So soll das Schuldengesetz von SPD und Union aussehen – Detail dürfte Grüne aufhorchen lassen
Union und SPD wollen ihr Schuldengesetz im Eiltempo durchboxen. Ein erstes Papier gibt Formulierungshilfen. Ein Aspekt dürfte die Grünen aufhorchen lassen.
Berlin – Die Zeit rennt: Union und SPD wollen im Eiltempo ein milliardenschweres Paket für Verteidigungsausgaben und Infrastruktur auf den Weg bringen. Während die beiden Parteien in ihren Sondierungen für eine schwarz-rote Koalition noch über das Thema Migration streiten, kursiert in Berlin schon ein grober Gesetzesentwurf zum Milliardenpaket. Das zwölfseitige Papier, das IPPEN.MEDIA vorliegt, zeigt, wie SPD und Union ihr Schuldengesetz in Form gießen wollen – und dass sie dabei auch den Grünen die Hand reichen.
Sondervermögen und Reform der Schuldenbremse: Gesetz von Union und SPD soll im März beschlossen werden
Zum Hintergrund: Union und SPD wollen Hunderte Milliarden in Verteidigung und Wirtschaft pumpen, allein für die Infrastruktur ist ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro vorgesehen. Um das finanzieren zu können, wollen die Parteien die Schuldenbremse aufweichen. Dafür ist wiederum eine Änderung des Grundgesetzes nötig. Die soll der Bundestag noch in alter Besetzung beschließen. Denn im neu gewählten Bundestag, der am 25. März erstmals zusammenkommt, könnten AfD und Linke solche Pläne mit einer Sperrminorität zunichtemachen.
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Der Zeitplan steht bereits fest: Am 13. März wird der Bundestag über den Gesetzesentwurf beraten, in einer Sondersitzung am 18. März soll er beschlossen werden. Der erste Entwurf sieht Investitionen beziehungsweise Finanzhilfen in drei Bereichen vor:
- Verteidigung
- Infrastruktur
- Länder und Kommunen
Schon die Einleitung des Papiers dazu, das erste Formulierungshilfen liefert, hat es in sich. Grob zusammengefasst: Seit dem Ukraine-Krieg sei die weltweite Sicherheitslage extrem angespannt. Und nach den jüngsten Auftritten von US-Präsident Donald Trump und seinem Vize JD Vance könne sich Europa nicht mehr allein auf die USA stützen. „Es muss damit gerechnet werden, dass die USA ihr künftiges Engagement in Europa überprüfen. Europäische NATO-Partnerstaaten werden entstehende Fähigkeitslücken schließen müssen“, heißt es in dem Dokument.
Ausgaben für Verteidigung: „Sondervermögen Bundeswehr“ reicht nicht mehr
Das unter Kanzler Olaf Scholz beschlossene 100 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen Bundeswehr“ sei zum Ende des letzten Jahres aber schon zu „rund 82 Prozent gebunden“ – sprich: Es werde nicht ausreichen, um die Verteidigung des Landes im Angriffsfall zu sichern. Ein neues Sondervermögen soll es nicht geben, „weil es die zeitliche Dimension der Finanzierungsaufgabe nicht adäquat abbildet“, heißt es weiter. Vielmehr sollen künftig weitere Kredite aufgenommen werden können, um die Verteidigungsausgaben zu finanzieren, ohne dass die Schuldenbremse in diesem Fall greift.
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Im zweiten Teil des Entwurfspapiers geht es um die „gesamtstaatliche Infrastruktur“, also etwa die Erneuerung maroder Brücken und Straßen und die Energieinfrastruktur. Um den nötigen finanziellen Handlungsspielraum zu schaffen, wollen Union und SPD einen ganz neuen Artikel 143h im Grundgesetzes schaffen. Der ermächtigt den Bund zur Errichtung eines Sondervermögens bis zu 500 Milliarden Euro. Kredite, die Deutschland dafür aufnehmen muss, sollen von den Kreditobergrenzen der Schuldenregel ausgenommen werden.
„Keine Alternative“ zum Gesetzentwurf
Drittens wollen Union und SPD Länder und Kommunen stärken und deren Verschuldungsspielraum erhöhen. „Über die tatsächliche Nutzung dieses Spielraums und die konkrete Verwendung von entsprechenden finanziellen Mitteln entscheiden die Länder im Rahmen ihrer Haushaltsautonomie“, heißt es in dem Papier. Das ermögliche „einen passgenauen Mitteleinsatz vor dem Hintergrund individueller regionaler und örtlicher Gegebenheit“.
Selbstbewusst machen die Verfasser klar: Alternativen zum Entwurf gibt es nicht. „Der Finanzierungsbedarf für die Ertüchtigung der Bundeswehr und im Infrastrukturbereich kann ohne die Änderungen nicht rechtzeitig gedeckt werden“, heißt es. Für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft entstünden keiner Mehrkosten durch die Gesetzesänderungen, macht das Papier ebenfalls klar. Inkrafttreten sollen die Gesetzesänderungen „am Tag der Verkündung“.
Union und SPD strecken Grünen die Hand aus: Klimaschutz im Schulden-Gesetz Thema
Auffällig: Auch das Thema Klimaschutz spielt eine Rolle im Entwurf. Kanzler in spe Friedrich Merz weiß, dass er eine Zweidrittelmehrheit für die Grundgesetzänderung braucht – und damit auch Stimmen der Grünen. Die waren zuletzt wenig angetan von den schwarz-roten Plänen. Grünen-Fraktions-Co-Chefin Katharina Dröge etwa sprach von „Skrupellosigkeit“ angesichts der Tatsache, dass Merz Reformen der Schuldenbremse immer partout abgelehnt hatte – und jetzt plötzlich doch durchdrücken will. Und der NRW-Landeschef der Grünen, Tim Achtermeyer, sagte im Gespräch mit dieser Redaktion: „Wir Grüne reden uns seit Monaten den Mund fusselig, dass es Zukunftsinvestitionen und eine Reform der Schuldenbremse braucht. Friedrich Merz und Markus Söder haben sich in jeder Talkshow unwissend gestellt und den Problemen aus wahltaktischen Gründen beim Wachsen zugesehen.“
Entsprechend wirkt es wie eine ausgestreckte Hand in Richtung der Grünen, wenn es im Papier heißt, es müsse auch in Dekarbonisierung investiert werden. Und an anderer Stelle ist die Rede von einer Gewährleistung „der Anpassung an den Klimawandel, der Integration von geflüchteten Menschen oder der Stärkung des Bevölkerungsschutzes“.