Industriepolitische Weichenstellung - Mit „grünem Zwilling“ schützt die EU ihre Wirtschaft vor USA und China
Die USA haben daher große Sorgen, im Wettbewerb um die wachsenden globalen Märkte der klimafreundlichen Technologien von China abgehängt zu werden. Der IRA hat innerhalb eines Jahres über 170.000 Jobs geschaffen, viele davon im sogenannten ‚Rust Belt‘, der ältesten und größten Industrieregion im Nordosten der USA. Es war ein kluger Schachzug der Biden Administration, in diesen Bundesstaaten in Modernisierung und neue Arbeitsplätze zu investieren. Eine zeitgemäße Industriepolitik stärkt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft, sondern schafft auch neuen Wohlstand in wirtschaftlich schwachen Regionen. Dieses Potenzial gibt es auch in Europa, doch es ist noch nicht voll ausgeschöpft.
Mit „grünem Zwilling“ schützt die EU ihre Wirtschaft vor USA und China
Europa kann von den USA lernen, wenn es darum geht, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die EU hat sich hier bereits auf den Weg gemacht: Der Europäische Green Deal und zuletzt der Net Zero Industry Act sind zwei große Reformprogramme, die wichtige Grundlagen im globalen Wettlauf um die Marktführerschaft in klimafreundlichen Technologien geschaffen haben.
Auf diesen Programmen kann eine kluge EU-Industriepolitik aufbauen. Der belgische Premierminister De Croo hat zuletzt einen „European Industrial Deal“ als Zwilling zum Green Deal gefordert. Damit legt er den Finger in die offene Wunde. Denn es gibt eine doppelte Notwendigkeit: Einerseits muss die heutige Industrie dabei unterstützt werden, bis Mitte des Jahrhunderts auf dem Weg zu einer emissionsarmen Kreislaufwirtschaft umzustellen.
Andererseits brauchen wir auch neue Produktionsstätten für grüne Technologien in der EU und in Deutschland und stärkere Anreize für Unternehmen, hier zu produzieren. Hier sind Ideen und Vorschläge gefragt, wie die Ansiedlung neuer Branchen klüger geplant werden kann. Es gibt großes Potential in den Regionen, die viele Transformationen in der Energie- oder Automobilbranche sowie in der Industrie gleichzeitig meistern. Dort können neue Produktionsstätten angesiedelt werden, um Arbeitsplätze und Wohlstand zu erhalten.
Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um über die Zukunft der EU-Industriepolitik zu sprechen. Im Juni bestimmen die 27 Staats- und Regierungschefs der EU eine „strategische Agenda“ und legen damit fest, welche politischen Themen in den nächsten fünf Jahren die höchste Priorität haben. Die Zukunft des Wirtschaftsstandort Europa muss ganz oben auf der Agenda stehen. Dazu fehlt aber noch eine sozioökonomische Analyse, um den Unternehmen und Arbeitskräften Planungssicherheit zu geben und den Investitionsbedarf einzuschätzen.
Weichen für den Wirtschaftsstandort Europa jetzt stellen
Diese Analyse wird die Europäische Kommission am 6. Februar liefern. Dann stellt sie vor, wie die EU ihre Treibhausgase bis 2040 senken soll. Bis dahin sollten die Emissionen um 90 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduziert werden. Es wird auch für Deutschland von Vorteil sein, wenn sich die Energiewende auch in anderen EU-Ländern beschleunigt, der Bedarf an klimafreundlichen Technologien steigt und durch Skaleneffekte ihre Preise fallen.
Mit Investitionen in Erneuerbare Energien schafft die EU es schon jetzt, weniger fossile Brennstoffe zu importieren. Das schont den öffentlichen Haushalt und stärkt die Versorgungssicherheit. 2022 haben die EU-Länder laut der Internationalen Energieagentur 400 Milliarden Euro allein für Gasimporte ausgegeben. Zwischen September 2021 und Sommer 2023 haben Regierungen rund 540 Milliarden Euro verwendet, um die Energiepreise für Haushalte niedrig zu halten. Diese Summen können besser in die europäische Energiewende investiert werden, denn durch mehr Erneuerbare Energien und Einsparungen fallen die Preise für Unternehmen und Verbraucher deutlich.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen kann durch gezielte Investitionen und neue Märkte für grüne Technologien sowie Produkte verstärkt werden. So reduziert sich die Importabhängigkeit von chinesischen Technologien und mehr Arbeitsplätze entstehen in Europa. Damit kann die EU dann mit dem US-amerikanischen Inflation Reduction Act gleichziehen.
Die nächsten Monate bieten die Chance, die Weichen für den Wirtschaftsstandort Europa zu stellen. Dafür sind richtungsweisende Beschlüsse auf höchster politischer Ebene nötig. Die Bundesregierung kann sich dafür einsetzen, dass eine kluge EU-Industriepolitik nach der Europawahl zu einer europäischen Priorität für die nächsten Jahre wird. Das wird besonders mit der Ungewissheit über den Ausgang der Wahl in den USA wichtig. Denn ein starker Wirtschaftsstandort Europa liegt allen 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Herzen und hilft dem Klimaschutz zugleich.