Wunde Punkte im Duell: Was Biden und Trump bei der US-Wahl gefährlich werden kann
Trump und Biden liegen in einer neuen Umfrage fast gleichauf. Potenzielle Schwachstellen und die Konkurrenz könnten 2024 aber die Lage ändern.
Washington, D.C. – Donald Trump und Joe Biden würden sich nach Stand der Dinge bei einer Neuauflage des Duells um die US-Präsidentschaft ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Institutes Ipsos zeigt.
Im direkten Vergleich habe Trump einen marginalen Vorsprung von zwei Punkten vor Biden: Auf 38 Prozent zu 36 Prozent taxiert die Erhebung den Zuspruch. 26 Prozent der Befragten hätten angegeben, sie seien sich nicht sicher oder würden eine andere Person wählen.
Die Reuters/Ipsos-Umfrage wurde vom 5. bis 11. Dezember 2023 online durchgeführt. Landesweit seien 4.411 Erwachsene in den USA befragt worden. Das credibility interval, die Fehlerquote, wird mit +/- 1,8 Prozentpunkten angegeben.
US-Wahlkampf 2023/24: Biden und Trump haben mit tiefgreifenden Problemen zu kämpfen
Bis zur Präsidentschaftswahl in den USA am 5. November 2024 wird aber noch einige Zeit vergehen, in der sich das Blatt noch einmal wenden kann. Trump wie Biden haben mit tiefgreifenden Problemen zu kämpfen, die ihnen am Ende den Einzug ins Weiße Haus kosten könnten.
Laut der Umfrage von Reuters und Ipsos zweifeln die US-Amerikaner etwa daran, dass Präsident Biden die Wirtschaft in den USA wieder auf Kurs bringen kann. Auch machten sie sich Sorgen über Kriminalität und die Sicherheit an der Grenze zwischen den USA und Mexiko. Ex-Präsident Trump wiederum könnte eine Verurteilung in einem seiner vier Strafprozesse rund um die Präsidentschaftswahl 2020 und seinen Umgang mit geheimen Dokumenten erheblich Unterstützung kosten.
Joe Biden - diese Themen könnten dem Demokraten bei der US-Wahl 2024 gefährlich werden:
- 1. Die aktuelle Wirtschaftslage in den USA
- 2. Die Politik in den Bereichen Migration, Sicherheit und Kriminalität
- 3. Die Kriege in Israel und Gaza und in der Ukraine
- 4. Die Skandale seines Sohnes Hunter Biden
- 5. Das Alter des amtierenden Präsidenten
1. Die aktuelle Wirtschaftslage in den USA
Wie in Deutschland stiegen auch in den USA mit der Coronakrise und dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine die Preise etwa bei Lebensmitteln und beim Tanken. So erreichte die US-Inflationsrate im Juni 2022 ihr 40-Jahres-Hoch von 9,1 Prozent, wie die ARD-„Tagesschau“ berichtet.
Mittlerweile verteuerten sich die Preise in den USA wieder weniger rasant. Das liege vor allem an den sinkenden Energiekosten. Hingegen würden die Preise bei Nahrungsmitteln und Wohnen weiter steigen. Die Kerninflation ist laut Ökonom Bastian Hepperle weiter zu hoch und verharrt bei vier Prozent.
Präsident Biden kann nur bedingt Einfluss auf die Krisen der globalen Wirtschaft nehmen. Dennoch werden aktuelle Notlagen in der Regel der amtierenden Regierung angelastet. Nicht verwunderlich daher, dass 45 Prozent der Befragten in der Reuters/Ipsos-Umfrage Trump für geeignet halten, die Wirtschaft wieder in den Griff zu kriegen, während dies nur 33 Prozent Biden zutrauen.
2. Die Politik in den Bereichen Migration, Sicherheit und Kriminalität
Besonders die Einwanderung von Menschen aus Mexiko in die USA wird in den Vereinigten Staaten oft kontrovers diskutiert. Trump war für eine grausame Einwanderungspolitik bekannt. Sein Amtsnachfolger Biden wollte an der Südgrenze der USA zu Mexiko alles besser und vieles humaner machen.
Zum Start in den US-Wahlkampf 2024 hatte sich Biden allerdings zunehmend vom linken Kurs abgewendet. Bundesrichter Jon Tigar hatte im Juli etwa eine Einwanderungsregel der Biden-Regierung kassiert und während der Verhandlung die Frage gestellt, ob es zwischen Bidens Politik und der von Bidens Vorgänger Donald Trump überhaupt einen Unterschied gebe.
Die Bilanz: Den Rechten ist Bidens Einwanderungspolitik nicht streng genug, die Linken halten sie für unmenschlich. Laut Reuters neigen die Befragten eher zu einem konservativeren Kurs. Im Bereich Kriminalität und Einwanderung erhielt Trump 42 Prozent der Stimmen, Biden nur 32 Prozent.
3. Die Kriege in Israel und Gaza und in der Ukraine
Die USA haben sich im Israel-Gaza-Krieg klar auf die Seite Israels gestellt. Angesichts vieler ziviler Opfer auch auf palästinensischer Seite schwindet in Teilen der Bevölkerung aber der Rückhalt für Bidens bedingungslose Unterstützung.
Die israelische Regierung hält derzeit an ihrem Plan der vollständigen Zerschlagung der Hamas fest, obwohl Experten dieses Ziel für unrealistisch und langwierig halten. Der Konflikt im Gazastreifen könnte sich im kommenden Jahr also noch einmal zuspitzen und Biden zunehmend in Bedrängnis bringen.
Besonders junge Wähler, die in Swing States wie Michigan 2020 entscheidend zum Sieg der Demokraten beigetragen hatten, seien von Joe Bidens politischem Kurs nun enttäuscht, berichtet die Washington Post. Wahrscheinlich ein Grund, warum Biden am Dienstag (12. Dezember) überraschend deutliche Worte gegenüber Israel fand:
Israels Sicherheit kann sich auf die Vereinigten Staaten stützen, aber im Moment hat es mehr als nur die Vereinigten Staaten. Es hat die Europäische Union, es hat Europa, es hat den größten Teil der Welt, der es unterstützt. Sie beginnen, diese Unterstützung durch wahllose Bombardierungen zu verlieren.
Auch Bidens Handeln im Ukraine-Krieg spaltet die USA. Der US-Präsident rechtfertigte die Ausgaben in Höhe von mehreren Milliarden Dollar mit historischen Krisen. Die Unterstützung für Israel und die Ukraine seien auch im Sinne der Sicherheit der USA.
4. Die Skandale seines Sohnes Hunter Biden
Hunter Biden, der Sohn von US-Präsident Joe Biden, steht derzeit wegen Steuerbetrug vor Gericht. Dem 53-Jährigen wird vorgeworfen seine Steuern mehrere Jahre lang nicht bezahlt zu haben. Er selbst sei währenddessen einem „extravaganten Lebensstil“ nachgegangen. Die am Donnerstag (7. Dezember Ortszeit) veröffentlichte Anklageschrift listet in aller Ausführlichkeit pikante Ausgaben auf, etwa für Sexclubs und Drogen.
Hunter Biden war bereits Mitte September wegen illegalen Waffenbesitzes angeklagt worden. Seine Skandale werden für den Wahlkampf seines Vaters zunehmend zur Belastung. Die US-Republikaner werfen Joe Biden sogar vor, in umstrittene Auslandsgeschäfte seines Sohnes verwickelt zu sein.

5. Das Alter des amtierenden Präsidenten
Sowohl Biden als auch Trump wären bei einer Wiederwahl 2024 so alt, wie kein Präsident zuvor. Doch Biden ist mit 81 Jahren noch vier Jahre älter als Trump. Laut Reuters und Ipsos zeigten sich einige Wähler über sein fortgeschrittenes Alter besorgt. Biden verhaspelte sich etwa bei einer Rede in Manhatten im September und wiederholte ganze Passagen. Experten sahen darin ein Anzeichen für mögliche kognitive Probleme. Es war nicht das erste Mal, dass Biden bei öffentlichen Reden ins Straucheln geriet.
Seine Verbündeten entschuldigen Bidens Verhalten mit einem chronischen Stottern. Seine Kritiker halten ihn für eine neue vierjährige Amtszeit als mächtigster Mann der Welt hingegen nicht geeignet. Am Ende dieser wäre Biden 86 Jahre alt.
Donald Trump - diese Themen könnten dem Republikaner bei der US-Wahl 2024 gefährlich werden:
- 1. Die vier Strafprozesse und einige Zivilklagen gegen ihn
- 2. Die fehlenden Stimmen in wichtigen Swing States
- 3. Die Konkurrenz in den eigenen Reihen
- 4. Die unentschlossene Haltung zu Abtreibungen
- 5. Das Alter des ehemaligen Präsidenten
1. Vier Strafprozesse und einige Zivilklagen gegen Trump
Trump ist der erste Ex-Präsident in der Geschichte der USA, der sich strafrechtlich vor Gericht verantworten muss – und das gleich in vier Fällen. Am schwersten belastet Trump eine Anklage vor dem Bundesgericht wegen möglicher Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahl 2020. In diesem Kontext wird auch der Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol behandelt.
Darüber hinaus erwarten ihn ein Verfahren wegen Wahlbehinderung in Georgia, ein Bundesverfahren im Zusammenhang mit geheimen Akten in Südflorida, und eine Verhandlung wegen Geschäftsbetrugs in New York.
Sollte es in den Strafverfahren zu einer Verurteilung kommen, könnte das für Trump zum Problem werden. Rund 31 Prozent der befragten Republikaner gaben in der Reuters/Ipsos-Umfrage an, dass sie nicht für Trump stimmen würden, wenn er von einem Geschworenengericht wegen eines Verbrechens verurteilt würde. Bisher bestreitet Trump jegliches kriminelles Fehlverhalten.
Neben strafrechtlichen Verfahren sieht sich Trump auch mit zivilrechtlichen Klagen konfrontiert. Erst im Mai 2023 wurde er zu einer Geldstrafe in Millionenhöhe verurteilt, wie der Deutschlandfunk berichtete. Im Zivilverfahren war für die New Yorker Geschworenenjury erwiesen, dass Trump die Schriftstellerin E. Jean Carroll Mitte der 1990er-Jahre in einem New Yorker Nobelkaufhaus sexuell missbraucht und später verleumdet habe.
2. Die fehlenden Stimmen in wichtigen Swing States
Das Wahlleute-System der USA und tiefgreifende parteipolitische Gegensätze bedeuten, dass nur eine Handvoll Staaten eine entscheidende Rolle für den Ausgang der Wahl spielen dürfte. In den sieben Staaten - Wisconsin, Pennsylvania, Arizona, Georgia, Nevada, North Carolina und Michigan - sei das Wahlergebnis 2020 besonders knapp ausgefallen, analysierte Reuters. Laut Umfrage habe Biden in diesen Staaten nun einen 4-Punkte-Vorsprung bei den US-Amerikanern, die angaben, dass sie sicher wählen werden.
Schwer hat es Trump auch bei Frauen, jungen Menschen und Minderheiten. Die demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris könnte bei diesen Wählerinnen und Wählern Punkte für Biden gutmachen.
3. Die Konkurrenz in den eigenen Reihen
Aktuell deutet noch alles darauf hin, dass Trump Spitzenkandidat der Republikaner wird. Konkurrenz bekommt er vor allem von der ehemaligen UN-Botschafterin Nikki Haley und von Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Der Vorsprung ist deutlich, aber bis zum US-Wahlkampf im nächsten Jahr kann noch einiges passieren.

Zuspruch erhält auch der parteilose (früher demokratische) Politiker Robert F. Kennedy Jr. Der Verschwörungsideologe und Neffe von John F. Kennedy würde laut Umfrage von Reuters und Ipsos aktuell aber mehr Stimmen von Biden als von Trump abziehen.
4. Die unentschlossene Haltung zu Abtreibungen
In einigen Staaten der USA wachsen Bestrebungen, die Abtreibungsgesetze wieder zu verschärfen. Auch einige republikanische Spitzenpolitiker sprechen sich für strengere Regeln aus, darunter die Gouverneurin von South Dakota, Kristi Noem, die Gouverneurin von Iowa, Kim Reynolds, und der Gouverneur von Florida und Trump-Konkurrent Ron DeSantis.
Dennoch sind sich die Republikaner in dieser Frage keineswegs einig, auch wenn sie insgesamt einen konservativeren Kurs einschlagen als die Demokraten. Auch Trump hat sich in letzter Zeit unentschlossen gezeigt. Widersprüchliche Aussagen von Trump sorgten bei Abtreibungsgegnern und konservativen Gouverneuren aber zuletzt für scharfe Kritik.
Trump warnte hingegen davor, ein Abtreibungsverbot auch im Falle von Vergewaltigung, Inzest oder Gefahren für die Gesundheit der Mutter zu vertreten. „Ohne diese Ausnahmen ist es sehr schwierig, Wahlen zu gewinnen“, sagte Trump laut Washington Post: „Ohne die Ausnahmen würden wir 2024 wahrscheinlich die Mehrheiten und vielleicht sogar die Präsidentschaft verlieren.“
Damit könnte Trump recht haben: In der Reuters/Ipsos-Umfrage im Dezember sprachen sich beim Thema Zugang zur Abtreibung 44 Prozent der potenziellen Wählerinnen und Wähler für Biden und nur 29 Prozent für Trump aus.
5. Das Alter des ehemaligen Präsidenten
Auch Donald Trump ist mittlerweile 77 Jahre alt. Die vierjährige Amtszeit würde er mit 82 Jahren beenden. Kleine Zerstreutheiten scheinen weiterhin präsent. Bei einem Gerichtsprozess in New York im November vergaß Trump während seiner Zeugenaussage anscheinend, wann er als Präsident tätig war. „Und nur um Ihre Erinnerung aufzufrischen: Sie waren 2021 nicht Präsident?“, habe Staatsanwalt Kevin Wallace ihn auf seinen Fehler hingewiesen.
Bei einer Rede in New Hampshire im Oktober verwechselte Trump zudem offenbar den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. „Da ist dieser Mann, Viktor Orbán, habt ihr schon von ihm gehört?“, fragte Trump laut ORF das Publikum, um daraufhin selbst die falsche Antwort zu geben: Orbán sei „eine der stärksten Führungspersönlichkeiten der Welt. Er ist das Oberhaupt der Türkei.“
US-Wahl 2024: Mehrheit ist mit Zweiparteiensystem unzufrieden
Die Umfrage zeigte aber auch eine tiefe Ermüdung bei vielen Wahlberechtigten mit Blick auf einen möglichen Rückkampf zwischen Biden und Trump. Etwa sechs von zehn Befragten hätten angegeben, dass sie mit dem amerikanischen Zweiparteiensystem nicht zufrieden seien und sich eine dritte Option wünschen würden.