„Das fehlende Puzzleteil“: Forscher entschlüsseln Geheimnis tief im Erdinneren

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Im Inneren der Erde gibt es einen festen inneren Kern, der von einem flüssigen Kern umgeben ist. (Archivbild) © dpa/esa/Eumetsat

Warum werden seismische Wellen in der Tiefe plötzlich schneller? ETH-Forscher haben die Antwort gefunden – und sie ist anders als gedacht.

Zürich – Tief unter unseren Füßen, in einer Tiefe von etwa 2700 Kilometern, verbirgt sich ein Phänomen, das Wissenschaftler jahrzehntelang vor ein Rätsel stellte. In der sogenannten D‘‘-Schicht im Erdinneren bewegen sich seismische Wellen mit ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Motohiko Murakami von der ETH Zürich hat nun eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, die das Verständnis vom Erdinneren revolutioniert.

Die Erforschung des Erdinneren stellt Wissenschaftler vor besondere Herausforderungen. Da direkte Bohrungen bisher nur einige Kilometer in die Tiefe reichen, sind Forschende auf indirekte Methoden angewiesen. Besonders seismische Wellen, die sich bei Erdbeben durch den Planeten bewegen, liefern wertvolle Informationen über die Beschaffenheit des Materials im Erdinneren.

Unglaubliche Vorstellung: Tief im Erdinneren fließt festes Gestein

Die Entdeckung des Teams um Murakami ist verblüffend: In der D‘‘-Schicht fließt festes Gestein, das weder die Eigenschaften von flüssiger Lava noch von brüchigem Fels aufweist. Dieses außergewöhnliche Verhalten erklärt die seit mehr als 50 Jahren beobachtete Beschleunigung seismischer Wellen in dieser Tiefe. „Diese Entdeckung löst nicht nur das Rätsel um die D‘‘-Schicht, sondern öffnet uns ein Fenster in die Dynamik in den Tiefen der Erde“, erklärt Murakami. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal Communications Earth & Environment veröffentlicht.

Die Geschichte dieser Entdeckung begann allerdings bereits 2004, als Murakami feststellte, dass sich Perowskit – das Hauptmineral des unteren Erdmantels – unter extremem Druck und sehr hohen Temperaturen in Post-Perowskit umwandelt. Damals vermutete man, dass diese Transformation die ungewöhnliche Beschleunigung der seismischen Wellen erklären könnte. Doch die neuesten Forschungsergebnisse zeigen, dass der Mechanismus komplexer ist. Mithilfe von Computermodellen konnte das Team nachweisen, dass die Ausrichtung der Post-Perowskit-Kristalle entscheidend für die Geschwindigkeit der seismischen Wellen ist.

Nur wenn die Kristalle richtig ausgerichtet sind, werden die seismischen Wellen beschleunigt

„Damit haben wir das letzte Puzzleteil endlich gefunden“, freut sich Murakami. Die neue Erkenntnis: Nur wenn die Kristalle des Minerals in dieselbe Richtung ausgerichtet sind, werden die seismischen Wellen beschleunigt – genau das Phänomen, das in der D‘‘-Schicht beobachtet wird. Doch was bringt die Kristalle in diese besondere Anordnung? Die Antwort liegt in der horizontalen Bewegung des festen Mantelgesteins am unteren Rand des Erdmantels. Diese Bewegung ähnelt, wie die Universität in ihrer Mitteilung beschreibt, „Wasser, das in einem Topf zu kochen beginnt und sich dabei in Kreisen bewegt“.

Diese Art der Konvektion wurde zwar lange vermutet, konnte aber bisher nicht direkt nachgewiesen werden. Murakami und seinem Team ist dieser Nachweis nun gelungen. Ihre Experimente bestätigen, dass an der Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel tatsächlich eine Mantelkonvektion stattfindet. Die Entdeckung hat weitreichende Implikationen für unser Verständnis der Erde. „Unsere Entdeckung zeigt, dass die Erde nicht nur an der Oberfläche aktiv ist, sondern auch tief im Inneren in Bewegung ist“, betont der ETH-Professor. (tab)

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