Persönlichkeitsveränderungen durch Organtransplantation: Nach der Verpflanzung plötzlich ein anderer Mensch

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Eine Organtransplantation kann nicht nur Leben retten, sondern offenbar auch Persönlichkeiten ändern. Nun sammelten US-Forscher spannende, neue Erkenntnisse.

Colorado – Für manche Menschen ist eine Organtransplantation oft die einzige Hoffnung, ein möglichst normales Leben weiterführen zu können. Dabei gehen jedoch auch einige Risiken und Nebenwirkungen einher. Neben der Gefahr einer Organabstoßung oder einem für Krankheiten anfälligerem Immunsystem, berichten Betroffene nach einer Transplantation oft auch von Veränderungen ihrer Persönlichkeit.

„Ich konnte nie zuvor spielen, aber nach meiner Transplantation begann ich, Musik zu lieben. Ich fühlte es in meinem Herzen“, berichtete eine Patientin, der 1990 das Herz eines jungen Musikers eingepflanzt wurde. Zahlreiche Schilderungen dieser Art wurden über die Jahre bekannt. Eine neue Studie der University of Colorado könnte jetzt erste Hinweise dafür geliefert haben, dass Persönlichkeitsveränderungen nach Organtransplantationen weit verbreitet sind und nicht nur das Herz betreffen.

Persönlichkeitswandel infolge einer Organtransplantation – nicht nur Herzpatienten betroffen

Berichte darüber, dass sich die Persönlichkeit von Patienten nach einer erfolgreichen Organtransplantation auf vielfältige Art und Weise veränderten, sind nicht neu. Nicht nur ein anderes Temperament, auch andere Essvorlieben oder religiöse Überzeugungen sollen Menschen nach der Operation erfahren haben. Ein Hochschulprofessor schilderte im Rahmen einer Studie nahezu übersinnliche Erfahrungen, nachdem ihm das Herz eines Polizisten transplantiert wurde, der durch einen Kopfschuss getötet worden war. „Ich sah einen Lichtblitz direkt in meinem Gesicht und mein Gesicht wurde sehr, sehr heiß. Es brannte sogar.“

Organtransplantationen in Deutschland

In Deutschland wurden laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit 1963 mehr als 146.000 Transplantation durchgeführt. Allein 2022 wurden bundesweit 3372 Organe transplantiert. Am häufigsten betraf dies die Niere, gefolgt von Leber und Herz. Die meisten Transplantationen erfolgten postmortal. Rund 8500 Menschen stehen auf der Warteliste für ein Spenderorgan, rund 6700 von ihnen warten auf eine Niere.

Auch ein Junge, der das Herz eines dreijährigen Mädchens erhielt, habe nach der Transplantation über Todesangst vor Wasser geklagt. Das Brisante: die Spenderin war zuvor in einem Pool ertrunken. Eine deutsche Patientin wurde nach drei Organtransplantationen sogar zur Paralympics-Siegerin.

Forscher rätseln über mögliche Ursachen der Persönlichkeitsveränderung nach einer Organtransplantation

Nun hat das Forschungsteam an der Universität von Colorado wichtige Ergebnisse im Fachmagazin Transplantology veröffentlicht, die nahelegen, dass nicht nur Herztransplantationen veränderte Persönlichkeiten nach sich ziehen. Bei einer 2022 durchgeführten Untersuchung unter 23 Herzempfängern und 24 Patienten, die andere Spenderorgane erhielten, gaben rund neun von zehn Befragten an, ähnliche Veränderungen wahrzunehmen – ganz unabhängig von der Art des transplantierten Organs. Etwas mehr als ein Drittel der Beteiligten gaben sogar an, vier oder mehr Persönlichkeitsveränderungen durchgemacht zu haben.

Statistisch signifikant oder repräsentativ sind die Ergebnisse der Studie nicht, zudem liefert die Untersuchung keine Antworten darauf, worauf genaue Veränderungen in der Persönlichkeit der Betroffenen zurückzuführen ist. Die Forschung versucht seit Jahren, verschiedene Hypothesen zur Erklärung dieser Phänomene zu prüfen.

Transportbox für eine Niere bei einer Nierentransplantation in einer Klinik in Deutschland, Bremen
Menschen, die eine Organtransplantation durchlebt haben, berichten des Öfteren von Persönlichkeitsveränderungen. (Symbolbild) © epd/Imago

Studien weisen etwa auf psychologische oder biochemische Gründe hin, darunter die Übertragung von Persönlichkeitsmerkmalen durch das intrakardiale Nervensystem, das als „Herzgehirn“ betrachtet wird. Eine weitere ist die „systemische Gedächtnishypothese“, welche annimmt, dass alle lebenden Zellen eine Art Gedächtnis besitzen und ein Transplantationsempfänger die Geschichte des Spenders durch dessen Gewebe wahrnehmen kann. Die Studienautoren weisen jedoch darauf hin, dass es weiterer Forschung bedarf, um ursächliche Faktoren und mögliche Unterschiede zwischen verschiedenen transplantierten Organen auszumachen.

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