Wolfsburg steigt bei US-Hersteller ein - VW kauft sich ein Elektroauto: Wer wirklich vom Deal mit Rivian profitiert

Bei VW wird niemals gekleckert, sondern immer geklotzt: Gerne wollten die Wolfsburger an Toyota als größten Autokonzern der Welt vorbeiziehen, was nicht gelungen ist. Mit Bugatti bauten sie das schnellste Serienauto der Welt, nach innoffiziellen Messungen hat ihn jetzt ein Ford GT geschlagen. Als Porsche, WKN PAH003">Porsche einst die kecke Idee hatte, VW zu übernehmen, lief es am Ende eher umgekehrt. Im weniger schönen Bereich lieferte der Konzern mit dem Diesel-Skandal den nachhaltigsten Betrug in der Automobilgeschichte ab.

Und jetzt gibt es wieder einen Paukenschlag: VW kauft sich nicht nach Jahren einer mehr oder weniger erfolgreichen Eigenentwicklung eine Software für seine E-Autos dazu, sondern die Wolfsburger beteiligen sich gleich an einem ganzen E-Auto-Konzern. Ihre Wahl ist dabei auf den US-Hersteller Rivian gefallen. Fünf Milliarden Dollar investiert VW in den nächsten Jahren, um Schritt für Schritt seine Anteile an Rivian zu erhöhen.

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Wer hat jetzt etwas von dem Deal, über den Rivian-Chef RJ Scaringe, auf X schreibt: „Das ist aufregend“? Es gibt drei Perspektiven:

Kundensicht: egal

Die VW-Kunden haben ein Jahrzehnt auf konkurrenzfähige E-Modelle aus dem Hause Volkswagen warten müssen. Als Tesla 2012 sein erstes Modell auf den deutschen Markt brachte, hatte VW dem nichts entgegenzusetzen. Die Entwicklung einer eigenen Software strapazierte nicht nur die Nerven der VW-Kunden, sondern auch der Manager, von denen zwei gehen mussten, weil es zu lange dauerte. Mittlerweile fahren die VW-E-Modelle weltweit mit. Die Kooperation mit Rivian könnte hier einen Schub bringen, muss aber nicht, da die Amerikaner bei Preis und Leistung bislang auch nicht zur Weltspitze zählen.

Konzernsicht: Befreiungsschlag – aber nur für den einen

VW hofft darauf seine Software-Entwicklung zu beschleunigen. Der Preis ist für die Wolfsburger kein Hinderungsgrund: Sie haben bereits 2020 beschlossen rund 73 Milliarden Euro in E-Mobilität, Hybridisierung und Digitalisierung zu investieren. Die umgerechnet knapp 4,8 Milliarden Euro für Rivian fallen da vergleichsweise weniger ins Gewicht. Anstrengender dürfte es sein, jetzt nicht doppelte Arbeit zu machen. Der VW-Konzern mit seinen ausgeprägten Arbeitnehmerschutz-Vereinbarungen hat in die eigenen Software-Teams Milliarden investiert und wird seine  Entwickler nicht loswerden wollen und können. Eine optimale Verzahnung mit Rivian hinzubekommen, ist eine anspruchsvolle Managementaufgabe.

Für Rivian ist der Deal dagegen der Befreiungsschlag: Die Amerikaner, die bislang zwei eigenständige Modelle und einen Lieferwagen für Amazon auf die Räder gestellt haben, erhalten dringend nötigen Cash. Rivian lieferte im vergangenen Quartal knapp 13.600 Elektroautos aus und machte dabei 1,2 Milliarden Dollar Umsatz sowie 1,45 Milliarden Dollar Verlust. Mit VW an der Seite ist das weniger schlimm. Wettbewerber wie Tesla werden interessiert zuschauen. Eine unmittelbare Gefahr entsteht da nicht, da die beiden Konzerne Zeit brauchen werden, bis sie gemeinsam Fahrt aufnehmen.

Aktionärssicht – Toller Tag, aber auch nur für die einen

Volkswagen-Aktionäre haben ein langweiliges Leben, die Aktie tendiert stetig nach unten, da macht auch ein aus Konzernsicht kleinerer Zukauf keinen Unterschied. Allen ist klar, dass Wettbewerb und Strukturwandel die deutschen Hersteller voll erwischt hat, nur im Premiumsegment ist etwas zu holen. Ganz anders erleben die Rivian-Aktionäre den Deal: Ihr Unternehmen, das die roten Zahlen von allein nie abschütteln konnte, ist mit einmal in einen sicheren Schoß gefallen. Die Aktie schoss um mehr als ein Drittel nach oben. Wer in den letzten 24 Stunden dabei war, hatte einen tollen Tag. Der Traum von Start up- Investoren – nämlich das irgendwann eine Branchengröße zuschlägt – ist für die Rivian-Anleger in Erfüllung gegangen.