An der Wall Street hat sich die Euphorie gelegt. Nach vier Wochen mit steigenden Kursen rutschten die US-Börsen in dieser Woche leicht ins Minus. Der Freitag brachte ein gemischtes Bild – und viele offene Fragen für die kommenden Wochen.
Der breite S&P 500 startete schwach und lag zeitweise 1,3 Prozent im Minus. Am Ende rettete er sich mit einem Mini-Plus von 0,1 Prozent auf 6.728 Punkte. Der Dow Jones drehte im späten Handel ebenfalls leicht ins Positive und gewann 74 Punkte. Nur der technologielastige Nasdaq blieb zurück: minus 0,2 Prozent auf 23.004 Punkte.
Tech-Aktien bremsen die Stimmung
Wieder einmal bestimmten die großen Technologiekonzerne das Geschehen. Alphabet, die Muttergesellschaft von Google, verlor 2,1 Prozent. Broadcom gab 1,7 Prozent nach. Mit ihren riesigen Marktkapitalisierungen haben sie ein Gewicht, das den gesamten Markt bewegt – im Guten wie im Schlechten.
"Die Rally der letzten Wochen war stark tech-getrieben", sagt Marktanalyst David Lefevre von Morgan Stanley. "Jetzt sehen wir, wie empfindlich der Markt reagiert, wenn die großen Player auch nur leicht schwächeln."
Das bekam am Freitag auch der Zahlungsdienstleister Block zu spüren. Das Unternehmen, das hinter Square und Cash App steht, verfehlte die Erwartungen und verlor 7,7 Prozent. Besser lief es für Peloton: Der Fitnessgerätehersteller überraschte mit einem stabilen Quartal und legte 14 Prozent zu. Auch Expedia sorgte für Begeisterung. Nach einem starken Gewinnsprung schnellte die Aktie um 17,5 Prozent nach oben.
Zahlen zeigen Stärke – aber auch Bruchstellen
Mehr als 90 Prozent der Unternehmen im S&P 500 haben ihre Quartalsergebnisse veröffentlicht. Laut Datenanbieter FactSet übertrafen die meisten die Erwartungen. Besonders die großen Tech-Firmen konnten erneut glänzen. Trotzdem bleibt ein Fragezeichen: Ist das aktuelle Bewertungsniveau noch gerechtfertigt?
Viele Analysten warnen, dass die starken Ergebnisse längst eingepreist sind. Neue Impulse fehlen. Hinzu kommt, dass der längste Regierungsstillstand in der US-Geschichte wichtige Wirtschaftsdaten blockiert. Die Behörden liefern weder Arbeitsmarkt- noch Inflationsdaten – zentrale Informationen für die Börse.
Wirtschaftsdaten fehlen – Anleger tappen im Dunkeln
Normalerweise verlässt sich die Wall Street auf eine Fülle monatlicher Daten, um die wirtschaftliche Lage zu bewerten. Doch wegen des Shutdowns bleiben Berichte aus. Die Arbeitsmarktzahlen für September und Oktober fehlen komplett. Auch Daten zu Verbraucherpreisen und Industrieproduktion liegen nicht vor.
Das verunsichert Investoren und erschwert der US-Notenbank Fed ihre Arbeit. "Wir fliegen momentan blind", sagt Volkswirtin Laura Thomas von der Columbia University. "Ohne Daten weiß niemand, wie stark sich der Arbeitsmarkt tatsächlich abschwächt oder ob die Inflation weiter steigt."
Immerhin kam am Freitag ein Hinweis von der Universität Michigan: Das Verbrauchervertrauen fiel überraschend deutlich und erreichte ein Drei-Jahres-Tief. Die Verbraucher reagieren zunehmend nervös auf den Stillstand der Regierung.
"Die Menschen fragen sich, wie lange das noch so weitergeht", sagt Raymond-James-Chefökonom Eugenio Aleman. "Sie beginnen zu befürchten, dass der Shutdown bald spürbare Folgen für Jobs und Einkommen haben könnte."
Fed im Zwickmühlenmodus
Für die US-Notenbank ist die Lage kompliziert. Sie hat in diesem Jahr bereits zweimal den Leitzins gesenkt, um die Konjunktur zu stützen. Doch die Inflation bleibt hartnäckig hoch – und liegt weiter über dem Zielwert von zwei Prozent.
Weitere Zinssenkungen könnten den Arbeitsmarkt stabilisieren, aber zugleich die Inflation anheizen. Genau deshalb sendet die Fed vorsichtigere Signale. Dennoch wetten viele Investoren darauf, dass es im Dezember eine weitere Zinssenkung gibt. Laut CME FedWatch liegt die Wahrscheinlichkeit bei 67 Prozent.
"Die Fed steht mit dem Rücken zur Wand", sagt Analystin Erin Bennett von der Deutschen Bank. "Die Inflation ist zu hoch, um aggressiv zu lockern, aber die Wirtschaft ist zu schwach, um es bleiben zu lassen."
Anleihemärkte stabil – Weltbörsen unter Druck
Während die Aktienkurse schwankten, blieben die Renditen am Anleihemarkt stabil. Die zehnjährige US-Staatsanleihe notierte bei 4,09 Prozent, die zweijährige bei 3,56 Prozent. Damit sendet der Rentenmarkt ein Signal der Vorsicht, aber noch keine Panik.
In Europa und Asien sah es dagegen trüber aus. Die großen Indizes schlossen allesamt im Minus. In China belasteten schwache Exportzahlen: Im Oktober gingen die Ausfuhren um 1,1 Prozent zurück, die Exporte in die USA sogar um 25 Prozent.
Ökonomen erwarten jedoch, dass sich der Handel allmählich erholt. Grund dafür ist die überraschende Annäherung zwischen den USA und China. US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping hatten sich in der vergangenen Woche darauf geeinigt, die Handelskonflikte schrittweise zu entschärfen.
"Wenn dieser Waffenstillstand hält, könnte das den globalen Handel entlasten", sagt Analyst Michael Sung aus Hongkong. "Aber bisher sind es nur Worte – keine Taten."
Fazit: Eine Woche voller Warnsignale
Nach vier Wochen mit Gewinnen folgt an der Wall Street Ernüchterung. Die Tech-Giganten verlieren an Zugkraft, die Wirtschaftsdaten fehlen, die Inflation bleibt hoch. Die Fed muss entscheiden, ob sie weiter auf Zinssenkungen setzt oder bremst.
Anleger sollten sich auf mehr Schwankungen einstellen. Die Stimmung ist empfindlich, und ohne klare Daten fehlt dem Markt die Orientierung. Viel hängt nun von den nächsten Wochen ab – und davon, ob der politische Stillstand in Washington bald endet.