Ampel-Koalition streitet um Asyl-Reform – Union kritisiert „überschaubare Wirkung“

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Mit dem geplanten Rückführungsverbesserungsgesetz sollen jährlich 600 Menschen mehr abgeschoben werden. Der Union reicht das nicht.

Berlin – Rund 54.000 Menschen halten sich nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit in Deutschland auf, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die keine Duldung besitzen. Sie könnten theoretisch sofort abgeschoben werden. Praktisch ist der Prozess oft komplizierter. Ein von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgeschlagenes Rückführungsverbesserungsgesetz soll nun für schnellere Abschiebungen sorgen. Am Donnerstag, 30. November, wurde die erste Debatte im Bundestag geführt. Einigen Grünen- und SPD-Politikern geht der Gesetzentwurf zu weit. CDU und CSU wollen dagegen noch härter gegen irreguläre Migration vorgehen.

Die Folgen steigender Zuwanderungs- und Flüchtlingszahlen bei gleichzeitig niedrigen Abschiebezahlen werden in Deutschland immer heftiger diskutiert. Bis Oktober dieses Jahres wurden nach Angaben des BAMF rund 267.000 Asylanträge gestellt, über 67 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2022. Das BAMF geht allerdings davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher liegen könnten. Im Gesetzentwurf von Faeser heißt es, dass durch die Verschärfungen jährlich rund 600 Personen (5 Prozent) mehr abgeschoben werden könnten. „Da allerdings eine Vielzahl von Maßnahmen für effektivere Abschiebungen vorgesehen sind, ist mit einer wesentlichen Steigerung der Zahlen, auch über das im Entwurf nur als grobe Schätzung genannte Ziel hinaus, zu rechnen“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) gegenüber FOCUS online.

Abschiebegesetz der Ampelkoalition zieht laut Faeser mehr Fachkräfte an

Nancy Faeser
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, nimmt an einer Pressekonferenz teil. © Marton Monus/dpa

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert den Gesetzentwurf. Die Organisation „lehnt bereits die Prämisse ab, dass es aktuell ein Gesetz braucht, das erneut die Vorschriften zu Ausweisungen, Abschiebungen und Abschiebungshaft verschärft“, hieß es in einer Stellungnahme, die Focus online vorliegt.  Auch die Kinderschutzorganisation Terre des Hommes zeigt sich besorgt über den Vorschlag des BMI: „Kindern und Jugendlichen droht durch die geplante Gesetzverschärfung ein Leben in permanenter Angst vor Abschiebungen.“

Faeser hat ihr Abschiebegesetz im Bundestag verteidigt: „Wer kein Recht hat zu bleiben, muss Deutschland wieder verlassen. Diesen Grundsatz müssen wir auch durchsetzen können – anderseits schaden wir unserem Gemeinwesen“, sagte sie bei der ersten Lesung des Gesetzesentwurfes am Donnerstag, 30. November. Bereits davor zeigte sich die Bundesinnenministerin auch zuversichtlich, dass mit der Reform des Einbürgerungsrechts mehr ausländische Fachkräfte nach Deutschland kommen. Die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts sei für die Wettbewerbsfähigkeit „ein entscheidender Schlüssel“, sagte Faeser dem Handelsblatt. „Wir werden die besten Köpfe nur gewinnen, wenn sie in absehbarer Zeit voll und ganz Teil unserer Gesellschaft werden können, mit allen demokratischen Rechten.“

Nur 600 Abschiebungen mehr: Union geht Entwurf der Ampelkoalition nicht weit genug

Die Union hingegen kritisiert Faeser Entwurf. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein sagte dem Handelsblatt: „Die Bundesregierung wäre gut beraten, die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zu verschieben.“ Der Zeitpunkt für das Vorhaben sei falsch. „Die Ampel-Regierung stellt in einer Lage, in der die irreguläre Migration deutlich zu hoch ist, einen gesellschaftlichen Konsens infrage - und setzt ohne Not neue Anreize für Migration.“

Der Union geht das geplante Gesetz außerdem nicht weit genug. Es enthalte einige richtige und vernünftige Maßnahmen, bringe aber keine „migrationspolitische Zeitenwende“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Hendrik Hoppenstedt (CDU), im Bundestag. Das Gesetz komme viel zu spät und werde der „akuten Migrationskrise“ nicht gerecht. Hoppenstedt kritisierte zudem dessen „überschaubare Wirkung“ von nur 600 zusätzlichen Abschiebungen pro Jahr.

Geplantes Asylgesetz der Ampelkoalition greift laut Grüne in Grundrechte ein

Noch mehr Kritik kam von der AfD: „Das Gesetz bringt nur winzige Mikroveränderungen“, sagte AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann. Die 600 zusätzlichen Abschiebungen pro Jahr nannte er eine „nicht mal homöopathische“ Dosis. Den wirklichen Willen zum Abschieben habe nur die AfD.

Was ist mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz geplant?

Das Gesetz zur Verbesserung von Rückführungen soll Behörden und Polizei mehr Befugnisse gewähren. Kann eine Person beispielsweise keinen Pass oder andere Ausweispapiere vorlegen, sollen die Behörden künftig Handys oder Datenträger durchsuchen dürfen, um die Identität der Person festzustellen.

In Zukunft können die Behörden auch gezielter nach ausreisepflichtigen Personen suchen, zum Beispiel in Flüchtlingsunterkünften. Statt nur die Wohnung des Betroffenen zu durchsuchen, sollen nun auch andere Räume betreten werden dürfen. Damit soll verhindert werden, dass sich Ausreisepflichtige in Gemeinschaftsunterkünften verstecken.

Auch die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von zehn auf 28 Tage verlängert werden. Damit soll den Behörden mehr Zeit gegeben werden, die Abschiebung vorzubereiten. Abgelehnte Asylbewerber werden kurz vor der Abschiebung in Ausreisegewahrsam genommen, um eine Flucht zu verhindern. Neben dem Ausreisegewahrsam gibt es ebenfalls die Abschiebehaft, die für mehrere Monate möglich ist. Auch sie soll durch das Rückführungsverbesserungsgesetz schneller verhängt werden können.

Eine Abschiebung wird bei Ausreisepflichtigen in Haft ebenfalls nicht mehr angekündigt. Ebenso soll die einmonatige Ankündigungspflicht für Abschiebungen, denen eine mindestens einjährige Duldung vorausging, gestrichen werden. Ausnahmen sollen für Familien mit Kindern unter 12 Jahren gelten.

Einwände kamen auch aus den eigenen Reihen der Ampel-Koalition: Das Innenministerium gehe mit diesem über Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz hinaus, betonte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Filiz Polat. Der Entwurf sehe Eingriffe in elementare Grundrechte wie das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung vor, welche nicht nur Straftäter, sondern auch schutzsuchende und geduldete Menschen träfen. Polat kündigte in den anstehenden parlamentarischen Beratungen eine genaue Prüfung an, ob diese Grundrechtseingriffe gerechtfertigt seien. (Lisa Mariella Löw)

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