Steigende Sozialabgaben: Handwerk droht für viele unerschwinglich zu werden
Steigende Sozialabgaben, steigende Preise: Das Handwerk fordert eine Sozialabgabenbremse. Sonst werden Handwerksarbeiten bald für viele unerschwinglich. Oder nur noch „schwarz unter Hand“ bezahlbar. Vor welchen teuren Herausforderungen das Handwerk steht.
München – Das Handwerk droht für breite Schichten unerschwinglich zu werden. Das Handwerk „ersticke“ unter den steigenden Sozialbeiträgen, sagte Handwerkspräsident Jörg Dittrich: „Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist mittlerweile auf rund 42 Prozent gestiegen.“ Dies bedeute eine deutliche Belastung für die personalintensiven Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten. Es sei nicht im Interesse der Gesellschaft, dass Handwerkerleistungen unbezahlbar werden und dadurch vom Markt verschwinden. Sozialsysteme müssten auch in Zukunft finanzierbar bleiben, sagte Dittrich: „Wir sehen ganz deutlich, dass insbesondere lohnintensive Bereiche unter einen größeren Schwarzarbeits-Druck geraten.“
Im Gegensatz zur Industrie machen die Lohnkosten in manchen Handwerksbetrieben bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten aus. Dort ist der Kostendruck besonders deutlich zu spüren, sagte Dittrich: „Die Kostenschübe, die über die Sozialsysteme, steigende Materialpreise und Bürokratiekosten auf das Handwerk einwirken, führen zu Preissteigerungen, bei denen sich eine Investition auch für Privatpersonen irgendwann nicht mehr rechnet oder nicht mehr finanzierbar ist.“
Die Produktivität im Handwerk steigt nicht im gleichen Maße wie die Kosten
Die Produktivität im Handwerk ist in den vergangenen Jahren nicht im gleichen Maße gestiegen, wie die Kosten für Löhne, Energie und Material. Wegen ihrer Standortgebundenheit können die Betriebe nicht ins Ausland ausweichen. Handwerkspräsident Dittrich kritisiert einen Fokus der Politik auf Großstrukturen und Industriepolitik. Kanzler und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz habe Betriebsräte von VW und anderen Konzernen eingeladen. „Auch im Handwerk sind im vergangenen Jahr rund 80 000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Das war aber offensichtlich nicht wichtig genug, um dies im Kanzleramt konkret zu besprechen: Wie wir das verhindern, wie wir diese Kapazitäten erhalten.“
Dittrich forderte eine Sozialabgabenbremse, um die Lohnzusatzkosten unter Kontrolle zu halten. Die Sozialabgaben müssen nach Ansicht des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks wieder auf die Marke von 40 Prozent gesenkt werden. Dabei müssten auch die Einnahmen berücksichtigt werden. „In Zeiten, in denen sich wirtschaftliche Geschäftsmodelle geändert haben, kann es nicht sein, dass die Finanzierung der Sozialsysteme unverändert und zu stark an den Lohn gekoppelt ist. Der gesellschaftliche Diskurs muss darauf hinauslaufen, dass alle sich ein Stück bewegen müssen“, sagte Diettrich.
Forderung nach einer mittelstandsorientierte Politik nach der Bundestagswahl
Der Handwerkspräsident äußert sich dazu, warum Handwerker oft nicht sagen, wann genau sie kommen und sich statt dessen Zeitfenster, etwa zwischen 8 und 16 Uhr, ausbitten. „Ob ein Problem mit Material, unerwartete Arbeiten oder Rückfragen vor Ort: Jeder Auftrag ist einzigartig. Diese Flexibilität ist die Stärke des Handwerks, macht genaue Zeitangaben aber bisweilen schwierig“, sagte Dittrich. Ungeachtet dessen müsse es aber eine Serviceorientierung geben. „Wenn der Preis steigt, dann muss ich als Handwerker alles daransetzen, Service und Leistung zu bringen, und mich fragen, was ich als Handwerker tun kann, um Verbindlichkeit und Verlässlichkeit zu erhöhen.“
Die neue Bundesregierung müsse den Mittelstand stärken, forderte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. „Europafeindliche Haltungen, die den Binnenmarkt und den internationalen Austausch gefährden, lehnen wir ab, da sie die Existenzgrundlage vieler Handwerksbetriebe bedrohen.“ Zu Vorschlägen der SPD und Grünen über staatliche Investitionszuschüsse sagte Dittrich: „Man kann Wettbewerbsfähigkeit nicht herbeisubventionieren. Wo sind die Vorschläge, um die Kostenschübe in den Sozialsystemen zu vermindern?“