Italien plant Mega-Brückenbau in Erdbebengebiet: Experte zerpflückt riskantes Milliardenprojekt

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Italien plant die längste Hängebrücke der Welt. Doch Experten warnen vor Risiken. Spannungen zwischen Regierung und Umweltschützern nehmen zu.

Reggio Calabria – Ein interministerieller Ausschuss unter der Leitung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat nach jahrelangen Diskussionen den Bau einer riesigen Hängebrücke zwischen dem italienischen Festland und Sizilien genehmigt. Dieses Bauwerk, das 13,5 Milliarden Euro kosten soll, wird die süditalienische Region Kalabrien mit der Mittelmeerinsel verbinden. Mit einer Spannweite von über drei Kilometern soll es die längste Hängebrücke der Welt werden.

Bei der Brücke nach Sizilien handelt es sich um die längste Hängebrücke der Welt, doch viele Skeptiker stehen dem Mega-Projekt kritisch gegenüber. Dazu gehört auch der Experte Mario Tozzi (Montage) © Italy Photo Press/ABACAPRESS/Imago

Verkehrsminister Matteo Salvini bezeichnet das Projekt als „Beschleuniger für die Entwicklung“ Süditaliens. Doch die geplante Brücke in der Straße von Messina ist umstritten. Die Opposition kritisiert die enormen Kosten, während Umweltschützer vor den ökologischen Folgen warnen. Zudem äußern zahlreiche Experten erhebliche Sicherheitsbedenken. Ein Fachmann wird dabei besonders deutlich.

Kalabrien und Sizilien: Die längste Hängebrücke der Welt in Italien geplant

Das Megaprojekt im strukturschwachen Süden Italiens steht vor großen Herausforderungen. Die Region ist seismisch hochaktiv – beim verheerenden Erdbeben von 1908 starben in Messina über 70.000 Menschen. Pietro Salini, Geschäftsführer des Bauunternehmens Webuild, das das Konsortium Eurolink leitet, versichert: „Es wird nach den höchsten internationalen Ingenieursstandards gebaut.“

Das Konsortium verweist auf erfolgreiche Brückenbauten in erdbebengefährdeten Gebieten wie Japan und der Türkei. Zudem sei die Konstruktion für Windkräfte ausgelegt, die in der Meerenge bislang nie gemessen wurden, um Bedenken zu entkräften, dass starke Winde die Brücke zum Einsturz bringen könnten.

Der bekannte italienische Geologe Mario Tozzi kommentiert in einem Beitrag auf Facebook: „Brücken können auch in den erdbebenreichsten Regionen der Erde gebaut werden, aber man muss sie gut untersuchen.“ Er kritisiert, dass dies im Fall des Ponte sullo Stretto di Messina, wie das Mega-Projekt auf Italienisch heißt, nicht ausreichend geschehen sei.

Italien genehmigt umstrittene Mega-Brücke nach Sizilien: Experte wird deutlich

Tozzi bemängelt das Fehlen aktueller struktureller Studien, insbesondere zu den Unterwasserverwerfungen in der Meerenge. Er fordert einen offiziellen Bericht des nationalen geophysischen und vulkanologischen Instituts (INGV), der vom Forschungsrat CNR und der Agentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung (ENEA) abgesegnet wird. Die Messung von Zehntausenden von Daten sei notwendig, doch dies sei im Projekt nicht vorgesehen.

Selbst bei einer positiven Studienlage bleibt Tozzi skeptisch: „Wenn die bauliche Umgebung nicht erdbebensicher ist, würde eine Brücke, die nach einem Erdbeben stehen bleibt, zwei Friedhöfe verbinden.“ Damit spielt er auf mögliche verheerende Beben an, die zwar die Brücke verschonen könnten, aber Bauten und Menschen in Sizilien und Kalabrien gefährden würden.

Il Ponte sullo Stretto di Messina

Die Pläne für die Überquerung der Straße von Messina existieren bereits seit 1971, wurden jedoch mehrfach verschoben oder gestoppt – zuletzt 2013. Die aktuelle Regierung brachte das Vorhaben 2022 erneut auf den Weg. Derzeit kann die etwa drei Kilometer breite Meerenge nur per Fähre überquert werden. Nach dem neuen Zeitplan sollen erste vorbereitende Arbeiten bereits im Herbst beginnen, der eigentliche Bau 2026 starten und die Fertigstellung bis 2032 erfolgen.

Das von der Regierung Meloni vorangetriebene Projekt hat ein Gesamtvolumen von 13,5 Milliarden Euro und wird vollständig aus öffentlichen Mitteln finanziert Rainews. Die Brücke wird von zwei 399 Meter hohen Türmen getragen und bietet Platz für drei Fahrspuren in jede Richtung, zwei Servicespuren und zwei Eisenbahngleise mit begehbaren Fußwegen.

Zudem stellt der Geologe infrage, ob wie geplant Hochgeschwindigkeitszüge oder generell Züge über die fertige Brücke fahren könnten. In erdbebenreichen Regionen fahren in der Regel keine Züge über lange Brücken, gibt Tozzi zu bedenken. Sein Beitrag findet große Resonanz, wird über 17.000 Mal geteilt und tausendfach kommentiert.

Italien genehmigt umstrittenes Mega-Projekt: 13,5-Milliarden-Brücke nach Sizilien

Umweltverbände protestieren vehement gegen das Vorhaben und werfen der Regierung vor, Umwelt- und Sicherheitsauflagen zu umgehen. Die Einstufung des Projekts als „sicherheitsrelevante Infrastruktur“ im Zusammenhang mit NATO-Verpflichtungen und möglicher militärischer Nutzung sorgt für zusätzliche Kontroversen. Die Umweltverbände kritisieren schwerwiegende Umweltauswirkungen auf Küsten- und Meeresökosysteme, unzureichende Dokumentation und Probleme bei der Gesamtbewertung des Projekts. Auch die Sicherheitslage in der Region ist besorgniserregend, da Kalabrien als Hochburg der ’Ndrangheta gilt, einer der mächtigsten Mafiaorganisationen Europas.

Kritiker befürchten Einflussnahme und Korruption bei dem Milliardenprojekt. Salvini entgegnet diesen Bedenken entschieden: „Wenn die Brücke wegen der Mafia und der ‚Ndrangheta‘ nicht gebaut werden kann, dann machen wir gar nichts mehr.“ Er verspricht strenge Anti-Mafia-Protokolle, wie sie auch bei internationalen Großveranstaltungen zum Einsatz kommen. (jm/kiba/dpa)

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