Wie Trump EU-Staaten gegeneinander ausspielt – und wie die sich dagegen wappnen

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US-Präsident Donald Trump droht mit Zöllen und könnte versuchen, den Zusammenhalt der EU-Staaten zu untergraben. Die Europäische Union hält jedoch einige schlagkräftige Antworten in ihrem Arsenal für Wirtschaft und Handel bereit.

Washington – In der EU gibt es zunehmend Sorgen, dass US-Präsident Donald Trump den europäischen Zusammenhalt während seiner zweiten Amtszeit untergraben könnte. So wäre es möglich, dass er einigen EU-Staaten Zölle androht. Andere EU-Staaten hingegen könnte Trump von einer „universellen“ Abgabe von zehn bis 20 Prozent befreien, wenn diese sich zu politischen Zugeständnissen oder sich zum Kauf von mehr Öl und Gas aus den USA verpflichten.

Erste Vorzeichen für diese Politik des „Teile und herrsche“ sind bereits sichtbar. So war Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Berichten zufolge die einzige EU-Regierungschefin, die zu Trumps Amtseinführung eingeladen war. Sie hält auch enge persönliche Beziehungen zu dem selbsternannten „besten Kumpel“ des US-Präsidenten, dem Tech-Mogul Elon Musk. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán – langjähriger Bewunderer des „Make America Great Again“ Präsidenten – hat wiederholt die EU-Unterstützung für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland blockiert.

„Es besteht die reale Gefahr, dass einzelne Mitgliedstaaten versuchen, Zugeständnisse und Ausnahmen von Trump zu erhalten, und zwar auf Kosten einer stärkeren, einheitlichen europäischen Verhandlungsposition“, sagte Arthur Leichthammer, Politikstipendiat am Jacques Delors Centre, einem Berliner EU-Think-Tank, dem EU-Portal Euractiv.

USA könnten starke Abhängigkeit Europas in Nato- und Sicherheitsfragen ausnutzen

Karel Lannoo, Geschäftsführer der Denkfabrik Centre for European Policy Studies, bestätigte diese Ansicht und sagte, dass Trump „wahrscheinlich klug genug sein wird“, die EU-Staaten gegeneinander auszuspielen und die starke Abhängigkeit Europas von den USA in Sicherheitsfragen während der Handelsverhandlungen auszunutze. US-Beamte „sehen Europa als schwach an“, sagte Lannoo laut Euractiv. Die USA würden davon ausgehen, dass Europa weiterhin eine enge Partnerschaft über die NATO und zu Verteidigungszwecken benötigen wird – unabhängig davon, welche Politik die USA verfolge.

In den letzten Wochen wurden solche Befürchtungen noch verstärkt. Trump hat sich geweigert, „wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen“ auszuschließen, um die Kontrolle über Grönland zu gewinnen. Trump wiederholte seine Drohung am Samstag und behauptete, die Annexion der ressourcenreichen, arktischen Insel durch die USA sei „zum Schutz der freien Welt“ notwendig. Grönland ist ein selbstverwaltetes Territorium, das zum EU-Mitgliedstaat Dänemark zählt.

Wirtschaftliche und politische Schwäche verschärft Anfälligkeit der EU

Auch Trumps Ignoranz gegenüber multinationalen Abkommen sowie Organisationen wie der EU erhöht die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass er direkt mit einzelnen EU-Staaten verhandeln wird, merken Analysten an. Washingtons Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Pariser Klimaabkommen in der vergangenen Woche unterstreicht die Vorahnung. Teile und herrsche „ist eine sinnvolle Taktik und passt zu Trumps Weltanschauung“, sagte Niclas Poitiers, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Think-Tank Bruegel.

Die Anfälligkeit Europas für diese Trump-Taktik wird durch die aktuellen Gegebenheiten in der EU noch verschärft: die wirtschaftliche und politische Schwäche von Deutschland und Frankreich, zwei der wichtigsten traditionellen Agenda-Setter der EU, sowie den wachsenden politischen Einfluss rechtsgerichteter, Pro-Trump-Parteien innerhalb der EU.

Wie die EU auf mögliche wirtschaftliche Zwänge der USA reagieren kann

Maßnahmen zum Schutz vor extraterritorialen Wirtschaftszwängen und zur Durchsetzung geoökonomischer Interessen sind größtenteils Neuland für Europa. Binnenmarkt und Außenhandel florieren auf der Grundlage von Offenheit und Handel. Laut Analysten und EU-Beamten verfügt die Europäische Union aber über mehrere legislative Mittel in ihrem Repertoire, um auf mögliche wirtschaftliche Zwänge der USA zu reagieren.

Wie handelspolitische Zwangsmaßnahmen wirken können

Eines dieser Mittel ist das EU-Instrument gegen Zwangsmaßnahmen (Anti-Coercion Instrument; ACI). Damit wurde ein rechtlicher Rahmen geschaffen, um die Union und ihrer Mitgliedstaaten vor wirtschaftlichem Zwang durch Drittstaaten zu schützen und es der EU zu ermöglichen, auf diese Zwangsmaßnahmen reagieren zu können.

Die Verordnung soll in erster Linie der Abschreckung dienen. Sollte trotz Dialog keine Lösung gefunden werden, so kann die EU – als letztes Mittel - Gegenmaßnahmen ergreifen, um den Drittstaat zur Aufgabe der Zwangsmaßnahmen zu bewegen. Es besteht auch die Möglichkeit, eine etwaige Entschädigung für durch Zwangsmaßnahmen entstandenen Schaden zu fordern. Zu den Gegenmaßnahme der EU zählen Zölle sowie Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen. Demnach könnten Zölle auf US-Waren erhoben werden. Eine weitere Option bestünde darin, die Möglichkeiten von US-Firmen einzuschränken, sich in der EU um öffentliche Aufträge zu bewerben.

Wie Handelsinteressen vor der WTO besser geschützt werden

EU-Beamte können sich auf zudem auf ein weiteres Handelsinstrument berufen: Die EU-Durchsetzungsverordnung, ist inzwischen zehn Jahre alt und wurde erst kürzlich aktualisiert, um die effektive Aushöhlung der Welthandelsorganisation (WTO) durch die USA zu umgehen.

Die EU-Durchsetzungsverordnung (Enforcement Regulation) besteht in ihrer bisherigen Form seit Mai 2014. Diese erlaubt es der Europäischen Union unter bestimmten Bedingungen, in internationalen Handelsabkommen gemachte Zugeständnisse zurückzuziehen oder auszusetzen oder auch neue Restriktionen (beispielsweise Zölle oder Quoten) einzuführen, um die Handelsinteressen der Union zu schützen. Voraussetzung für solche Maßnahmen war ursprünglich unter anderem ein abgeschlossenes WTO-Streitschlichtungsverfahren: Ohne eine finale WTO-Entscheidung durften keine Maßnahmen ergriffen werden

Deutschland importiert US-Waren im Wert von 94,7 Milliarden Euro

Washington hat das Gerichtssystem der WTO allerdings schon lange praktisch nutzlos gemacht, indem es die Ernennung von Richtern für das Berufungsgremium blockiert hat. Dadurch können WTO-Mitglieder Gerichtsurteile umgehen, indem sie „ins Leere appellieren“, ein Ausdruck, der seitdem zum allgemeinen Sprachgebrauch geworden ist. Die aktualisierte Durchsetzungsverordnung ermächtigt die EU-Kommission, auf US-Zölle auf der Grundlage eines positiven Urteils der Welthandelsorganisation zu reagieren, selbst wenn Washington Berufung einlegt.

Wie das Instrument für Zwangsmaßnahmen könnte auch die Verordnung die US-Wirtschaft empfindlich treffen. 2023 wurden Güter im Wert von 157,9 Milliarden Euro aus Deutschland in die USA exportiert, das waren wertmäßig 9,9 Prozent der deutschen Exporte. Gleichzeitig wurden aber auch Waren im Wert von 94,7 Milliarden Euro importiert, der Anteil an den Importen insgesamt betrug 6,9 Prozent. Das war der höchste Wert seit 2004 (7,1 Prozent). Die Vereinigten Staaten waren damit das fünfte Jahr in Folge auf Platz 3 der wichtigsten Importländer.

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