Audi-Chef Döllner: „Strompreise zu hoch“
Damit schlage eine vollständige Batterieladung in dem Land umgerechnet „mit nur drei Euro zu Buche, während eine Tankfüllung Benzin dort auch 60 Euro“ koste. Daher seien die Kunden in China „schneller zum Umstieg auf ein E-Auto bereit“, sagte Döllner. Wie Audi in China wieder in die Offensive kommen will, wann der Q3 in Ingolstadt vom Band rollt und warum der Konzern trotz massiver Stellenstreichungen an seinem die Formel-1-Engagement festhält:
Herr Döllner, Sie haben sich jüngst mit dem Audi-Betriebsrat auf tiefe Einschnitte beim Personal geeinigt. 7500 Stellen werden abgebaut, auch weil die E-Mobilität noch nicht zündet. Zugleich haben Sie neue Verbrenner-Modelle angekündigt. Verschieben Sie das versprochene Ende der Fossil-Ära für sich?
Unsere langfristige Strategie hat sich nicht geändert. Wir verfolgen weiterhin das Ziel der CO2-Neutralität. Doch aufgrund der öffentlichen Diskussion und veränderten Nachfrage rund um die Elektromobilität ergeben sich zusätzliche Marktpotenziale bei den Verbrennern. Daher werden wir den Audi Q3-Nachfolger ab nächstem Jahr im Verbund mit unserem ungarischen Werk in Győr auch hier im Stammwerk in Ingolstadt bauen. Mit der Produktion reiner Elektromodelle und einem Verbrenner-Modell ist der Standort robust und flexibel aufgestellt. Das ist eine völlig rationale Entscheidung.
Für Ihre Mitarbeiter hier in Ingolstadt war das schon ein großes Thema.
Es geht darum, Werke flexibel und effizient auszulasten und zugleich den Kundenwünschen nachzukommen.
Wär’s nicht eh gut, das Land würde das Thema E-Mobilität mal wieder etwas pragmatischer und an Zahlen orientiert betrachten?
Absolut. Schauen Sie nach China, wo der Drang Richtung Elektroautos ungebremst ist!
Dort ist aber neuerdings auch eher von „New Energy Vehicles“ die Rede, zu denen auch Hybrid-Fahrzeuge gezählt werden.
Schon im vergangenen Jahr übersprang der Anteil der elektrisch betriebenen Fahrzeuge 50 Prozent des dortigen Marktes. Ähnliches gilt für jene europäischen Länder, in denen die Rahmenbedingungen passen. Frankreich, wo der Strompreis niedrig ist. Die Niederlande, wo mit Steuernachlässen gearbeitet wird. Norwegen, das sich quasi komplett mit erneuerbarer Energie versorgt …
In den USA dreht Donald Trump gerade alles wieder auf Fossil …
… aber der Markt dort bleibt trotzdem heterogen. Die gesamte Westküste und der Nordosten setzen weiter voll auf Elektro. Unterm Strich ist der Trend zur E-Mobilität ungebrochen. Das würde ich alles weniger dogmatisch sehen, als es in Deutschland manchmal diskutiert wird.
Wie hoch ist Ihr USA-Absatz-Anteil?
Knapp 250.000 Fahrzeuge für ganz Nordamerika, also USA und Kanada. Da sehe ich für die Marke Audi großes Wachstumspotenzial. Und das werden wir nutzen.
Audi hat sich festgelegt, 2033 die Verbrenner-Produktion zu beenden. Dabei bleibt’s?
Aktuell entspricht das dem Stand. Wir überprüfen diese Planung wie auch das konkrete marktspezifische Angebot regelmäßig im Rahmen unserer Planungsrunden. Was aber eben auch wichtig ist: Wir bringen gerade noch mal eine völlig neue Verbrenner-Generation an den Start. Damit sind wir perfekt aufgestellt und haben keine Not, uns jetzt schon abschließend festzulegen.
Audi-Chef: „2024 und 2025 bringen wir mehr als 20 neue Modelle auf den Markt“
Im vergangenen Jahr hatte Audi im eigenen Haus einen Elektro-Anteil von nur 9,7 Prozent in einem Markt, der eigentlich wächst, auch bei direkten Konkurrenten. Wie wollen Sie da die Kurve kriegen?
Wir befinden uns mitten in der größten Produkt-Offensive unserer Unternehmensgeschichte. 2024 und 2025 bringen wir mehr als 20 neue Modelle auf den Markt. Zehn davon rein elektrisch. Damit investieren wir gerade stark in die Produktsubstanz. Viele dieser Modelle kommen erst in diesem Jahr voll im Markt an. Das wird uns einen guten Schritt voranbringen. Die Erfolge werden wir in den kommenden Jahren ernten können.
Was wünschen Sie sich da in Zahlen?
Lassen wir die neuen Fahrzeuge jetzt erst einmal an den Start gehen und in den Markt kommen. Ich gehe von einem signifikant wachsenden Elektro-Anteil aus.
Bis nächstes Jahr soll die gesamte Audi-Flotte zudem deutlich jünger werden. Was heißt das konkret?
Nächstes Jahr werden unsere Modelle im Durchschnitt ein Alter von drei Jahren haben. Damit haben wir Ende 2025 das jüngste Portfolio im direkten Wettbewerb.
Was erwarten Sie sich von der EU, wo die alten „Green Deal“-Träume ja auch gerade überprüft werden?
Wir begrüßen Regelungen, die darauf abzielen, die notwendige Transformation flexibler zu gestalten. Als Industrie brauchen wir aber vor allem Planungssicherheit. Diskussionen und Probleme im Jahr 2025 sollten uns nicht davon abhalten, unsere Klimaziele erreichen zu wollen. Das schaffen wir weltweit nur mit einem signifikanten Elektro-Anteil. Es gibt einfach keine andere Antriebstechnologie, die im PKW-Bereich ähnliche Effizienz in puncto CO2-Neutralität verspricht. Die Zukunft des Autos ist elektrisch. Nun müssen wir den Weg dorthin gestalten.
Der schwarz-rote Schuldenpakt sieht 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz vor. Was bedeutet das für die Autoindustrie?
Das ist ein Aufbruchssignal. Entscheidend ist, wie das jetzt konkret gestaltet wird. Ich würde jedenfalls sehr begrüßen, wenn sich die Politik weiter auf nachhaltige Energien konzentriert. Die Strompreise sind aktuell zu hoch. In China zum Beispiel kostet die Kilowattstunde drei bis vier Cent beim Endverbraucher. Eine volle Batterieladung schlägt mit nur drei Euro zu Buche, während eine Tankfüllung Benzin dort auch 60 Euro kostet. Da ist der Kunde schneller zum Umstieg auf ein E-Auto bereit.
Wann wird Audi mit den Stromern genauso viel Geld verdienen wie mit den Benzinern?
Die Margen zwischen Verbrennern und Elektroautos nähern sich nicht so schnell aneinander an, wie sich die Branche das erwartet hatte. Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass wir die Margenparität bei Audi Mitte des Jahrzehnts erreichen. Jetzt dürfte sich das vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen verzögern. Am Ende des Tages werden das immer Kunde und Markt entscheiden.
Was ist in Deutschland eigentlich schiefgelaufen auf dem Weg in die E-Mobilität?
Elektromobilität ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle angeht: die Kunden, die Politik in Kommunen, Ländern und Bund, aber natürlich auch uns, die Industrie. Als Autohersteller haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und massiv in die E-Mobilität investiert. Die Politik hat bislang noch nicht ausreichend die Rahmenbedingungen geschaffen, die für den Hochlauf der E-Mobilität nötig sind. Da sehe ich jetzt positive Signale.
Audi-Chef: „Zurzeit ist viel Spekulation in den Debatten um US-Strafzölle“
Donald Trump hat zuletzt 25 Prozent Zölle auf EU-Autoimporte angedroht. Wie besorgt sind Sie?
Die konkreten Folgen lassen sich aktuell noch nicht seriös beziffern. Zurzeit ist viel Spekulation in den Debatten. An unserer langfristigen Strategie wird sich nichts ändern. Wir sehen dort weiter großes Potenzial und wollen im Wettbewerb weiter nach vorne kommen. Entsprechend werden wir weiter dort investieren.
Aktuell beliefern Sie die USA aus Ihrem Werk in Mexiko, wo die Zölle schon beschlossen sind.
Wir liefern auch aus Deutschland. Aber wir können unsere Entscheidungen nicht auf Basis reiner Ankündigungen treffen. Als Konzern müssen wir in einem Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren denken.
Apropos Schnelligkeit: Der chinesische Elektronikkonzern Xiaomi baut erst seit zwei Jahren Autos, will dieses Jahr schon 350.000 Stromer ausliefern und spätestens 2027 auch in Europa starten. Kann man sich da was abschauen?
Wie von jedem ernstzunehmenden Wettbewerber. Sie stellen die in der Tat ein hohes Tempo unter Beweis. Ihre Entwicklungszeiten sind beeindruckend. Mit unserem chinesischen Kooperationspartner SAIC lernen wir in der Hinsicht gerade auch eine Menge dazu. Die Dynamik des chinesischen Marktes ist wirklich hoch.
Mit dem chinesischen Joint-Venture-Partner SAIC entwickeln Sie nun den ersten Audi ohne die vier Ringe auf der Haube. Müssen da echte „Audianer“ nicht schlucken?
Das ist ein echter Audi, aber eben von unserer Schwester-Marke für neue, zusätzliche Kundengruppen in China. Diese Zielgruppe werden wir mit den neuen zusätzlichen Modellen erschließen. Die ersten Rückmeldungen zu dem Konzeptfahrzeug waren sehr positiv.
Für Marken-Puristen ist das nur schwer erträglich, oder?
Ganz ehrlich: Das ist eine sehr deutsche Diskussion.
Aber eben auch eine sehr emotionale.
Das ist ein Angebot für den chinesischen Markt. Dort halten viele unseren Schritt für sehr nachvollziehbar, übrigens auch Ihre chinesischen Kollegen. Und Sie dürfen zudem nicht vergessen: Der chinesische Markt ist viel jünger und auch viel breiter als etwa Deutschland. Aktuell gibt es in China über 100 Automarken. Hundert!
Eine davon ist SAIC, mit dem auch Sie gerade mal drei Jahre brauchten, um ein komplett neues Auto zu entwickeln. Steckt darin eine Botschaft an Ihre deutschen Entwickler: Wir brauchen China-Speed auch in Ingolstadt?
Wir bauen im VW-Konzern schon seit vielen Jahren Weltklasse-Autos – und zwar auch in Kooperationen mit anderen Marken, in diesem Fall mit SAIC. Design, Bedienkonzept oder Fahrwerkstechnologie und Allradsystem kommen aus Ingolstadt, Batterie-Technologie oder Software aus China. Die meisten Kolleginnen und Kollegen, die bei dieser Entwicklung eingebunden waren, sind sehr beeindruckt und auch begeistert.
Wovon genau?
Eben von der Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen vorbereitet und getroffen werden. Und ja: Auf den ersten Blick mag dieses Tempo vielleicht sogar einschüchtern. Aber wenn sich das gelegt hat, ist es vor allem inspirierend.
Für Digitalisierung gibt es in Ihrem Mutterkonzern Volkswagen eigentlich die IT-Tochter Cariad. Zuletzt gab es massive Software-Probleme und verspätete Produkt-Anläufe – auch bei Audi. Wäre Ihr Unternehmen ohne Cariad heute weiter als mit?
Dass wir uns in der Implementierung der Software schwergetan haben und Hürden zu nehmen hatten, lag nicht nur an Cariad oder den Konzern-Marken.
Sondern?
Daran, dass die Einbindung von Cariad in den Konzern nicht optimal strukturiert war. Konzern-Chef Oliver Blume hat dieses Thema jetzt bereits angepackt und die Governance zwischen Cariad und den Marken neu aufgestellt.
Es klemmt offenbar immer noch. Bei Cariad läuft gerade ein weiteres Sparprogramm. 1600 Mitarbeiter sollen gehen. Das ist ein Drittel der Beschäftigten. Welche Zukunft hat Cariad im Konzern?
Cariad und die Marken haben in den nächsten zwei, drei Jahren das Modellfeuerwerk im Konzern an den Start zu bringen. Da ist unglaublich viel zu liefern – für VW, Porsche oder Audi.
Also wird Cariad trotz der Personal-Einschnitte weiter eine Zukunft im Konzern haben?
Definitiv. Cariad ist und bleibt ein wichtiger Partner für die Marken. Sie wird weiterhin eine zentrale Rolle bei der Skalierung markenübergreifender Softwarelösungen spielen.
Zu Ihrem Audi-Reich gehören auch die Luxusmarken Lamborghini und Bentley sowie die Motorrad-Ikone Ducati. Das macht renditemäßig wahrscheinlich mehr Freude, oder?
Lamborghini liefert mit 27 Prozent eine absolute Spitzen-Rendite.
Eigentlich dürften Sie also nur noch diese Super-Sportwagen bauen?
Das Schöne ist ja, dass wir diese Rendite auch deshalb schaffen, weil Lamborghini ein echtes Luxusgut ist. Und Luxus hat etwas damit zu tun, dass das Volumen begrenzt ist.
Audi-Chef: „Für die Marke Audi peilen wir mittelfristig elf Prozent an“
Sie fordern auch von Audi wieder zweistellige Renditen. Wann wird es so weit sein?
Für die Marke Audi peilen wir mittelfristig elf Prozent an.
Mittelfristig heißt?
2027. An dieser Ambition halten wir grundsätzlich fest und das wollen wir erreichen. Ob wir das zu diesem Zeitpunkt schaffen, hängt auch davon ab, wie sich die Geopolitik und die Märkte weiterentwickeln.
Wie weit sind Ihre Pläne bei der Formel 1?
Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Audi wird 2026 mit einem eigenen Werksteam in der Formel 1 an den Start gehen.
Das glauben wir Ihnen. Aber Sie haben erst den Rennstall Sauber komplett übernommen und unlängst dann die katarische Investmentgesellschaft QIA an Bord geholt. Manch einer orakelt nun, dass Sie schon wieder den Ausstieg vorbereiten?
Nein. Unser Formel-1-Engagement verfolgen wir unvermindert weiter. Als ich im Herbst 2023 Audi-CEO wurde, habe ich gesagt, dass wir auch die Formel 1 auf den Prüfstand stellen. Das haben wir gemacht und uns am Ende dafür entschieden, unser Engagement sogar zu beschleunigen – auch, um strategische Investoren und zusätzliche externe Finanz-Power reinzuholen.
Audi will mittelfristig 7500 Stellen streichen. Wie passt das zum milliardenschweren Formel-1-Engagement?
Wir sehen unser Formel-1-Engagement als Investition und erhalten dafür einen hervorragenden Gegenwert. Die Rennserie ist die größte Sportplattform der Welt. Sie hat eine Reichweite von rund einer Milliarde Menschen am Wochenende und spielt damit in einer Liga mit dem Superbowl. Das hilft uns dabei, Audi dort zu positionieren, wo die Marke hingehört: ganz vorne.