffenburg, Magdeburg und Mannheim bekommen.
Die Antworten der Landesministerien allein zu ausreisepflichtigen afghanischen Straftätern in Deutschland machen deutlich, dass der Umgang mit diesem Personenkreis überraschend unterschiedlich gehandhabt wird. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Abschiebung bislang Ländersache ist und dort auf der Ebene von Regierungspräsidien umgesetzt wird. Genau das wird beispielsweise von der Gewerkschaft der Bundespolizei scharf kritisiert, wie ihr Vorsitzender Manuel Ostermann jüngst in einem Interview mit FOCUS online erläuterte.
Überraschend ist, dass die Wissensstände zu dieser Personengruppe von Ausreisepflichtigen selbst in den Innenministerien zum Teil erheblich voneinander abweichen. Landesministerien besonders von SPD-geführten Bundesländern zeigten sich bei der Beantwortung der Fragen auffallend zurückhaltend - und machten im Fall von Mecklenburg-Vorpommern sogar überhaupt keine Angaben dazu.