„Beim vierten Mal geht er arbeiten“: CDU und CSU heizen Debatte über Bürgergeld-Sanktionen an

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Die Diskussion um eine Bürgergeld-Sperre für Empfänger geht weiter. Die CSU will weitreichende Konsequenzen. Aus der CDU kommt ein anderer Vorschlag.

Berlin – Die Diskussionen ums Bürgergeld gehen im Bundestag in die nächste Runde. Während das Statistik-Amt mitten in der Bürgergeld-Debatte Klartext über die Arbeitslosigkeit in Deutschland spricht, gehen der CSU die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nicht weit genug.

Stattdessen heißt es in einer Beschlussvorlage der Partei, die unter anderem t-online.de und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vor der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe vom 6. bis 8. Januar im Kloster Seeon vorliegt, dass „es so lange Leistungsstreichungen geben“ müsse, „wie ein Bürgergeldempfänger sich weigert, zumutbare Arbeit anzunehmen“.

Mögliche Bürgergeld-Sanktionen gehen der CSU nicht weit genug: „Maximaldauer lehnen wir ab“

In der vergangenen Woche hatte Heil einen Entwurf vorgelegt, der es möglich mache, Bürgergeld-Empfängern die Regelleistung für zwei Monate zu streichen, falls sie zumutbare Arbeit beharrlich ablehnen. Kritik an dem Entwurf für Bürgergeld-Sanktionen kam aus beiden Lagern. Zum einen bezeichneten die Grünen und SPD einen Bürgergeld-Stopp bei Jobabsage als „menschenunwürdig“, während Hubert Aiwanger (Freie Wähler) den Bürgergeld-Vorstoß für Arbeitsverweigerer als „nächste Nebelkerze der Ampel“ abkanzelte.

Der Koalitionspartner der Freien Wähler in Bayern stört sich indes an einem anderen Punkt. Den Abgeordneten um CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gehen die Konsequenzen für Empfänger bei Heils Bürgergeld-Vorstoß nicht weit genug. In der Beschlussvorlage heißt es: „Eine Maximaldauer für Leistungsstreichungen lehnen wir ab.“ Vielmehr will die CSU unbefristete Bürgergeld-Sanktionen für Empfänger, wenn diese zumutbare Arbeit konsequent ablehnen.

Debatte über Bürgergeld-Sanktionen: Berlin bringt stufenweise Empfänger-Kürzungen ins Spiel

Auch Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner schaltete sich mit einem weiteren Vorstoß in die Debatte ein. Dem CDU-Politiker schwebt vor, dass Beziehern von Bürgergeld schrittweise immer mehr Geld gestrichen werden soll, wenn sie mehrfach zumutbare Jobs ablehnen.

Kai Wegner schaltet sich in Debatte um Bürgergeld-Sanktionen mit einem neuen Vorstoß ein, während die CSU mit Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Vorstoß von Arbeitsminister Heil nicht weit genug geht. © dpa | Jens Kalaene / dpa | Melissa Erichsen

Wer sich verweigere, müsse sanktioniert werden, sagte Wegner am Dienstag (2. Januar) bei RTL/ntv. Beim ersten Mal müssten 25 Prozent, beim zweiten Mal 50 Prozent des Bürgergeldsatzes gekürzt werden. „Ich sage Ihnen, beim vierten geht er arbeiten.“

Kürzungen für Empfänger: CSU will unbefristete Bürgergeld-Sanktionen – Rechtslage schwierig

Eine unbegrenzte Kürzung des Bürgergeldes gestaltet sich derweil aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch. Dies geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 zurück, in dem eine starre Sanktionsdauer von drei Monaten als unverhältnismäßig abgeurteilt wurde. Das Gericht hatte zwar anerkannt, dass ein Entzug der Regelleistungen des Bürgergeldes gerechtfertigt sein könne, aber Sanktionen für Empfänger an strenge Bedingungen gekoppelt.

„Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht eine Kürzung der Grundsicherung von bis zu 30 Prozent nur unter engen Voraussetzungen für zulässig erklärt“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der FAZ. Die sozialstaatlich geschützte absolute Untergrenze müsse immer gesichert sein. Statt auf existenzbedrohende Sanktionen sollte die Bundesregierung auf positive Anreize setzen, forderte Piel weiter. Auch dürften Sanktionen keinesfalls den Druck zur Aufnahme von prekärer Beschäftigung weiter erhöhen.

Bürgergeld-Sperre für Empfänger bei Arbeitsverweigerung: „Wer morgens aufsteht, muss mehr haben“

Dennoch lässt Wegner keinen Zweifel daran, dass er Handlungsbedarf bei Bürgergeld-Empfängern sieht, die zumutbare Arbeit dauerhaft ablehnen. Daher begrüßt er Heils Vorstoß von möglichen Sanktionen, vor allem im Hinblick auf die Bürgergeld-Erhöhung ab Januar 2024. Die Ampel-Koalition habe offensichtlich endlich begriffen, dass man falsche Anreize setze. Man habe in Deutschland einen enormen Arbeitskräftemangel. Deshalb müsse klar sein: „Wer morgens aufsteht, arbeiten geht, Leistung erbringt, der muss mehr haben als der, der nicht arbeiten will“, so Berlins Bürgermeister weiter.

Eine ähnliche Formulierung findet sich auch im CSU-Beschlusspapier. „Wer arbeitet, muss deutlich mehr haben als jemand, der nicht arbeitet“, heißt es dort, um nach Ansicht von Alexander Dobrindt eine Entwicklung dringend umzukehren. „Mit der Ampel ist Deutschland vom Wohlstandtreiber zur Wachstumsbremse in Europa geworden“, sagte der CSU-Landesgruppenchef der Bild. Ob es mit diesem Vorstoß auch wirklich dazu kommt, bleibt abzuwarten. Zumindest könnten mögliche Bürgergeld-Sanktionen dazu führen, dass die Bürgergeld-Erhöhung ab 2024 für jeden Angestellten nicht mehr als Schlag ins Gesicht verstanden werden.

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