Denkmalschutz soll „Waldeslust“ retten – Wirt spricht von „Unverschämtheit“

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. München Landkreis
  4. Unterhaching

Kommentare

In markantem Rot gestrichene Wirtschaft an der Münchner Straße in Unterhaching; die „Waldeslust“. Eigentümer Holger Müller schwebt, falls er keinen Nachfolger findet, ein „Plan B“ in Form von Wohnbebauung vor. © Martin Becker

Seit Jahren findet Gastronom Holger Müller keinen Nachfolger für die „Waldeslust“ in Unterhaching. Er will das Gebäude verkaufen, um Platz für ein Wohnhaus zu schaffen. Doch das Rathaus will die Pläne des Wirts und Eigentümers mit einem Kniff durchkreuzen.

Unterhaching - Wann es so weit ist? Diese Frage lässt Holger Müller offen. Seit 1992 betreibt der mittlerweile 57-Jährige die „Waldeslust“ in Unterhaching, eine Gastronomie mit über 100 Jahren Tradition. „Ich mache das gern, aber seit 32 Jahren eine 80-Stunden-Woche: Das zehrt an meinen Kräften.“ Also denkt Holger Müller allmählich an den Ruhestand, doch schon seit Jahren sucht und findet er keinen Nachfolger: „Wer kauft sich schon, wenn er nicht gerade Wiesnwirt ist, eine Arbeit für 2,7 Millionen Euro?“ Diesen Preis würde er gern erzielen für die „Waldeslust“ und das 1279 Quadratmeter große Grundstück. Für den Fall, dass ein Käufer in spe „mit Gastronomie nichts am Hut hat“, wünscht der 57-Jährige sich einen „Plan B“: Wohnungen statt Wirtschaft. Rein baurechtlich zulässig – aber jetzt haut der Unterhachinger Gemeinderat dazwischen: Mit dem Kniff „Denkmalschutz“ sollen Holger Müllers Ideen ausgebremst werden.

Gemeinde will die Gastronomie gerne erhalten

Neubau eines Einzelhauses und eines Dreispänners: Eine solche Bauvoranfrage hat der Gastronom gestellt für den Fall, dass der Käufer des Areals an der Ecke Gartenstraße/Münchner Straße die „Waldeslust“ nicht weiter betreiben mag. Weil, rein baurechtlich, nicht dagegen spricht, suchte der Ferienausschuss des Gemeinderats jetzt nach einem Schlupfloch, um einen Wirtschaft-zu-Wohnbau-Wechsel aufzuhalten. Max Heiland (Grüne) schlug vor, die „Waldeslust“ kurzerhand unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Schließlich sei in der nicht weit entfernten Karl-Mathes-Straße schon mal ein historisches Kaffeemühlenhaus verschwunden – diesen Fehler solle man kein zweites Mal machen.

Mal so, mal so – sie drehen es sich im Rathaus so, wie sie es gerade brauchen.

Die Idee mit dem Denkmalschutz fand im Ferienausschuss Zustimmung, und zwar einstimmig. „Sonst ginge ja wieder eine Gastronomie flöten“, sagte Sabine Schmierl (SPD). „An dieser Stelle gab es schon immer eine Lokalität“, verwies Bernard Maidment (FDP) auf die bis ins Jahr 1922 zurückreichenden Anfänge. Und Korbinian Rausch (CSU) bezeichnete „das Gastronomie-Sterben als hochgradig bedenkliche Entwicklung, irgendwann haben wir in Unterhaching 27 Lidls und 28 Aldis, aber keine Wirtschaft mehr“.

Prüfen, ob Denkmalschutz zum Tragen kommt

Und so stand am Ende der Beschluss der Kommunalpolitiker, Holger Müllers „Plan B“ unter den Vorbehalt des Denkmalschutzes zu stellen: Der neue Heimatpfleger Thomas Portenlänger solle diese Option zügig prüfen und, sofern sich passende Anhaltspunkte ergeben, beim Landratsamt und dem Landesamt für Denkmalpflege die entsprechenden Anträge stellen. „Den Gaststätten-Status über die Denkmalpflege zu konservieren, das wäre ein sehr harter Eingriff“, mahnte Rathaussprecher Simon Hötzl. Was die Kommunalpolitiker aber nicht davon abhielt, auf der Denkmalschutz-Lösung zu beharren. Schließlich habe die „Waldeslust“ eine lange Vorgeschichte: Schon 1922 baute Leonhard Sedlmeyr dort ein Bierstüberl mit Kiosk, nach dem Abriss errichtete er 1936 den jetzigen Bau und betrieb das Lokal als „Sedlmeyrs Waldwirtschaft“. Im nächsten Jahrhundert, unter Regie von Holger Müller, entwickelte sich die „Waldeslust“ zum beliebten Szene-Lokal, unter anderem gingen Fußballstars vom FC Bayern dort ein und aus.

Eigentümer ist entsetzt

Aber deshalb plötzlich „Denkmalschutz“? Als Holger Müller durch den Münchner Merkur von dieser Überlegung erfuhr, sagte er spontan: „Unverschämtheit!“ Er müsste ja nicht gleich verkaufen – aber falls das mal passieren sollte, möchte er dem Nachfolger „Planungssicherheit bieten“, sollte der kein Interesse an Gastronomie haben, „niemand soll die Katze im Sack kaufen müssen“. Und dass jetzt plötzlich der Denkmalschutz bemüht werde, findet der 57-Jährige sowieso seltsam: „Als ich vor über 30 Jahren hier anfing, gab es viel Gegenwind von der Nachbarschaft: zu laut, zu viele Autos. Als ich deshalb damals zum Bürgermeister ging, wurde mir gesagt, eigentlich wäre es der Gemeinde lieber, es gäbe dort keine Gaststätte. Und jetzt Denkmalschutz! Mal so, mal so – im Rathaus drehen sie es sich so, wie sie es gerade brauchen.“

Auch interessant

Kommentare