„Größte Rede ihres Lebens“ – Kamala Harris spricht am Donnerstag auf Demokraten-Parteitag
Vor der designierten Präsidentschaftskandidatin sprachen bereits Präsident Biden, die Obamas und Vize Tim Walz. Harris sei die Zukunft von Partei und Land – überzeugt das die USA?
Chicago – Es werde wohl, die „größte Rede ihres Lebens“, titelte die New York Times über die für Donnerstagabend (Ortszeit) angesetzte Rede von US-Vizepräsidentin Kamala Harris beim Parteitag der Demokraten in Chicago. Harris‘ Rede markiert den Abschluss des Parteitages, auf dem die Demokraten Einigkeit demonstrierten.
Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz sprach Mittwochabend, Michelle und Barack Obama am Dienstag und der scheidende US-Präsident Joe Biden am Montag. Ein Rückblick auf den Parteitag und eine Vorausschau, was von Harris Nominierungsrede zu erwarten ist.

„Die besten Tage liegen vor uns“ – Joe Biden verlässt Parteitag vor Harris-Rede
Typisch für Parteitage in den USA sprachen die Granden der Partei für Harris Kandidatur aus, eine Inszenierung, die sich hauptsächlich an die eigene Basis richten dürfte. Vorneweg am Montag US-Präsident Biden, der, so kommentierte die NYT, „für die Vergangenheit der Partei“ stehe: „Die Wahl von Kamala war die allererste Entscheidung, die ich getroffen habe, als ich Kandidat wurde. Es war die beste Entscheidung, die ich in meiner gesamten Karriere getroffen habe“, sagte Biden.

Den Tausenden Delegierten im Saal rief Biden zu: „Seid ihr bereit, Kamala Harris und Tim Walz zu wählen?“ Er betonte: „Die besten Tage liegen nicht hinter uns, sondern vor uns.“ Seine Rede wurde immer wieder von Jubel unterbrochen. Biden verließ den Parteitag nach der Rede.
Barack und Michelle Obama loben „unglaubliche Energie“ vor Harris-Rede am Parteitag
Darauf folgten am Dienstag die Obamas, die sich im besten Babyboomer-Alter, als die „Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft“ inszenierten, wie die Zeitung schrieb. Mit dem Wahlkampfslogan „Yes, she can!“, rief Ex-Präsident Barack Obama den Delegierten eine Abwandlung seines Wahlkampfslogans, der seine Partei im Wahlkampf 2008 euphorisierte. Er kandidierte damals unter dem Motto „Yes, we can!“. Michelle Obama lobte Harris als „eine der qualifiziertesten Personen, die jemals das Präsidentenamt angestrebt haben“.
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Michelle und Barack Obama mahnten ihre Partei später jedoch, dass bei aller Euphorie im Wahlkampf noch harte Arbeit bevorstehe. Es gebe weiterhin viele Leute im Land, die Harris für jede ihrer Handlungen kritisierten, „Lügen“ über sie verbreiteten und nicht für eine Frau stimmen wollten, sagte die frühere First Lady. Barack Obama sagte: „Täuscht Euch nicht: Dies wird ein Kampf.“ Bei all der „unglaublichen Energie“, die in den vergangenen Wochen in der Partei entstanden sei, werde die Wahl zu einem „engen Rennen in einem scharf gespaltenen Land“ werden.
„Coach“ Tim Walz stimmt Demokraten auf Harris-Rede ein
In diesen Ton stimmte Harris-Vize Tim Walz, Gouverneur von Minnesota, am Mittwochabend ein: „Wir haben 76 Tage, das ist nichts. Zeit zum Schlafen werden wir haben, wenn wir tot sind“, sagte der Gouverneur am Mittwochabend (Ortszeit) beim Parteitag in Chicago. Die Vizekandidatur sei die „Ehre seines Lebens“, sagte Walz. . Mit seiner bodenständigen und schlagfertigen Art hat der frühere Lehrer, Football-Trainer, Nationalgardist und Kongressabgeordnete aber bereits viel Begeisterung in der Partei ausgelöst – ein Enthusiasmus, den er in Chicago weiter anfachte.

„Coach Walz!“ wurde der 60-Jährige von der Menge unter Bezug auf seine frühere Trainer-Tätigkeit an einer High School angefeuert. Walz setzte in seiner 15-minütigen Ansprache auch die Sprache des American Football ein. Über den Wahlkampf gegen den Republikaner Donald Trump sagte er: „Wir liegen ein Field Goal zurück. Aber wir sind in der Offensive, und wir haben den Ball. Und, jawohl, wir haben das richtige Team.“ Walz verwendete einen Großteil seiner Rede darauf, Harris anzupreisen.
Geht Harris auf Trumps Lügen ein? So könnte ihre Rede aussehen
Unterdessen setzte Trump seine wütenden Attacken auf Harris fort. Bei einem Auftritt im Bundesstaat North Carolina nannte er sie die „radikalste linksgerichtete Person“, die je für das US-Präsidentenamt kandidiert habe.
Inwieweit Harris auf Trumps auf Lügen aufgebaute Provokationen eingehen wird, ist eine der großen Fragen, die über ihrer anstehenden Rede schwebt. Harris Rede werde aus ihrer Lebensgeschichte, der Darstellung der Wahl als ein Duell zwischen Zukunft und Vergangenheit und einem Appell an den Patriotismus der US-Bürger bestehen, so zitierte die NYT mehrere Quellen aus dem Umfeld der Vizepräsidentin. Ziel der Rede, so der Bericht, sei es, sich zwar von Trump abzugrenzen, das allerdings mit eigenen Botschaften zu verknüpfen. Im Kern, werde sie versuchen, sich als Zukunft der Partei und des Landes zu präsentieren.
Demokraten wollen patriotische Bilder von Harris-Rede
Es sei zu erwarten, dass Harris ausführlich auf ihre Vergangenheit als Staatsanwältin eingehen werde. Einer von Harris ersten Kampagnen-Werbespots als designierte Präsidentschaftskandidatin zielte auf den Gegensatz zwischen ihr als erfahrener Strafverfolgerin und Trump als verurteilten Straftäter ab. Trump als die Vergangenheit der USA darzustellen, sollte angesichts seiner teils erratischen Amtsführung in seiner ersten Präsidentschaft und der Tatsache, dass er ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurde, nicht schwerfallen.
Mit mehr Aufwand scheinen die Demokraten offenbar den letzten Teil der Rede zu inszenieren. Seit Tagen seien Schilder mit der Aufschrift „USA“ an die Delegierten ausgegeben worden, um die entsprechenden Jubelbilder zu produzieren. Harris, so die Quellen aus ihrem Stab, habe sich wochenlang auf diese Rede vorbereitet und sie mehrfach vor Teleprompter geprobt. Die Rede stamme demnach aus der Feder von Barack Obamas ehemaligen Redenschreiber Adam Frankel. Der schaffte es bereits 2008, Obama die Rolle im politischen Spagat zwischen US-Patriotismus und Weltoffenheit auf den Leib zu schreiben.
Applaus für Geisel-Eltern: Ein Friedensangebot vom linken Rand der Demokraten?
Inwieweit die Parteitagsinszenierung der Demokraten wirkt, werden frühestens die Umfragen im Laufe des Augusts zeigen. Am linken Rand der Parteibasis rumort es, wegen der Nahost-Politik der Biden-Regierung. Am Rande des Parteitags wurde deshalb demonstriert.
Eine Wortführerin dieses Parteiflügels, die Abgeordnete Ilhan Omar aus Minnesota, applaudierte allerdings den Eltern der israelischen Geisel Hersh Goldberg-Polin, als diese auf dem Parteitag einen Deal zur Rettung ihres Sohnes, der übrigen Geiseln und der palästinensischen Zivilbevölkerung forderten, berichtete die Washington Post. Eventuell gehen die Demokraten also geeinter aus dem Parteitag als sie ihn begonnen haben. Für Harris wäre es sicherlich einfacher im anstehenden Wahlkampf, wenn sie nicht aller Ortens von Protestierenden aus ihrem eigenen Lager empfangen wird. (kb mit dpa/afp)