Bürgerinitiative im Kreis Ludwigsburg - Nach Abstimmung gegen Aufnahmestelle wettern Flüchtlingshelfer: "Eine Farce"
Fast 4000 Menschen haben am 15. September an einer Abstimmung der Bürgerinitiative gegen die Bebauung des Schanzackers teilgenommen und fast einhellig gegen eine Landeserstaufnahmestelle (Lea) dort votiert. Auch wenn die Abstimmung, die Tamm und Asperg stattfand, nicht auf die beiden Städte beschränkt war, ist davon auszugehen, dass der Großteil der Teilnehmer aus den Kommunen kommt, die in unmittelbarere Nähe zum Schanzacker, der auf Ludwigsburger Gemarkung liegt, leben.
Seit Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv
Nicht teilgenommen haben Flüchtlingshelfer aus Tamm und Asperg. Wie bewerten Menschen, die sich vor Ort seit Jahren um Geflüchtete kümmern, die Abstimmung und das Stimmungsbild, das durch das Ergebnis zum Ausdruck kommt? „Die Abstimmung war eine Farce“, sagt Lizzy-Belinde Jöckel. Sie gehört zu den Gründerinnen von „TafF“ („Tamm aktiv für Flüchtlinge“).
Schon vor dieser Gründung 2015 hat sich Jöckel aktiv in der Flüchtlingshilfe eingebracht, ebenso wie ihre Mitstreiterin Elke Ulbricht, die sich noch gut an die Zeit der Flüchtlinge beim Jugoslawien-Krieg erinnert. Eine Farce sei die Abstimmung der Bürgerinitiative gewesen, weil sie eben nicht den Anforderungen einer Wahl oder offiziellen Abstimmung genügt habe. „Das war eine Volksfeststimmung in der Kelter“, sagt Jöckel und kritisiert, dass es Musik und Verpflegung im „Wahllokal“ in der Kelter Tamm gegeben hat. Auch aus Sicht von Gerlinde Bäßler, die in Asperg im Arbeitskreis Asyl aktiv ist, hat die Abstimmung wenig inhaltlichen Wert: „Da hätten ich mich auch vor meine Haustür setzen und die Leute fragen können, ob sie gegen Steuern sind.“
Hunderte Geflüchtete in Tamm und Asperg
In Asperg kümmern sich aktuell 50 Aktive um 380 Flüchtlinge in der Stadt, in Tamm 30 Flüchtlingshelfer um etwa 250 Flüchtlinge. Da haben die Ehrenamtlichen viel zu tun, deshalb äußerten sie sich auch nur selten öffentlich zu dem Thema, meint Bäßler. Aber viel zu sagen haben sie schon. Sorge bereitet ihnen, dass viele Themen aus der Abstimmung keine Basis in ihrer täglichen Realität im Umgang mit Geflüchteten hätten.
„Dieses Thema der Angst vor Kriminalität, insbesondere Gewalt an Frauen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“, sagt Ulbricht. Sie hat nur gute Erfahrungen mit geflüchteten Männern gemacht und spricht von einem respektvollen Miteinander, das mancher, der aus Deutschland stamme so nicht an den Tag lege. „Das Thema Gewalt an Frauen ist leider sehr groß, aber bezogen auf die Gesamtgesellschaft“, sagt Jöckel.
Prüfung läuft
Ob der Schanzacker ein geeigneter Standort ist, werde derzeit vom Landesbetrieb Vermögen und Bau, Amt Ludwigsburg geprüft. Das Ergebnis dieser Prüfung sei offen. Die von den Bürgern geäußerten Sorgen nehme das Ministerium sehr ernst und lasse sie in die Prüfungen einfließen, sagt Ministerin Marion Gentges. „Sollte die Prüfungen für die Errichtung einer Lea oder Ea sprechen, wird eine umfassende Bürgerbeteiligung vor Ort durchgeführt werden, die die nähere Ausgestaltung zum Gegenstand hätte.“
Von Frank Ruppert
Das Original zu diesem Beitrag "Flüchtlingshelfer kritisieren Bürgerinitiative: „Abstimmung war eine Farce“" stammt von Stuttgarter Zeitung.