„Ende der Globalisierung“: Ökonomen warnen vor den Folgen der US-Zölle

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Die von den USA angekündigten Zölle haben die Befürchtungen von Wirtschaftsexperten übertroffen. Schlüsselbranchen rechnen mit deutlichen Einbußen.

Berlin – Nach den von US-Präsident Donald Trump angekündigten Zollmaßnahmen erwarten Ökonomen massive Folgen für die Weltwirtschaft. Der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, Ken Rogoff, sagte in einem Interview mit der BBC, Trump habe eine Atombombe auf das Welthandelssystem geworfen.

„Segensreiche Phase ist zu Ende“ – Ökonomen warnen wegen US-Zoll-Erhöhungen

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sprach vom Ende einer Ära. „Wir haben vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis vor einiger Zeit eine lange Phase der Globalisierung gesehen, wo der Welthandel schneller gestiegen war als das Weltbruttoinlandsprodukt“, sagte Krämer der ARD-Finanzredaktion. Diese habe für internationale Arbeitsteilung und gewaltige Wohlstandsgewinne gesorgt. „Diese segensreiche Phase der Globalisierung ist definitiv zu Ende.“ Der Präsident Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura, sprach von einem „Frontalangriff auf den Welthandel“.

Für die deutsche Wirtschaft sind die USA wichtigster Handelspartner. Zehn Prozent aller deutschen Ausfuhren gehen dorthin. Im vergangenen Jahr erreichten die Lieferungen mit einem Wert von über 160 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert. Ein Export-Rückgang würde Deutschland daher empfindlich treffen.

Falls die Zölle wie angekündigt erhoben werden, würde dies in der gesamten deutschen Wirtschaft Spuren hinterlassen. Ökonomen rechnen mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 0,3 und 0,5 Prozentpunkten pro Jahr. Ein tiefer Einschnitt, wenn man bedenkt, dass die deutsche Wirtschaft zwischen 1970 und 2024 durchschnittlich um 0,46 Prozent gewachsen ist.

USA wichtig für Schlüsselindustrien – fast jeder vierte Porsche ging 2024 in die USA

Mit Blick auf die „Exportschlager“ der deutschen Wirtschaft wird schnell klar, welche Branchen besonders hart von den Zollmaßnahmen getroffen werden: Automobilproduktion, Maschinenbau und die chemische Industrie sind sowohl im Inland als auch im Außenhandel deutsche Schüsselindustrien und zählen die USA zu ihren wichtigsten Auslandsmärkten.

Im vergangenen Jahr wurden fast 450.000 Fahrzeuge aus deutscher Produktion in die USA exportiert. Fast jeder vierte Porsche wurde in den USA verkauft, bei BMW und Mercedes lag der Anteil jeweils bei gut 16 Prozent. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) bezeichnete die Maßnahmen als „fundamentalen handelspolitischen Einschnitt“. Die Folgen der 25-Prozent-Zölle auf Pkw, seien jedoch zu diesem frühen Zeitpunkt schwer einzuschätzen. Ähnlich stark sind die Belastungen auch für den Maschinen- und Anlagenbau. Der Branchenverband VDMA beziffert den Anteil an Lieferungen in die USA auf 14 Prozent des gesamten Exportvolumens, das im Jahr 2024 bei 200 Milliarden Euro gelegen habe.

Chemie- und Pharmaprodukte teilweise weniger hart durch Trumps Ankündigung getroffen

Auch für die Chemie- und Pharmaindustrie sind die USA wichtigster Markt außerhalb Europas. Die deutschen Exporte chemischer Erzeugnisse in die USA beliefen sich nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) im Jahr 2024 auf Waren im Wert von 10,2 Milliarden Euro, die deutschen Pharmaexporte hätten 2024 sogar einen Wert von 27,9 Milliarden Euro gehabt. Laut Bundesbank gibt es 128 Chemie-Tochterunternehmen deutscher Firmen mit 53.000 Beschäftigten, die einen Umsatz von 65 Milliarden Euro erwirtschaften. „Jetzt gilt es für alle Beteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren“, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup in einer Verbandsmitteilung. „Eine Eskalationsspirale würde den Schaden nur vergrößern.“

Von den Zusatzzöllen ausgenommen würden allerdings eine ganze Reihe von Produkten, die die USA selbst nicht im erforderlichen Maße haben oder die für die USA wichtig sind, schreiben die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner, Christoph Balz und Vincent Stamer laut einem Tagesschau-Bericht. Diese Produktkategorien seien in einem Anhang zur Exekutivanweisung aufgeführt. Darunter fallen Pharmaprodukte, fossile Energieträger, Chemieprodukte, Halbleiter, Mineralien und Holz. Überschlägig betrifft dies ein Fünftel der US-Einfuhren.

Höhere Preise, sinkende Kaufkraft und eine schrumpfende Wirtschaftsleistung durch US-Zölle befürchtet

Für die USA befürchten Beobachter höhere Preise, sinkende Kaufkraft und eine schrumpfende Wirtschaftsleistung mit Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Ein System hinter den angekündigten Zollmaßnahmen vermögen Ökonomen nicht zu erkennen. „Trump hat sich angeschaut, wo die Defizite größer sind und da hat er höhere Zölle draufgelegt“, erklärt Achim Wambach, Präsident des ZEW - Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, laut ARD. „Eigentlich ist das eine Zollpolitik mit der Gießkanne, und das ist keine gute Ökonomie.“ Der US-Ökonom und Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman setzte noch einen drauf: Trumps Berechnung sei an den Haaren herbeigezogen, und es sei nicht klar, ob der Präsident lüge oder schlicht ignorant sei. 

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