Die Kraft des Zuhörens: Momo erobert das Kleine Theater

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Eindrucksvolle Vorstellung: Helena Weckmann spielt Momo, die es mit den Grauen Herren (Ferdl Brunnenmayer, l., und Benedikt Ehrenberg) aufnimmt. © Thomas Sehr

Mit einem Mix aus Lesung, Theater und Schattenspiel bringt Tatjana Pokorny Michael Endes Momo auf die Bühne des Kleinen Theaters. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Vor allem Pokorny mit ihrer Stimme und ihre Tochter Helena Weckmann als Momo überzeugen.

Garmisch-Partenkirchen – Wo Momo hergekommen ist, weiß kein Mensch, womöglich nicht einmal sie selbst. Eines Tages war sie mit ihrem wilden Haarschopf, dem geflickten Rock, der übergroßen Jacke und den immer offenen Ohren für ihre Freunde einfach da. „Was sie konnte, wie kein anderer, war Zuhören.“ Mit ihrer ausdrucksstarken Stimme liest Tatjana Pokorny den Märchen-Roman von Michael Ende vor. Wobei, eigentlich spielt sie das, was der weltberühmte Autor vor 50 Jahren zu Papier gebracht hat. Sie lebt die Geschichte, interagiert mit Momo, die ihre Tochter Helena Weckmann sehr überzeugend spielt. Sie übernimmt die Rollen der Grauen Herren, die den Menschen die Zeit stehlen und die im Kleinen Theater als Schattenfiguren erscheinen. Man könnte ihr ewig zuhören. In ihrer Stimme versinken und sich das ganze Buch des Garmisch-Partenkirchner Autors vortragen lassen.

Ein Autor mit erschreckendem Weitblick

Mit ihrer „Phantasiereise mit Momo“, die am Tag von Endes 94. Geburtstag Premiere feierte, hat Pokorny erreicht, dass man das Werk sofort wieder aus dem Regal nehmen und zum wiederholten Mal lesen möchte. Genau daran lag der Regisseurin und Schauspielerin, schließlich ändert sich die Sicht auf die Geschichte mit zunehmendem Alter. Als Kind fasziniert einen, dass ein Mädchen die Welt rettet. Als Erwachsener begreift man, mit welch erschreckendem Weitblick Michael Ende diese Geschichte verfasst hat. 1973 schrieb er von Zeitdieben, die dafür sorgen, dass zwischenmenschliche Kontakte, Spielen oder Vorlesen mit den Kindern, Streicheleinheiten für ein Haustier und vieles mehr auf der Strecke bleiben. Heute, 50 Jahre später, ist die Menschheit umzingelt von Zeitdieben – und lässt diese in vielen Fällen gewähren. „Mich hat die Geschichte immer etwas traurig gemacht“, sagt Pokorny. „Ich habe schon immer gemerkt, wie realistisch sie ist und dass es noch schlimmer wird.“

Eine Frau sitzt an einem Tisch.
Mit ihrer ausdrucksstarken Stimme erweckt Tatjana Pokorny die Geschichte von Momo zu Leben. © Thomas Sehr

Das merkt auch ihre Momo, die sich auf einem Platz umzingelt von Grauen Herren wiederfindet – und voll in die Geschichte eintaucht. Helena Weckmann ist mit ihrer dunklen Lockenperücke und dem Flickenrock, mit der Schildkröte Kassiopeia, die sie im Arm hält, zu dem Mädchen geworden, das es mit den Zeitdieben aufnimmt. Mit Tränen in den Augen lauscht sie den Plänen der Agenten der Zeitsparkasse und gibt nicht klein bei.

Verbindung zwischen Michael Ende und seinem Geburtsort

Für ihre überzeugende Darbietung ernten sie, ihre Mutter, ihre Schwester Lilian Weckmann, die als Bibigirl und Grauer Herr zu sehen ist, ihr Großvater Rainer Pokorny (Meister Hora) sowie Benedikt Ehrenberg (Gigi Fremdenführer und Grauer Herr), und Ferdl Brunnenmayer (Beppo Straßenkehrer, Herr Fusi und Grauer Herr) viel wohlverdienten Applaus. Ein geschickter Schachzug der Regisseurin, um die Verbindung zwischen dem Autor und seinem Geburtsort zu untermauern, sind die Bilder aus dem Michael-Ende-Kurpark. Perfekt, dass sich auch dort ein Amphitheater findet, in das Momo gerne einzieht. Hier trifft sie ihre Freunde, hört ihnen zu. Und hier enttarnt sie auch den Grauen Herren, der ihr mit Bibigirl, der perfekten Puppe, einen Ersatz für ihre Freunde bringt. „Hat Dich denn niemand lieb?“, fragt Momo den Agenten, der daraufhin seine Maske fallen lässt und verrät, was die Zeitdiebe vorhaben. „Sie haben uns die Geschichte wunderbar näher gebracht“, betont Kulturbeirat Helmut Kröll, der frühere Leiter der Musikschule, stellvertretend für die Marktgemeinde. „Michael Ende wäre mit Euch zufrieden gewesen.“

Eine weitere Vorstellung

steht nach Heiligabend auf dem Spielplan. Genauere Informationen gibt’s zeitnah unter kleinestheater.de

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