Söder-Döner beim Parteitag, Foodblog auf Instagram - Söder-Kult sorgt für „Fremdscham“ in CSU - doch die Strategie ist doppelt clever

Wer auf dem CSU-Parteitag , der am vergangenen Freitag und Samstag in Augsburg stattfand, zum Plenum wollte, musste einen Vorraum passieren. Einen Vorraum, in dem zahlreiche Stände aufgebaut waren.

Unter anderem ein Schalter der Frauenunion, ein Bierbank-Ensemble mit Bar in der Mitte und rechts an der Seite ein Döner-Stand. Zu kaufen gab es: Söder-Döner, drei Euro das Stück. Das Motto-Essen machte schnell auf Instagram die Runde.

Und mehr noch. Martin Huber, CSU-Generalsekretär und einer, der beim Parteitag häufig auf der Bühne stand, verwies am Freitag auf ein Kochbuch, das es im CSU-Shop zu kaufen gibt. Es enthält eine Sammlung von Gerichten, na klar: aus Markus Söders Food-Blog, er heißt: #Söderisst.

Die Söder-Döner, das Kochbuch, sein Instagram-Auftritt: Das alles ist Teil eines Personenkults um den bayerischen Ministerpräsidenten, der in Deutschland wahrscheinlich einmalig ist.

In der CSU rollen einige die Augen

Natürlich hängt die Identität einer Partei mit den Persönlichkeiten, die sie nach außen repräsentieren, zusammen. Wer über die Grünen spricht, hat schnell Robert Habeck, Annalena Baerbock oder Cem Özdemir vor Augen. Wer über die SPD diskutiert, dem kommen wahrscheinlich Olaf Scholz oder Hubertus Heil in den Sinn.

Aber kaum eine selbst-produzierte Personenmarke ist so markant und omnipräsent wie die des Gesichts der CSU: Markus Söder. Das wurde nicht nur am Dönerstand beim Parteitag in Augsburg klar.

Es ist kein Geheimnis, dass sich der Ministerpräsident gerne zeigt, immer öfter auch ohne konkreten politischen Bezug. Auf Instagram kann man ihm beim Essen zuschauen, beim Feiern auf der Wiesn oder er präsentiert stolz seine Hündin Molly.

Als der bayerische Ministerpräsident bei „Inas Nacht“ zu Gast war, griff er sogar zum Mikrofon und schmetterte mit der Gastgeberin den Freddy-Quinn-Klassiker „Sie hieß Mary-Ann“.

Bei seinen Followern – auf Instagram sind es ganze 624.000 und damit mehr, als Habeck oder Lindner zusammenkriegen – kommen Söders Inhalte offenbar gut an. Ob es ein Foto von den Bratwürsten ist, die er zum Mittag gegessen hat oder ein Selfie mit Spiderman-Tasse, die Beiträge zählen Tausende Likes. Söder, so ein bisschen privat, so vermeintlich unpolitisch, funktioniert anscheinend.

Der Söder-Personenkult ist aus zwei Gründen geschickt

Es gibt allerdings Experten, die überzeugt sind, dass hinter der Aufmachung des Ministerpräsidenten mehr steckt, als zunächst zu erkennen ist.

„Herr Söder inszeniert sich strategisch gesehen geschickt“, sagt Christian von Sikorski im Gespräch mit FOCUS online. Er ist Professor für politische Psychologie an der Universität Kaiserslautern-Landau und forscht zu politischer Kommunikation und Medienwirkungen.

„Der Fokus auf Essen, den er in den sozialen Medien bei seinen Beiträgen wählt, wirkt auf den ersten Blick banal“, meint er. Doch das ist er nicht, aus mehreren Gründen.

„Erstes erreicht Söder mit seinen Beiträgen auf sozialen Medien junge Menschen, eine wichtige Wählergruppe, die für die CSU medial typischerweise schwer zu erreichen ist. Zweites ist der Fokus auf vermeintlich unpolitische und unterhaltsame Botschaften geschickt gewählt.“

Denn der Zuschauer kann schmunzeln, gleichzeitig lassen sich auf unverfängliche Art politische Botschaften transportieren. Von Sikorski analysiert: Wenn der CSU-Chef ein Foto seines Mittagessens verbreitet, auf dem eine Haxe mit Pommes zu sehen ist, dann könne man das auch so verstehen, „dass Herr Söder selbstverständlich Fleisch ist, die Traditionen aufrechterhält, und sich damit symbolisch zugleich gegen eine vermeintliche 'grüne Ideologie' stellt“.

Wenn der „Söder-Döner“ für drei Euro, den es beim Parteitag zu kaufen gab, durch die sozialen Netzwerke geistert, dann greift der CSU-Chef damit subtil die Debatte um die inflationsbedingt gestiegenen Dönerpreise auf. Ein Thema, das insbesondere junge Menschen beschäftigt, so der politische Psychologe.

Viele CSUler weichen auf Fragen zu Söder aus

Nur: Wie gut steht die mit Essen gespickte Ego-Show einem, der in der Bundespolitik mitmischen will? Einem, der vorerst zwar nicht Kanzler wird, aber womöglich Bundesminister?

Innerhalb der Partei schmunzeln einige über den Personenkult um den bayerischen Ministerpräsidenten. Andere sind skeptischer, rollen mit den Augen – so erzählt es ein CSU-Mann aus Oberbayern, der nicht namentlich genannt werden will. „Seine Auftritte sorgen bei vielen in der CSU für Fremdscham“, sagt der Politiker zu FOCUS online.

Die wenigsten CSUler sprechen gerne offen über den bayerischen Ministerpräsidenten. Viele weichen Fragen aus oder reagieren gar nicht, wenn man sie darauf anspricht, was sie an Söder schätzen und wo sie ihn kritisieren würden. Und wie sie überhaupt den ganzen Kult um ihren Parteichef finden.

„Das hat auch damit zu tun, dass Söder die Partei mit Härte führt. Da haben viele Angst, sich klar zu positionieren, und halten lieber den Mund“, meint der CSU-Mann aus Oberbayern. Aktuell, sagt er, gibt es keine gute Alternative zum CSU-Chef. „Also akzeptieren ihn die meisten einfach.“ Auch wenn es natürlich auch Personen in der Partei gibt, die voll hinter ihrem Vorsitzenden stehen.

CSU einzige Partei in Bayern, die sich Volkspartei nennen kann

Von Sikorski sagt: „Vermutlich macht man sich nicht sonderlich beliebt, wenn man Positionen von Herrn Söder öffentlich in Frage stellt, wie es aktuell mit dem Thema 'Koalitionsverbot' mit den Grünen geschieht.“ Er weist allerdings auch auf die Ergebnisse der CSU bei den vergangenen Wahlen hin.

Bei der Landtagswahl 2023 kam die Schwesterpartei der CDU auf 37 Prozent der Stimmen. Sie hat sukzessive an Wählergunst eingebüßt – 2013 lag sie noch bei 47,7 Prozent.

„Gemessen an CSU-Ansprüchen sind die Wahlergebnisse, die Söder zuletzt eingefahren hat, alles andere als berauschend“, meint von Sikorski. Wenn sich der Trend fortsetzt, werden kritische Stimmen innerhalb der Partei womöglich wahrnehmbarer, so der politische Psychologe.

Zur Wahrheit gehört am Ende aber auch, dass die CSU die einzige Partei in Bayern ist, die angesichts der immer noch hohen Zustimmungswerte von sich behaupten kann, eine Volkspartei zu sein. Trotz oder wegen Söder, je nach Perspektive.