Bayerns Grünen-Chef: Aiwanger steht für die Methode Trump

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„Wir haben einen faktenfreien Wahlkampf erlebt, einen Wahlkampf, der Bayern gespalten hat. Das kreide ich Markus Söder an. Er hat die Stimmung vergiftet“: Thomas von Sarnowski im Interview. © Stefan Rossmann

Thomas von Sarnowski (35) aus Ebersberg ist seit 2021 Parteivorsitzender der bayerischen Grünen. Im Januar möchte er sich erneut bewerben. Wir sprachen mit ihm über Enttäuschungen, Söder, Aiwanger, das Ampel-Tief und Fehler in der Klimaschutzpolitik des Landkreises.

Sie haben den Einzug in den Landtag bei der Wahl im Oktober zum zweiten Mal knapp verfehlt. Haben Sie die Enttäuschung schon verdaut?

Ich hätte gern im Landtag die Politik für Bayern mitgestaltet, mache das weiterhin als Landesvorsitzender mit voller Kraft und hoffe, das auch für weitere zwei Jahre tun zu dürfen. Die Demokratie braucht Menschen, die den Wählern ein Angebot machen. Ich für meine Person werde das gerne wiederholen.

Das heißt, Sie werden auch einen dritten Anlauf riskieren?

Das ist noch fünf Jahre hin, ich schließe es aber nicht aus.

Unter Ihrer Führung haben die bayerischen Grünen ein Landtagsergebnis eingefahren, das Sie sicherlich nicht glücklich macht. Zwar ist es das zweitbeste ihrer Geschichte, doch sind die Grünen nur noch viertstärkste Kraft im Landtag. War Söders Dauerangriff auf Ihre Partei erfolgreich?

Meiner Co-Vorsitzenden Eva Lettenbauer und mir ist es gelungen, dass sich die bayerischen Grünen auf einem neuen Plateau eingefunden haben. Wir waren ja lange Zeit in der Nische mit acht, neun Prozent. Wir sind jetzt konstant zweistellig und haben es auch geschafft, trotz viel Gegenwinds aus der Bundespolitik dieses Landtagswahlergebnis zu erzielen. Insgesamt würde ich mir für Bayern wünschen, dass wir über Bayern und seine Zukunftsaufgaben sprechen. Darüber, wie wir es schaffen, dass der Wohlstand hier bleibt, dass unsere Wirtschaft hier eine Perspektive hat, dass wir alle Menschen mit ins Boot holen und niemand hinten runterfällt. Wir haben einen faktenfreien Wahlkampf erlebt, einen Wahlkampf, der Bayern gespalten hat. Das kreide ich Markus Söder an. Er hat die Stimmung vergiftet.

Ende Januar findet in Lindau die Landesdelegiertenkonferenz statt. Sie wollen erneut für den Vorsitz kandidieren. Brauchen Sie den Job, weil’s mit dem Landtag nicht geklappt hat?

Ich bin mit Herz und Seele Politiker. Mir liegt Bayern am Herzen, deswegen möchte ich gerne in der Politik bleiben. Ich glaube, dass wir im Landesverband vieles richtig gemacht haben. Wir hatten ein irres Wachstum, sind jetzt über 20 000 Mitglieder. Das bietet mehr Möglichkeiten, vor Ort präsent zu sein. Wir haben viel Strukturarbeit geleistet und ein Fundament geschaffen, um spätestens ab 2028 auch in Bayern zu regieren.

Nennen Sie uns doch bitte drei Themenfelder, in denen die Grünen Ihrer Meinung nach in der vergangenen Legislaturperiode in Bayern gepunktet haben.

Wir haben die CSU immer wieder vor uns hertreiben können. Stichwort: Wasserprivatisierung. Auf einmal sollte das Grundwasser verscherbelt werden. Die Grünen konnten das stoppen. Zweites Beispiel: Wir haben das Handwerk nach vorne gestellt mit der kostenfreien Meisterausbildung, die CSU will’s jetzt endlich umsetzen. Drittes Beispiel: Über Berlin treiben wir hier in Bayern den Ausbau der sauberen, billigen Energie aus Wind und Sonne und damit den Klimaschutz endlich voran.

Nach der Wahl haben Sie alle demokratischen Parteien eingeladen, einen Notfallplan für die Demokratie zu erarbeiten – angesichts des starken AfD-Abschneidens. Wie weit ist dieser Plan gediehen? Man hört nichts mehr.

Es war eine Einladung der Landtagsfraktion, auf die es eine breite Resonanz aus der Gesellschaft gab, von Gewerkschaften, Verbänden und anderen mehr. Bei der Analyse ist man sich einig: Man will nicht, dass das Land noch weiter auseinanderdriftet. Aber wir müssen leider feststellen, dass manche Parteien in Bayern ganz gezielt zu Methoden der Politik greifen, die eher an Trump erinnern.

Sie sprechen von Parteien. Das Problem ist also größer als die AfD?

Alles, was wir von Hubert Aiwanger erlebt haben im vergangenen Jahr, ist die Methode Trump. Ich erinnere nur an die Flugblatt-Affäre und seine Erdinger Rede. Ich muss leider auch sagen, dass Teile der CSU sich darauf versteift haben, Grünen-Bashing zu begehen, faktenfrei. Die Grünen würden angeblich einen Gender-Zwang wollen, wir seien Insektenfresser – alles frei erfunden. Tatsächlichen haben die Grünen sogar gegen die Novel-Food-Verordnung der EU gestimmt, die Insekten im Essen zulässt – und die CSU dafür. Aber welche Vokabeln sind das, wie entmenschlichen die am Ende auch den Mitbewerber? Das ist eine Art des Aufhetzens, das ist der Versuch, eine negative Stimmung zu schüren, die ablenkt davon, was eigentlich die richtigen Antworten hier im Land wären.

Thomas von Sarnowski, hier im Gespräch mit den Redakteuren Josef Ametsbichler (li.) und Michael Acker (re.), will wieder für den Parteivorsitz kandidieren.
Thomas von Sarnowski, hier im Gespräch mit den Redakteuren Josef Ametsbichler (li.) und Michael Acker (re.), will wieder für den Parteivorsitz kandidieren. © Stefan Roßmann

Aiwanger hat Trump’sche Züge in Ihren Augen. Söder auch?

Söder hat im Flugblatt-Skandal die nichtssagenden, unglaubwürdigen Antworten Aiwangers auf seine 25 Fragen akzeptiert, damit hat er ihm den Ritterschlag gegeben. Er hat sich von Aiwanger vor sich hertreiben lassen, er hat sich an den FW-Chef gekettet und war am Ende derjenige, der im Flugblatt-Skandal nicht den richtigen Umgang gefunden hat. Das schadet der Glaubwürdigkeit des Kampfs der Staatsregierung gegen Antisemitismus bis heute massiv. Und die Hetze gegen uns kommt in der CSU auf Ansage von ganz oben – und immer wieder vom Ministerpärsidenten persönlich. Andererseits hat Söder in Erding bewiesen, dass er, wenn es darauf ankommt, doch die richtigen Worte gegen die AfD finden kann.

Die Ampel ist im Umfragetief und blickte wochenlang ins riesige Haushaltsloch. Bitte entkräftigen Sie diese Aussage mit zwei Sätzen: Die Ampel kann’s einfach nicht.

Wir haben gerade das Gegenteil bewiesen, denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte jede Koalition vor die Zerreißprobe gestellt. Wir haben uns geeinigt und sind handlungsfähig.

Wie können die Grünen damit leben, dass wegen des Haushaltslochs Förderungen einkassiert werden, die der Energiewende dienen? Beispiel Elektroautos oder Solaranlagen. Sind Sie als Partei noch glaubwürdig?

Vorweg: Wir stehen in Umfragen so gut da wie bei der vergangenen Bundestagswahl oder sogar besser. Unsere beiden Koalitionspartner trifft es härter. Politik ist die Suche nach Kompromissen, das ist in einer Dreier-Koalition schwieriger als in einer Zweier-Koalition. Da muss jeder am Ende auch was geben. Insgesamt haben wir Enormes auf den Weg gebracht. Wir können auch mit dem Haushaltskompromiss dafür sorgen, dass wir in die Transformation unserer Wirtschaft investieren, in den Hochlauf der erneuerbaren Energien. Die zentralen Klimaschutz-Elemente sind alle erhalten geblieben.

Kurzer Abstecher in die Kommunalpolitik, schließlich sind Sie ja auch Mitglied des Kreistags: Das Klimaziel des Landkreises Ebersberg, bis 2030 unabhängig von fossilen Brennstoffen zu sein, wird deutlich verfehlt. Sie können uns sicher sagen, wer hier versagt hat.

Es ist 17 Jahre her, dass sich der Landkreis Ebersberg dieses Ziel gegeben hat. Das klang immer sehr weit weg. Man hat die Klimakrise und das Umsteuern immer weiter nach hinten geschoben. Wir haben eine ganze Reihe auch gut hinbekommen. Ich nenne nur die Energieagentur mit all ihren Aufgaben, die bayernweit Vorbildcharakter hat, um die uns viele Landkreise beneiden. Da sind wir richtig gut aufgestellt. Sie bringt die Windenergie voran, bündelt den Solarausbau und berät die Menschen, wie sie Energie und Geld sparen können. Das reicht aber nicht.

Etwas konkreter bitte.

Wir haben zum Beispiel viele Schulgebäude die keine PV-Anlagen auf dem Dach haben. Das hat man einmal geprüft und gesagt, das lohnt sich nicht unter den damaligen Umständen. Dann hat man es zehn Jahre lang liegen lassen, bis wir Grünen wieder einen Antrag gestellt haben. Die Bereitschaft anzunehmen, dass die Klimakrise kommt, dass wir es aber noch in der Hand haben – das ist nicht von allen Parteien in gleicher Weise mitgetragen worden. Vielen Entscheidern war in der Vergangenheit ihre eigene Freiheit mehr wert als die Freiheit zukünftiger Generationen. Da müssen wir uns alle selber an die Nase fassen. Gleichzeitig glaube ich, dass wir Grüne immer die Vorreiter waren – gerade hier im Landkreis Ebersberg.

Wie hoch schätzen Sie die Bereitschaft für die Energiewende in der Bevölkerung ein?

Die grundsätzliche Bereitschaft, bei einer guten Klimapolitik mitzumachen, ist hoch. Das Tragische ist: Wenn sie erst einmal gemacht ist, wird die Akzeptanz noch viel höher.

Wie meinen Sie das?

Das erste Windrad des Landkreises in der Gemeinde Bruck hat die Akzeptanz von Windenergie massiv erhöht. Ich bin mir absolut sicher, dass die nächsten fünf Windräder die Akzeptanz nochmals deutlich erhöhen. Das heißt: Man muss erst einmal anfangen, dann geht es relativ schnell. Wir haben mit dem Anfangen zu lange gezögert.

Stichwort Brenner-Zulauf: In der Lokalpolitik hat sich ein sehr breites Bündnis gefunden, das sich auf die Seite des bestandsnahen Ausbaus geschlagen hat. Im Moment ist es da von politische Seite aus sehr still. Was ist passiert?

Die Bahn ist mit einem sachlichen und neutralen Verfahren an die Sache gegangen. Am Ende ist eine Trasse herausgekommen. Ich bin Fan solcher neutraler Verfahren. Trotzdem fand ich es sehr wichtig, als aus Teilen der Aßlinger Bevölkerung der Vorschlag kam, eine andere Trasse zu prüfen, die näher am Bestand liegt. Richtig war auch, dass wir als Kreistag die Bahn aufgefordert haben, diesen Vorschlag intensiv zu prüfen. Das hat sie getan – und ihn verworfen. Man muss den Menschen jetzt reinen Wein einschenken: Zum jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens kommt es darauf an, dass wir klare Verbesserungsforderungen an der Auswahltrasse der Bahn nach Berlin schicken.

Ein klares Bekenntnis zur Trasse „Limone“. Damit stehen Sie in der Kreispolitik ziemlich alleine da.

Ich habe mich persönlich nie auf eine Trasse festgelegt, weil ich das in so einem hochtechnischen Prozess falsch fand. Manche Parteien und manche Politiker haben sich sehr früh festgelegt . . .

. . . zum Beispiel die CSU-Spitze um Thomas Huber, Andreas Lenz und Robert Niedergesäß.

Ich werde nicht auf einzelne Namen eingehen. Ihre Leser haben das Thema ja aufmerksam verfolgt.

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