Russland erbeutet ATACMS-Rakete: Untersuchung soll „Gegenmittel“ für US-Waffe liefern

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Erst Anfang im April lieferten die USA neue ATACMS-Raketen an die Ukraine. Jetzt will Russland den Code der ballistischen Waffen geknackt haben.

Moskau – Es ist ein kleines Schild an den technischen Bauteilen, das zeigt, worum es sich handelt. ATACMS und USA steht darauf – Hinweise dafür, dass es sich bei dem, was da vor dem vermeintlichen russischen Waffenexperten liegt, um die Teile einer US-amerikanischen Kurzstreckenrakete handeln soll. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Novosti veröffentlichte ein Video mit einem Experten in Tarnfleck und Sturmmaske, der mit der Untersuchung des Projektils beauftragt worden sein soll.

Die Vereinigten Staaten haben die Raketen eigentlich der Ukraine zur Verteidigung gegen die Truppen von Russlands Machthaber Wladimir Putin übergeben. Denen scheint es nun aber gelungen zu sein, ein Exemplar der ballistischen Raketen abzufangen und zu untersuchen. „Es gibt darin keine Geheimnisse mehr für uns“, behauptete der vermummte Militärexperte gegenüber Ria Novosti.

Russland fängt wohl ATACMS-Rakete ab – Vorteil im Ukraine-Krieg?

„Wir können im Prinzip die Funktionsweise der Raketensysteme in allen Phasen der Flugbahn analysieren“, so der Experte in dem Video. Mit dem Wissen verspricht sich Russland wohl einen entscheidenden Vorteil gegen die Raketen erlangt zu haben. Laut dem angeblichen Militärexperten habe die Armee nun „ein Gegenmittel gegen die am meisten gepriesenen und beworbenen westlichen Arten militärischer Ausrüstung gefunden“.

Selenskyj und Putin vor einer ATACMS
Russland will eine ATACMS-Rakete abgefangen haben. Damit will das Land seine Luftabwehr gegen die US-Raketen rüsten. © South Korea‘s Joint Chiefs of Staff/Gavriil Grigorov/Geert Vanden Wijngaert/IMAGO/dpa (Montage)

Die aus der abgefangenen ATACMS-Rakete gewonnenen Informationen würden nun genutzt, „um diese Raketen und die Abschussvorrichtungen, die diese Raketen abfeuern, anzugreifen“. Nach der Untersuchung der Einzelteile seien Abschussgebiete und Standorte der Raketen zudem schneller auffindbar.

Russlands ATACMS wohl echt – Keine Bestätigung aus den USA

Ob es sich bei den gezeigten Bauteilen um echte Teile einer ATACMS-Rakete handelt, oder Russland lediglich Propaganda betreibt, lässt sich nicht abschließend klären. Aus den USA habe es bislang keine Bestätigung dahingehend gegeben, berichtete das Portal The Kyiv Independent. Eine eingehende Untersuchung des Videos habe jedoch ergeben, dass es sich höchstwahrscheinlich um originale Teile einer ATACMS handelt.

Demnach soll ein GPS-System zu sehen sein, wie es in den US-Raketen verbaut wird. Außerdem liege neben dem anonymen Experten ein Ringlaser-Gyroskop, ein kritisches Element des Navigationssystems. Den entschiedensten Hinweis liefere jedoch die Zündvorrichtung, auf der verschiedene technische Informationen aufgedruckt sind. Dort sei zu erkennen, dass es sich um ein Bauteil mit der Bezeichnung FMU 161/B handele. Das zeige wiederum, dass es sich dabei um eine Komponente des ATACMS handele.

Bis zu 300 Kilometer Reichweite – Ukraine greift mit ATACMS Ziele in besetzten Gebieten an

Nach langem Hin und Her zeigten sich die USA im September 2023 bereit, der Ukraine die ATACMS-Raketen zu übergeben. Ein echter diplomatischer Erfolg für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der die Hilfslieferung bei seiner Nordamerika-Reise eintütete. US-Präsident Joe Biden habe sich zunächst bereit erklärt, ein „kleine Zahl“ der Raketen zu liefern, wie unter anderem die Washington Post berichtete.

Kurz darauf lösten die USA ihr Versprechen ein und begannen mit der Lieferung der Raketensysteme. Zunächst erhielt das Land für die Verteidigung im Ukraine-Krieg nur Modelle mit einer relativ geringen Reichweite von 165 Kilometern. Im April 2024 wurde dann die Lieferung weiterer Modelle mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern genehmigt – unter der Bedingung, dass die Boden-Boden-Raketen nicht auf russisches Staatsgebiet geschossen werden.

Davon ausgenommen sind die von Russland völkerrechtswidrig annektierten Gebiete – unter anderem die Halbinsel Krim. Dort wurden die ballistischen Raketen sogleich für Angriffe auf die Hafenstadt Sewastopol eingesetzt. Im Zuge der Angriffe kam es auch zu Todesopfern unter der Zivilbevölkerung. Einige Strandbesucher sollen von herabfallenden Raketenteilen verletzt oder getötet worden sein, nachdem die russische Armee eine ATACMS-Rakete abgeschossen hatte, so der Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, auf Telegram. Russland macht sogleich die USA für die Opfer verantwortlich. Aus dem Westen heißt es, Russland würde militärische Standorte mit der Zivilbevölkerung schützen.

„Elektronische Kriegsführung feinabstimmen“ – russischer Ex-Oberst zu ATACMS-Untersuchung

Der ehemalige russische Oberst Viktor Litovkin sieht in der abgefangenen ATACMS-Rakete einen entscheidenden Vorteil für Russlands Luftverteidigung. „Wir können unsere bodengestützten Luftabwehrraketensysteme, die den Flugkörper abschießen sollen, neu konfigurieren“, sagte er dem Online-Nachrichtenportal Lenta.ru. „Wir können unsere elektronischen Kriegsführungssysteme gegen diese Rakete neu konfigurieren und fein abstimmen.“ (nhi)

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