Angriff auf Nato-Land? Selenskyj warnt Westen vor Russlands Geheimoperation
Russland bereitet ein weiteres Großmanöver vor. Wird dieses zur Gefahr für den Westen? Wolodymyr Selenskyj mahnt zur Wachsamkeit.
Warschau – Die Ukrainer müssen seit mehr als drei Jahren am eigenen Leib erfahren, zu was Wladimir Putin fähig ist. Während sich seine Bodentruppen kaum merklich vorwärtsmühen, lässt der Kreml-Chef das Nachbarland fast pausenlos mit Luftschlägen überziehen. Dabei scheint nichts und niemand vor Russlands Raketen sicher zu sein.
Dass der Ukraine-Krieg nur der Anfang sein könnte, haben Politiker und Militärexperten schon häufiger warnend erwähnt. Nun lassen Aussagen von Wolodymyr Selenskyj aufhorchen. Laut Suspilne, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Ukraine, deutete der ukrainische Präsident am Rande des Gipfels der Drei-Meere-Initiative in Warschau an, dass Moskau in diesem Sommer „etwas vorbereitet“ und dafür Militärübungen als Vorwand nutzt.
Selenskyj warnt Westen vor neuem Angriff von Russland: „Litauen? Polen? Müssen alle vorbereitet sein“
Im September plant Putin sein Großmanöver Sapad 2025 – auf Deutsch: Westen 2025 – in Belarus. Also nicht nur in dem Land, das als engster Verbündeter Russlands gilt, sondern das zugleich an das Nato-Gebiet grenzt. Bereits vier Jahre zuvor hatte Russlands Präsident zu Sapad 2021 aufgerufen und dabei Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen – wenige Monate später befahl er die Invasion samt erfolglosem Sturm auf Kiew.
Nun mahnt Selenskyj, beide Augen auf die Vorgänge zu richten: „Schauen Sie sich Belarus an – diesen Sommer bereitet Russland dort unter dem Deckmantel von Militärübungen etwas vor. So beginnen normalerweise seine neuen Angriffe.“
Er könne aber nicht sagen, welches Land diesmal das Ziel sein könnte: „Die Ukraine? Litauen? Polen? Gott bewahre! Wir müssen alle bereit sein. Alle Institutionen sind zur Zusammenarbeit offen.“
Wagt Putin 2025 wieder eine Invasion nach seinem Militärmanöver? „Jede Übung hat einen Zweck“
Vor einigen Wochen hatte bereits Kiews Oberkommandeur der Streitkräfte Oleksandr Syrskyj in einem Interview mit dem ukrainischen Portal LB auf die Frage, ob das Manöver als Vorbereitung einer neuen Offensive gegen die Ukraine genutzt werden könnte, geantwortet: „Jede Übung hat einen Zweck. Und einer dieser Zwecke ist die verdeckte Bildung offensiver Truppenverbände.“

Solche Übungen seien „der akzeptabelste Weg, Truppen zu verlagern, sie in eine bestimmte Richtung zu konzentrieren und eine Truppengruppierung zu schaffen“. 2022 sei für ihn absehbar gewesen, worauf Putins Manöver hinauslaufen würde, nachdem es fortgesetzt wurde, anstatt die Truppen wieder abzuziehen. Zwar erwarte er 2025 nicht unbedingt eine Wiederholung: „Aber wir müssen diesen Faktor in Betracht ziehen.“
Gefahr durch Putins Russland: Militärhistoriker fordert „militärisch kampfkräftiges Europa“
Sönke Neitzel wäre wohl alles andere als überrascht, sollte Putin einen weiteren Vormarsch in Richtung Westen wagen. „Alle Stimmen aus Sicherheitskreisen, die ich kenne, gehen davon aus, dass Russland die Nato in den nächsten Jahren testen wird“, zitiert der Tagesspiegel den Militärhistoriker von der Universität Potsdam.
Der 56-Jährige empfiehlt daher Europa, sich darauf vorzubereiten, Putin die Stirn bieten zu müssen: „Die Antwort auf die militärische Stärke Russlands kann nicht Schwäche sein.“ Um für die eigene Sicherheit sorgen zu können, würden Diplomatie und Wirtschaftskraft nicht genügen: „Es braucht ein politisch einiges und militärisch kampfkräftiges Europa.“
Bundeswehr übt für Verlegung nach Osten: Laut Kommandeur „eher nicht verteidigungsbereit“
Die Bundeswehr bereitet sich derweil auf einen erneuten Einsatz an der Nato-Ostflanke vor und hat dabei ein besonderes Augenmerk auf Russlands Militärübung im Herbst, wie der NDR berichtet. „Wir beobachten sehr genau, was im Einzelnen abläuft, welche Truppenkörper verlegt werden, wo sie bleiben und welche Verfahren angewandt werden“, erklärt Generalmajor Heico Hübner, Kommandeur der 1. Panzerdivision.
Dem 56-jährigen Offizier zufolge ist die Bundeswehr „übungsbereit, aber eher nicht verteidigungsbereit“. Zwar könnten immer verlässlich Truppenkontingente nach Litauen geschickt werden: „Um aber als Division in Gänze einsatzbereit zu sein und auch in der aktuellen Lage wirklich voll kriegstüchtig zu sein, brauchen wir erhebliche weitere Modernisierung.“

Nato und Putins Russland: Polen-Politiker kündigt „große Manöver“ an
Polens stellvertretender Verteidigungsminister Cezary Tomczyk betonte derweil in einem Interview mit dem Radiosender RMF FM, Warschau werde auf Sapad 2025 „angemessen“ reagieren. Allerdings nimmt er die Übung von Putin nicht als Bedrohung für sein Land wahr.
„Es wird große polnische und Nato-Übungen geben, große Manöver in Polen“, kündigte der Parteifreund von Ministerpräsident Donald Tusk an: „Wir sollten uns auch daran erinnern, dass wir im vergangenen Jahr Zeugen der größten Nato-Übungen der Geschichte waren, an denen rund 100.000 Soldaten teilnahmen. Die Nato ist stärker als Russland.“
Damit spielt Tomczyk auf Steadfast Defender 24 an, das aus mehr als einem Dutzend Manövern bestand und insgesamt mehr als vier Monate dauerte. Alle 32 Nato-Staaten nahmen teil. Nach Angaben des transatlantischen Verteidigungsbündnisses waren mehr als 80 Flugobjekte, mehr als 50 Schiffe, mehr als 1100 Kampffahrzeuge und 90.000 Soldaten involviert. (mg)