Linnemann gerupft, Merz gelackmeiert? Neues Kabinett enthält große SPD-Überraschung

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Überraschung im neuen Kabinett von Friedrich Merz: Klingbeils SPD triumphiert mit wichtigen Ministern, während die Union Zugeständnisse macht.

Berlin – Der Koalitionsvertrag steht. Diese Ankündigung von Friedrich Merz, dem designierten Kanzler, und SPD-Chef Lars Klingbeil dominiert derzeit die Schlagzeilen in Deutschland. Am Mittwoch (9. April) war den führenden Köpfen der Parteien, darunter auch Markus Söder und Saskia Esken, die Erleichterung über die Einigung auf eine neue Regierung anzusehen.

Doch könnte die Union und ihre Anhänger bald ein böses Erwachen erleben? Die SPD sicherte sich nämlich überraschend nicht nur sechs, sondern sogar sieben Ministerien, genauso viele wie die Union, die „nur“ das Kanzleramt obendrauf erhält.

Merz macht Kompromisse im Kabinett: Wie konnte SPD sieben Ministerien erobern?

Ist die SPD also der große Gewinner im neuen Merz-Kabinett? In der neuen Regierung übernimmt die SPD jedenfalls mehrere bedeutende Ressorts: Mit dem Finanzministerium kontrolliert sie den Bundeshaushalt, das Arbeits- und Sozialministerium ermöglicht ihr Einfluss auf den Arbeitsmarkt und das Bürgergeld, und das Justizministerium kann theoretisch Vorhaben blockieren. Zudem erhält die SPD das Bau- und das Verteidigungsministerium.

Klingbeil und Esken haben für die SPD mehr Ministerien ausgehandelt, als das Wahlergebnis vermuten ließ: Die Sozialdemokraten erzielten bei der Wahl nur 16,5 Prozent, während die Union mit 28,5 Prozent klarer Wahlsieger war. Diese Verteilung spiegelt sich jetzt jedoch kaum in der Ministerienaufteilung wider. Konkret sieht sie so aus:

  • Die CDU wird den Chef des Bundeskanzleramts stellen sowie die Minister und Ministerinnen für Wirtschaft, Außen, Gesundheit, Verkehr, Bildung und Digitalisierung.
  • Die SPD soll die Ministerien für Finanzen, Arbeit und Soziales, Justiz, Verteidigung, Wohnen und Bau, Umwelt und Entwicklungshilfe bekommen.
  • Die CSU konnte die Minister und Ministerinnen für Innen, Landwirtschaft und Forschung für sich rausverhandeln.

Hat Merz sich also bei den Verhandlungen von Klingbeil über den Tisch ziehen lassen? Im Bild-Podcast „Ronzheimer“ äußerte Table Media-Chefredakteur Michael Bröker, dass Merz unter enormem Druck stand, schnell eine neue Regierung zu bilden. „Er will endlich Europa zeigen, dass er da ist, dass Deutschland zurück ist, und dafür hat er viel geopfert“, analysierte der Journalist.

Fast gleich viele Ministerien trotz schlechtem Wahlergebnis: Die SPD steht als Gewinner der Verteilung der Ressorts da. © Michael Kappeler/dpa (Montage)

Merz-Regierung: Schmerzhafter Verzicht der CDU auf den Arbeitsminister

Besonders schmerzhaft für die CDU ist der Verzicht auf das Arbeitsministerium. Carsten Linnemann, Merz‘ loyaler Generalsekretär, hatte gehofft, ein bedeutendes Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zu leiten. Laut Table Media hätte Linnemann sogar das Arbeitsministerium dem Wirtschaftsministerium vorgezogen, da er ein entschiedener Kritiker des Bürgergelds ist und eine Reform eigenständig umsetzen wollte.

Nun bleibt Linnemann „nur“ der Posten des Wirtschaftsministers, ohne das wichtige Arbeitsressort. Merz legte offenbar mehr Wert darauf, dass die CDU nach 60 Jahren wieder den Außenminister stellt. Die Außen- und Europapolitik sind die bevorzugten Themen des künftigen Kanzlers, der zehn Jahre lang die Atlantik-Brücke leitete. „Dafür hat er die Wirtschaftswende de facto geopfert“, so das Urteil von Michael Bröker.

SPD muss von ihr beschlossenes Bürgergeld nun im Merz-Kabinett wieder abschaffen

Die Union wurde jedoch auch vor allem wegen ihrer Kompetenz in Arbeitsmarktfragen gewählt. Doch nun wird erneut ein SPD-Politiker das Arbeitsministerium leiten. Im Gespräch sind der amtierende Arbeitsminister Hubertus Heil und Bärbel Bas.

Ein SPD-Politiker wird künftig auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Bürgergelds umsetzen müssen. Die SPD, die das Bürgergeld ursprünglich in der Ampel-Koalition eingeführt hat, steht nun vor der Aufgabe, es wieder abzuschaffen. Konflikte zwischen Union und SPD scheinen vorprogrammiert.

Kommentar der SPD zum Koalitionsvertrag deutet auf Spannungen mit Merz hin

Ein Kommentar von SPD-Generalsekretär Matthias Miersch im ARD-Morgenmagazin am Donnerstag deutet auf mögliche Spannungen hin: Ein Koalitionsvertrag sei „nicht die Bibel und auch kein Gesetz“, sondern „Absichtserklärungen“. Auch Ricarda Lang von den Grünen sieht in einem Interview mit dem Tagesspiegel die Gefahr, dass der Dauerstreit der Ampel-Koalition in der neuen schwarz-roten Regierung weitergeht. Sie erkennt im Koalitionsvertrag „Formelkompromisse, wie sie die Ampel nicht schlimmer hätte formulieren können“.

Auch das Thema Mindestlohn birgt Konfliktpotenzial. Bereits einen Tag nach der Einigung auf den Koalitionsvertrag wurden unterschiedliche Interpretationen zwischen Union und SPD deutlich: Jens Spahn, Vize-Unionsfraktionsvorsitzender, zweifelte am Donnerstag, dem 10. April, an der Aussage im Koalitionsvertrag, dass ein Mindestlohn von 15 Euro bis 2026 erreichbar sei.

Beim Prestigeprojekt der CSU, der Mütterrente, ist die SPD ebenfalls skeptisch: SPD-Generalsekretär Matthias Miersch erklärte gegenüber Politico, dass deren Umsetzung vom „Finanzierungsvorbehalt“ abhänge. Dieser „Finanzierungsvorbehalt“ wurde von Merz und Klingbeil in den Koalitionsvertrag aufgenommen und bedeutet, dass geplante Vorhaben nur umgesetzt werden, wenn sie finanzierbar sind. (smu)

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