Der Tag, an dem sie in Kirchseeon geblitzt wurde, bleibt für Anita Haas so positiv in Erinnerung wie vermutlich niemand anderem. Ihren heutigen Arbeitsplatz verdankt sie letztlich diesem „Geschwindigkeitsrausch“.
Kirchseeon – Auch das noch! Anita Haas (heute 46) fuhr zum Unterricht durch Kirchseeon, und wurde geblitzt. Nicht Schlimmes – lediglich sechs Kilometer zu schnell. Doch die Temposünde brachte der Frau aus dem Kreis Miesbach nicht nur einen Bußgeldbescheid, sondern auch einen Praktikumsplatz – und heute blitzt Anita sogar selber.
25 Jahre lang hatte sie als Metzgerei-Fachverkäuferin gearbeitet. Doch dann kamen Rückenprobleme, Anita hielt durch – bis Schmerzen und Taubheitsgefühle überhandnahmen. „Am Ende konnte ich gar nicht mehr arbeiten.“ Die Diagnose: Bandscheibenvorfall im Halswirbelbereich. Anita ließ sich eine Bandscheibenprothese einsetzen – die Operation war ein Erfolg.
„Eine Frechheit“: Anita Haas vor BFW geblitzt
Schon davor war ihr auch klar: In ihren alten Beruf würde sie nicht mehr zurückkehren können. Sie besuchte das Berufsförderungswerk München (BFW) in Kirchseeon, um sich zu informieren. Wenig später wurde eine Umschulung genehmigt. Im Juni 2021 startete sie dann mit dem Unterricht. „Ich wusste, dass ich eine neue Perspektive brauche, etwas, das ich bis zur Rente machen kann“. Verwaltungsfachangestellte wollte Anita werden.
Als eines von zwei Pflichtpraktiken anstand, wollte Anita Haas das in einer kleineren Gemeinde absolvieren, doch das war schwierig, oft gibt es keinen Platz. Und dann schlug es ein wie der Radarblitz. Der Kasten stand Ende 2022 kurz vorm BFW. Drinnen schilderte sie einem Dozenten, was passiert war. „Ich habe erzählt, dass das ja eine Frechheit ist.“
Über Praktikum rutscht 49-Jährige in die Radarmessung
Der Dozent erwähnte den Zweckverband Kommunale Dienste Oberland in Bad Tölz, die die Verkehrsüberwachung macht. „Wird dort vielleicht eine Praktikantin gesucht?“ Eine Woche später bekam sie die Kontaktdaten. So absolvierte Anita ihr Praktikum in Bad Tölz und erhielt die Zusage für eine Festanstellung nach Abschluss ihrer Ausbildung. Dort ist sie nun seit zwei Jahren mitverantwortlich für die „Planung fließender Verkehr“, das heißt auch: Tempoüberwachung. „Ich bin total glücklich über diese Stelle“, sagt sie, „und meine Kollegen sowie Vorgesetzten sind es auch mit mir.“
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Das Berufsförderungswerk München (BFW) in der Marktgemeinde Kirchseeon ist ein Zentrum der beruflichen Rehabilitation für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in ihren Berufen arbeiten können. Hier wird mit medizinischer und psychologischer Begleitung umgeschult. Bezahlt wird diese verkürzte zweijährige Ausbildung je nach Fall entweder von der Rentenversicherung, den Berufsgenossenschaften, der Agentur für Arbeit oder den Jobcentern. Das Gelände des Berufsförderungswerks in Kirchseeon umfasst ein Wohnheim für 450 Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen sowie modernste Ausbildungswerkstätten für IT-, Elektrotechnik-, Maschinenbau-, Kaufmännische/Verwaltungs-, Bau-,Sozial-, Sicherheits- und Gesundheitsberufe.