"Schallende Ohrfeige für die Ampelkoalition"

Die Unklarheit über die Haushaltslage belastet die deutsche Wirtschaft. In verschiedenen Branchen macht sich Unsicherheit darüber breit, wie es jetzt weitergehen kann.

Der Paukenschlag des Karlsruher Haushaltsurteils hallt nach: Die deutsche Wirtschaft bangt um zugesicherte Staatshilfen, aber auch um das Vertrauen in den Standort Deutschland insgesamt.

"Die deutsche Industrie sieht die aktuelle politische Lage mit größter Sorge. Die zahlreichen offenen Fragen infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verunsichern Unternehmerinnen und Unternehmer in einer ohnehin schwierigen wirtschaftlichen und globalen Situation extrem", so der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm.

"Die Bundesregierung muss jetzt rasch Klarheit über den tatsächlichen Umfang der finanziellen Folgen des Urteils schaffen", fordert Russwurm. Diese Unsicherheit könne sonst dazu führen, dass wichtige Investitionsentscheidungen aufgeschoben würden oder sich Unternehmen gänzlich gegen den Standort Deutschland entschieden.

Konkret könnten Unsicherheiten abgebaut werden, wenn Unternehmen, die sich auf Unterstützung aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) eingestellt hatten, Sicherheiten bekämen, sagt der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian. "Unternehmen, denen eine Förderung fest zugesagt oder auch politisch in Aussicht gestellt worden ist, sollten sich darauf verlassen können, die zugesagten Mittel auch zu erhalten. Ansonsten wäre der Schaden immens", so Adrian zu den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Wirtschaftsrat: "Schallende Ohrfeige für Ampelkoalition"

"Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine schallende Ohrfeige für die Ampelkoalition", sagt Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, zu t-online. Doch er sieht darin auch eine Chance, denn die Schuldenbremse zeige auf, an welchen Stellen unnötige Ausgaben getätigt würden.

 
 
 
 
 
 
 

"Ganz konkret fordern wir das Aussetzen der zum Jahreswechsel geplanten Anhebung des Bürgergeldes um zwölf Prozent und die Überprüfung der Arbeitsbereitschaft der erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger durch gemeinnützige Tätigkeiten", so Steiger. Weiteres Sparpotenzial sieht er bei der Kindergrundsicherung. Aber auch Kostenpunkte in der Entwicklungshilfe oder der Neubau des Kanzleramtes sollten nun hinterfragt werden. "Letztere spart zwar 'nur‘ eine knappe Milliarde Euro ein, wäre aber zumindest ein deutliches Zeichen, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage begriffen hat."

Auch bei der Rente könne der Rotstift angesetzt werden, auch wenn das eine unbeliebte Maßnahme wäre. "Dickstes Brett wäre die Rücknahme aller Rentengeschenke, denn mittelbar ist natürlich auch die Rentenkasse über den Bundeszuschuss mit dem Bundeshaushalt verbunden", so Steiger. "Allein Grundrente und Mütterrente schlagen jährlich mit rund 20 Milliarden Euro zu Buche." Auch die sogenannte Rente mit 63 koste Milliarden.

Thyssenkrupp setzt weiter auf Staatshilfe

Einzelne Konzerne hingegen blicken zuversichtlich in die Zukunft. So geht etwa Thyssenkrupp davon aus, dass trotz Haushaltssperre die Gelder für den klimafreundlichen Umbau des Stahlwerks in Duisburg fließen werden. "Wir haben den Förderbescheid für die Direktreduktionsanlage erhalten und gehen davon aus, dass die Finanzierung vollumfänglich gesichert ist", sagte ein Unternehmenssprecher der "Rheinischen Post". Bund und das Land NRW geben insgesamt zwei Milliarden Euro an Thyssenkrupp.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen.

Dies hat zur Folge, dass weitere Milliardensummen für Zukunftsvorhaben gefährdet sind. Da die genauen Auswirkungen auch auf den regulären Haushalt noch unklar sind, entschied das Finanzministerium, vorsorglich bestimmte Zusagen aller Ministerien für kommende Jahre im Haushalt zu sperren.