7 von 10 Eltern sind „ausgebrannt“ - Eltern-Burnout: „Bei meiner ersten Panikattacke dachte ich, ich muss sterben“
Hatten Sie eine andere Aufteilung bezüglich Care-Arbeit mit Ihrem Partner besprochen?
Panknin: Ja, mein Partner wollte nach der Geburt seine Arbeitsstunden reduzieren, doch sein Arbeitgeber lehnte das ab. Auch Homeoffice wurde ihm erst erlaubt, als die Pandemie einsetzte. Wir hatten trotzdem das Gefühl, wir schaffen das schon irgendwie. Dass er sich einen neuen Job suchen könnte, der familienfreundlicher ist, darauf kamen wir damals gar nicht. Ich selbst bot ihm zudem an, die Nachtschichten zu übernehmen, während ich zuhause war. Dass ich auch mal Schlaf gebraucht hätte, um die anstrengenden Tage mit dem Baby zu überstehen, blendeten wir beide komplett aus.
Als ich wieder anfing zu arbeiten, hatten wir das Glück, dass die Kitas in unserer Region offen blieben. Irgendwie war jedoch von Anfang an klar, dass ich die Kleine jeweils vor der Arbeit hinbringen und später wieder abholen würde. Auch das hinterfragten wir nicht. Deshalb kann ich ihm nicht allein die Schuld dafür geben.
Wie meinen Sie das?
Panknin: Ich hatte das Gefühl, das macht man als Mutter eben so. Man kümmert sich um alles, was mit dem Kind zu tun hat, weil man die Hauptbezugsperson für das Baby ist. Heute weiß ich, dass das Quatsch ist und Kinder zu ihren Vätern – und auch zu jeder anderen Person, die viel Zeit mit ihnen verbringt – eine genauso enge Bindung aufbauen können wie zu ihren Müttern. Damals wusste ich das nicht und war stärker von traditionellen Rollenbildern geprägt, als mir bewusst war.
Wann haben Sie zum ersten Mal gedacht: Das geht kräftetechnisch nicht mehr lange gut?
Panknin: Eigentlich nie. Ich war schon immer ein Duracell-Hase mit viel Energie, der gefühlt alles schaffen und möglich machen kann. Meine Mutter war alleinerziehend, ich habe früh angefangen zu arbeiten. Teilweise hatte ich drei Jobs gleichzeitig. Aber das war okay, ich habe immer gerne gearbeitet. Dass ich wegen eines Babys in die Knie gehen könnte, war für mich unvorstellbar. Das erste Anzeichen, dass das alles vielleicht doch ein bisschen zu viel ist, war dann aber meine erste Panikattacke.
Wie hat sich die Panikattacke konkret geäußert?
Panknin: Ich war im Büro und hatte auf einmal das Gefühl, mir sitzt ein Elefant auf der Brust. Mein Puls fing an zu rasen, ich bin hyperventilierend auf die Toilette gerannt und brach dort in Tränen aus. Ich dachte, ich habe einen Herzinfarkt und müsse sterben. Da ich vorher noch nie psychische Probleme hatte, hatte ich keine Ahnung, was da gerade mit mir passiert.
Sie konnten Ihre Symptome also zunächst nicht benennen – und sind dann erstmal nachhause?
Panknin: Nein, soweit war ich damals noch lange nicht (lacht). Als es wieder einigermaßen ging, habe ich mir die verschmierte Wimperntusche weggewischt und bin ins nächste Meeting gelaufen, als wäre nichts passiert. Später habe ich die Symptome gegoogelt und festgestellt, dass das wohl eine Panikattacke war. Ich dachte: Gut, dann suche ich mir jetzt eine Therapeutin, mache eine Gesprächstherapie und dann passt das schon wieder.
Wie ging es dann weiter?
Panknin: Es hat erstmal gedauert, bis ich einen Therapieplatz gefunden habe. Ungefähr vier oder fünf Monate sind bis zu meinem ersten Termin vergangen, in denen ich neben diversen Panikattacken auch schwere Schlafstörungen entwickelt habe.
Schlafstörungen gehören zu den häufigsten Anzeichen eines Burnouts.
Panknin: Das stimmt, damals habe ich allerdings immer noch versucht, meine Symptome zu verdrängen. Durch meine Kleine war Schlafen ja ohnehin schon schwierig, also schob ich es darauf. Wenn sie endlich mal schlief, hat mich jedoch mein Kopf wach gehalten. Teilweise bin ich aus purer Erschöpfung zwar eingeschlafen, meist kurz darauf aber mit Herzrasen und To-Do-Listen im Kopf schon wieder aufgewacht. Irgendwann hatte ich Post-it-Zettel direkt neben dem Bett, um nachts nicht aufstehen zu müssen, mir aber Dinge notieren zu können, die ich nicht vergessen durfte.
Ebenfalls ein typisches Zeichen von Überlastung. Krankschreiben lassen wollten Sie sich zu diesem Zeitpunkt dennoch noch nicht.
Panknin: Nein, ich dachte, ich müsse für meine Tochter und auch für mein Team in der Arbeit weiter funktionieren und dass das nur eine Phase sei, die irgendwann wieder besser werden würde. Außerdem hatte ich Angst, meinen Job zu verlieren, weil ich mich in dieser Zeit auch vom Vater meiner Tochter getrennt hatte und ausgezogen war. Ich war also auf meinen Lohn angewiesen. Dass eine Pause unvermeidbar war, habe ich erst zwei Monate später verstanden.
Können Sie diesen Aha-Moment genauer beschreiben?
Panknin: Es war in einem Meeting im Büro, das länger ging als geplant. Ich wusste, ich schaffe es nicht mehr pünktlich in die Kita, wenn ich jetzt nicht losfahre. Als ich auf die Uhr sah, schnürte sich mein Hals zu, ich entschuldigte mich, rannte aus dem Gebäude und brach auf dem Weg zum Auto zusammen. Von da an habe ich nur noch geweint, meinen Ex-Partner angerufen und ihm gesagt, dass ich nicht mehr könne und er die Kleine abholen müsse. Das war’s dann. Danach habe ich nur noch geweint, selbst im Schlaf, ich wusste vorher gar nicht, dass das geht. Am nächsten Morgen habe ich meinen Chef angerufen, immer noch weinend, und mich auf unbestimmte Zeit krankgemeldet.
Wie haben Ihr Chef und Ihr Team reagiert?
Panknin: Sehr verständnisvoll, wofür ich rückblickend sehr dankbar war. Dennoch habe ich mich damals krass geschämt, hatte Schuldgefühle und Angst, ab jetzt als „die mit dem Knacks“ abgestempelt zu sein.
Wann hat das Weinen dann aufgehört, wann ging es Ihnen zum ersten Mal besser?
Panknin: Als ich zwei Wochen nach dem Zusammenbruch entschieden habe, zu kündigen. Meine Therapeutin riet mir zwar vehement davon ab, weil sie meinte, solche gravierenden Entscheidungen sollte man nicht in einer akuten Erschöpfungsdepression treffen, was ein Burnout ja ist. Mir war aber klar, dass ich nicht gesund werden würde, wenn ich permanent Angst habe, zurück in meinen alten Job zu müssen. Ich hatte zähneknirschend eingesehen, dass meine Karriere mit einem Kleinkind auch im Jahr 2022 noch nicht vereinbar ist.
Was hat Ihnen neben der Kündigung geholfen, wieder Kraft zu finden?
Panknin: Anfangs vor allem endlich wieder Zeit für mich, meine Bedürfnisse und genügend Schlaf zu haben, sowie die ehrlichen und wertfreien Gespräche in der Therapie und mit ausgewählten Freundinnen. Das reichte aber nicht. Während einer Depression gibt es helle und dunkle Phasen. Während ich mich nach meiner Kündigung eine Zeit lang sehr viel besser fühlte, fiel ich ein halbes Jahr nach meiner Krankschreibung in ein sehr dunkles Loch. Weil mir plötzlich bewusst wurde, dass ich keine Ahnung hatte, wie es weitergehen soll.
In dieser Zeit konnte ich kaum aus dem Bett aufstehen, nichts machte mir noch Freude. Ich hatte das Gefühl, da nie wieder rauszukommen, weshalb ich mich irgendwann fragte, ob ich so weiterleben möchte. Diese Gedanken machten mir Angst, also besprach ich sie mit meiner Therapeutin. Sie sagte mir, dass diese Gedanken ein relativ häufiges Symptom einer Depression seien, man dieses aber ernst nehmen müsse. Deshalb entschieden wir gemeinsam, dass ich mich stationär in eine Burnout-Klinik einweisen lasse, um mich voll auf meine Heilung konzentrieren zu können.
Wie sehr hat Ihnen die Burnout-Klinik dabei geholfen?
Der Aufenthalt dort war die beste Entscheidung meines Lebens. Schritt für Schritt verstand ich, warum mir das alles passiert ist und wie ich mich in Zukunft davor schützen kann. Beim Austritt nach drei Monaten ging es mir viel besser – auch körperlich. Denn die Stresshormone in meinem Körper haben auch massive körperliche Symptome ausgelöst, die ich jedoch lange nicht mit Stress in Verbindung gebracht habe. Meine Schulter war zum Beispiel so stark entzündet, dass ich vor meinem Aufenthalt in der Burnout-Klinik noch operiert werden musste.
Dieses Zusammenbringen verschiedener Symptome, die oft erst im Kollektiv ein klares Bild ergeben, beschreiben viele Burnout-Betroffene als herausfordernd. Ist das auch der Grund, warum Sie jetzt öffentlich über Ihre Erfahrungen sprechen?
Panknin: Unter anderem, ja. Ich bin nicht sicher, ob mein eigener Burnout durch bessere Aufklärung hätte verhindert werden können, weil ich so gefangen war in meinem Hamsterrad. Ich bin aber überzeugt, dass wir offener über das Ganze sprechen müssen, damit es zumindest die Chance gibt, dass mehr Menschen die Notbremse früher ziehen können. Und damit sich die, die abstürzen, nicht komplett alleine und schuldig fühlen.
Wenn Menschen dieses Interview lesen und sich in Ihren Schilderungen wiederfinden: Was raten Sie Ihnen? Was sind aus Ihrer Erfahrung konkrete Anzeichen, dass es Zeit zumindest für eine Pause sein könnte?
Panknin: Schiebt die Symptome nicht weg, sondern hört hin. Sie sind Alarmsignale des Körpers, die uns vor noch Schlimmerem warnen sollen. Es ist wichtig, zu reagieren. Sich also aktiv um Entlastung zu bemühen, zum Beispiel indem man offen mit dem Umfeld darüber spricht und Hilfe annimmt und einfordert. Auch im Job. Wer bereits ständig krank wird und/oder länger als drei Monate Schlafstörungen, Freudlosigkeit, Verzweiflung, Angst spürt oder schon Panikattacken erlebt oder Zwänge an sich bemerkt, dem möchte ich ans Herz legen, sich schnellstens professionelle Hilfe zu suchen.
Denn das „Gute“ an einem Burnout ist ja, dass er nicht von heute auf morgen kommt, es ist ein schleichender Prozess. Wer früh genug reagiert, kann oft schon mit wenigen Änderungen im Alltag wirksam gegensteuern u nd den Komplettausfall verhindern, dessen Heilung – wie bei mir – sonst Monate oder sogar Jahre dauern kann.