15 Euro Mindestlohn? Sozialverband widerspricht SPD-Kampfansage gegen Merz: „Bringt niemand etwas“
SPD und CDU streiten sich, wer über einen höheren Mindestlohn entscheidet. Der Sozialverband stellt sich nun gegen die SPD, fordert aber noch mehr öffentliche Debatte.
Berlin – Seit zehn Jahren gibt es in Deutschland den allgemeinen Mindestlohn – und seit zehn Jahren streiten Parteien und Interessenvertreter um dessen Höhe. Ist er zu niedrig, steigt das Armutsrisiko, argumentieren die einen. Ist er zu hoch, wird alles teurer und Unternehmen können nicht mehr wirtschaften, heißt es oft von anderer Seite. Die schwarz-rote Bald-Koalition hat sich (etwas halbherzig) zu einem Mindestlohn von 15 Euro bekannt. Doch über die genaue Höhe entscheidet eigentlich die Mindestlohnkommission. Die SPD droht nun aber mit politischem Eingreifen, wenn es nicht nach ihrem Willen läuft. Das passt der Union nicht und sogar der eigentlich SPD-nahe Sozialverband Deutschland (SoVD) stellt sich gegen die Kampfansage.
15 Euro Mindestlohn – nötiges Geld oder Fluch für Arbeitgeber?
Der Mindestlohn liegt seit Anfang des Jahres bei 12,82 Euro pro Stunde. Im Koalitionsvertrag verweisen CDU, CSU und SPD auf gute Löhne als Voraussetzung der Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft. „Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren“, heißt es im Regierungspapier. Und weiter: „Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“
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Die Parteien streben also 15 Euro an, die Formulierung lässt eine letzte Überzeugung aber vermissen. Besonders bei den Sozialdemokraten handelt es sich dabei um ein Kernthema, die Union könnte auch gute ohne die satte Erhöhung. Im Regierungspapier wird auf die Kommission verwiesen, in der Vertreter von Arbeitgebern, Arbeitnehmern sowie beratende Wissenschaftler sitzen. Die von der Bundesregierung alle fünf Jahre neu berufene Kommission ist an Weisungen von außen nicht gebunden und kann selbstständig Entscheidungen über die Höhe des Lohns fällen. Eigentlich.
SPD will in Eigenregie vorgehen – CDU macht nicht mit
Denn nun gab SPD-Generalsekretär Matthias Miersch in einer Kampfansage bekannt, notfalls durch gesetzgeberisches Eingreifen die 15 Euro durchzudrücken, falls die Kommission die Anhebung ablehnt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann reagierte prompt und schloss einen „politischen Mindestlohn“ aus. Kritik an der SPD-Offensive kommt nun sogar aus dem Lager, das einen höheren Mindestlohn unterstützt. SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier (frühere SPD-Bundestagsabgeordnete) hält den offen ausgetragenen Streit für schädlich. „Gut, dass die angehenden Koalitionäre sich zu einem höheren Mindestlohn grundsätzlich bekennen. Bei der aktuellen Debatte um die formale Umsetzung darf aber die dringende Notwendigkeit der Mindestlohnerhöhung nicht in Vergessenheit geraten“, mahnt Engelmeier gegenüber dieser Redaktion.

„Stattdessen sollten alle Akteure jetzt die guten Argumente öffentlich in die Debatte einbringen und so auch die Kommission überzeugen. Neben der Anhebung sind auch eine jährliche Überprüfung – statt wie bisher alle zwei Jahre – und eine strengere Überprüfung der Einhaltung ganz wesentliche Forderungen“, sagt die SoVD-Chefin. Ein politisches Eingreifen, wie von Miersch und der SPD gefordert, lehnt der Sozialverband also ab. „Jetzt über die Formalien zu diskutieren, bringt niemand etwas – vor allem nicht den Menschen im Niedriglohnsektor.“ Auch andere Interessenvertreter wie etwa der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sprachen sich gegen das politische Eingreifen an, während DIW-Präsident Fratzscher und andere dafür sind.
Sozialverband ermahnt Merz, Klingbeil und Co.
Wie die Auseinandersetzung ausgeht, ist noch völlig unklar. Dass die künftige Regierung schon vor dem Amtsantritt derart offen streitet, wirft kein gutes Licht auf den geplanten Start mit Friedrich Merz‘ Kanzlerwahl am 6. Mai. Derzeit scheint die CDU nicht willens, der SPD nachzugeben und, wie 2022 von der Ampel erstmalig durchgeführt, einer Mindestlohnerhöhung abseits der Kommissions-Empfehlung zuzustimmen.