Nicht nur Angler besorgt: Immer weniger Fische im Gardasee – Eingeschleppter Fisch und Klima unter Verdacht

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Trügerisches Idyll: Die Fänge der Gardaseefischer werden immer geringer. ©  via www.imago-images.de

Sorge um die Unterwasserwelt des Gardasees: Der Klimawandel bremst die Fortpflanzung der Fische aus, ein eingeschlepptes Tier bedroht die Population obendrein.

Manerba – In den Zeitungen und Nachrichtenportalen rund um den Gardasee gibt es in diesen Tagen fast nur ein Thema: In den Netzen und an den Haken der Fischer des größten Binnengewässers Italiens findet sich kaum noch etwas. Die Gründe sind vielschichtig, doch vor allem der Klimawandel und ein eingeschlepptes Tier dezimieren den Bestand. Und das hat Folgen für die Teller der Touristen, die gerne am Ufer des Sees die Fischlokale besuchen.

„In dieser Saison wird am Gardasee nichts gefangen“, schlägt Simone Bocchio bei bresciaoggi.it Alarm, als er wieder einmal mit leeren Netzen in den Hafen von Manerba zurückkehrt. Bocchio ist 47 Jahre alt und Berufsfischer in der vierten Generation, aber wer weiß, ob es noch eine fünfte geben könnte. Ukeleien sind seit Jahren verschwunden, klagt er.

Sorge um den Gardasee: Die Netze der Fischer bleiben immer öfter leer

Karpfen und Aal dürfe man seit Jahren nicht mehr fischen, das Einsetzen von Felchen wurde ausgesetzt, da man keine fremde Population im See will. Aber auch Barsche und Sardinen scheinen verschwunden zu sein, mit einem Rückgang der Fänge um 90 Prozent. „Für uns gibt es keine Zukunft“ so Bocchio. „Bei diesem Tempo gibt es keine Zukunft und es ist nicht ausgeschlossen, dass auch ich mich, wie viele meiner Kollegen, am Ende des Jahres für einen Jobwechsel entscheiden werde. Es lohnt sich nicht mehr, so weiterzumachen“, warnt der Berufsfischer.

Fischerboote wie hier in Lazise sind am Gardasee ein vertrautes Bild, die Frage ist, wie lange noch?
Fischerboote wie hier in Lazise sind am Gardasee ein vertrautes Bild, die Frage ist, wie lange noch? © Markus Hermenau via www.imago-images.de

Das Verbot der Felchenfischerei, die praktisch zwei Drittel des Fangs ausmachte, war wohl der entscheidende Schlag für die 35 Fischer am lombardischen Westufer und die 60 Kollegen auf der Ostseite in der Provinz Verona-Seite. „Es gibt jetzt wenig oder gar nichts mehr zu fischen“, sagt Bocchio, „In den ersten sechs Monaten dieses Jahres ist der Fang meinen persönlichen Daten zufolge um 90 Prozent zurückgegangen.“ Etwa zehn Kollegen hätten den Beruf des Fischers bereits aufgegeben und einen anderen Job gefunden, in Hotels und Restaurants.

Ein fremder Riesen-Fisch geht im Gardasee auf Raubzug

Sogar die noch fischbaren Arten scheinen aus dem See fast verschwunden zu sein. „Letztes Jahr wurden in Sirmione oder rund um die Kanincheninsel Sardinen in großer Zahl gefangen. Dieses Jahr werden wir jedoch, wenn alles gut läuft, etwa zwanzig auf einmal fangen“ berichtet der Fischer weiter. Das seien 70 Prozent weniger als im Jahr 2023. Der letzte Weißfisch sei im April gefangen worden. Bocchio: „Jetzt kommt es vor, dass sich einige Restaurants, die unsere Stammkunden sind, beschweren, dass es keine Felchen mehr gibt.“

Aale dürfen seit 2011 nicht mehr geangen werden, da sie mit PCB belastet sind. Der Karpfen ist geschützt, da es nur noch wenige Exemplare gibt und er nicht eingesetzt werden kann: Denn diese Fischart legt ihre Eier in einer Tiefe von hundert Metern ab. Der Fischer Nicolas Valori äußert gegenüber arena.it einen Verdacht, wieso die Fischbestände so stark zurückgehen: Eingeschleppte Welse – Raubfische – auf die Taucher bereits Jagd machen.

„Es gibt Exemplare, die einen Doppelzentner wiegen. Denken Sie darüber nach, wie viel sie fressen können“, so Stefano Ragnolini, ehemaliger Präsident der Kooperative der Fischerbrüder, die im November 2022 geschlossen wurde.

Experte macht Klimaveränderung für schlechte Vermehrung verantworltich

Ivano Confortini, Fischkundler, Biologe und Regionalbeamter, beobachtet einen möglichen einen weiteren Grund, der für den Rückgang der Fischbestände. Im Interview mit larena.it: „In den letzten Jahren hat der See Klima- und Umweltveränderungen erfahren, die die Fortpflanzungsperioden vorverlegt haben.“ Die Jahreszeiten rutschten nach hinten. „Wir haben letzten November ein Bad genommen“, so Confortini.

„Eine verspätete Fortpflanzung führe zu einem verminderten oder ausbleibenden Eisprung und damit zu einer Verringerung der Fortpflanzungsfähigkeit der Art.“ Dies betreffe sicherlich die Felchen. In den 1980er Jahren hätten diese zu Weihnachten gelaicht. Damit sei Eiablage und die Befruchtung durch die männlichen Tiere, die ihren Samen darauf ablegen, nicht mehr synchron.

Und es gibt laut Confortini noch ein Problem: „Forellen können nicht flussaufwärts bewegen, da es zu viele Hindernisse gibt.“ Am Mincio, über den das Wasser des Gardasees abfließt, wurden viele Wehre errichtet. Im vorigen Jahr hatte der Gardasee mangels Niederschlägen und gleichzeitiger Hitzeperioden unter extremen Wassermangel gelitten. Dieses Jahr erreichte der Pegel nach heftigen Regenfällen Hochwasserrekorde. Nach den heftigen Unwettern im Juni und Anfang Juli gab es eine Norovirus-Welle am Ostufer. Ein Bürgermeister sah sich veranlasst, demonstrativ ein Glas Wasser aus dem Gardasee zu trinken, um die gute Wasserqualität zu beweisen..

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