Hohe Kosten beim Elektroauto: Werkstatt-Frust und wie neue Lösungen aussehen

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Viele Werkstätten winken bei kaputten E-Autos ab. Eine Spezialwerkstatt zeigt, wie Reparatur günstiger und nachhaltiger geht – und warum Hersteller dabei oft im Weg stehen.

Berlin/München – Immer mehr Elektroautos rollen über Deutschlands Straßen – seit Frühjahr 2025 sind es bereits über 1,7 Millionen BEV-Modelle. Doch was passiert, wenn ein Stromer kaputtgeht?

Für viele Werkstätten ist das ein echtes Problem, schildert ein in der Wirtschaftswoche erschienener Bericht. Sie kennen sich mit der neuen Technik nicht gut aus oder haben schlichtweg Angst vor den Hochvoltkomponenten. Das sorgt für (finanziellen) Frust bei Kunden und öffnet Spezialisten wie einem besonderen Unternehmen in Berlin ein lukratives neues Geschäftsfeld.

Hohe Kosten bei E-Autos: Warum die Reparatur so schwierig ist

„Die Fehlersuche macht uns die meiste Arbeit“, wird Kfz-Mechatroniker Otto Behrend zitiert. Kommt ein Kunde mit einem Elektroauto, das nicht mehr lädt, gibt es viele mögliche Ursachen – aber selten eine klare Diagnose. Weder das Fahrzeug noch die Diagnosegeräte würden brauchbare Hinweise liefern und die Hersteller helfen oft auch nicht weiter. „Oft wissen sie selbst nicht Bescheid“, so Behrend. Die Elektrotechnik ist komplex, Werkstätten fühlen sich in vielen Fällen überfordert.

Viele Kfz-Betriebe würden Reparaturen an E-Autos ablehnen. „Wir haben Kunden, die zwei- oder dreimal von anderen Werkstätten abgelehnt wurden“, berichtet Behrend. Die Angst vor der Hochvolt-Technik sei groß, und es fehlt oftmals an Erfahrung.

Werkstätten und Hersteller: Wer bremst die E-Auto-Reparatur?

Das bestätigt in dem Bericht eine Umfrage des Ersatzteillieferanten Meyle: Fast jede fünfte freie Werkstatt wolle gar nicht erst an E-Autos arbeiten. Der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) beteuert auf Anfrage zwar, die meisten Betriebe seien gut vorbereitet, räumt aber ein, dass oft komplette Baugruppen ausgetauscht werden – auf Vorgabe der Hersteller.

Die Diagnose von Problemen bei Elektroautos stellt viele Werkstätten vor eine große Herausforderung
Die Diagnose von Problemen bei Elektroautos stellt viele Werkstätten vor eine große Herausforderung. © Westend61/Imago

Der Mitarbeiter eines großen Kfz-Versicherers erklärt IPPEN.MEDIA in diesem Zusammenhang: „Hersteller haben bestimmte Anforderungen bei der Reparatur von E-Autos“, die schlagen sich massiv auf die Kosten nieder. Der Mann nennt ein Beispiel: Der von einem Radfahrer verursachte, vergleichsweise kleine Schaden schlug bei einem Werkstattbesuch mit über 4000 Euro zu buche. „Da fällt man vom Glauben ab“, schildert uns der Mann. Die unangenehme Folge? Zwangsläufig steigen auch die Versicherungsbeiträge.

Teure Überraschungen: Reparaturkosten und Technik-Frust

Anders als oft angenommen, sind es wohl nicht die Batterien, die am häufigsten Probleme machen, sondern die Ladegeräte (On-Board-Charger). Das deckt sich mit der Pannenstatistik des ADAC, wonach E-Autos insgesamt zuverlässiger sind als Verbrenner. Doch wenn etwas kaputtgeht, dann meist erst nach Ablauf der Garantie – und dann wird es richtig teuer. Ein neuer On-Board-Lader kann beim Hersteller bis zu 7000 Euro kosten, für eine Batterie werden mitunter fünfstellige Summen fällig.

Obwohl E-Autos weniger Verschleißteile haben – kein Ölwechsel, keine Zündkerzen, keine Auspuffrohre – liegen die Reparaturkosten laut Gesamtverband der Versicherer im Schnitt 25 Prozent über denen von Verbrennern. Das liegt laut Behrend daran, dass viele Werkstätten nicht wirklich reparieren, sondern ganze Baugruppen austauschen. Das ist nicht nur teuer, sondern auch schlecht für die Umwelt.

Ein weiteres Beispiel: Ein Kfz-Meister aus dem Saarland berichtete Ende 2023 Tagesschau.de, dass er regelmäßig E-Autos mit Marderschäden in seiner Werkstatt hat. Während der Schaden bei einem Verbrenner im Schnitt für rund 400 Euro repariert werden kann, sei die Reparatur beim E-Auto wesentlich teurer.

E-Auto-Spezialisten in Berlin: EV Clinic für kaputte Stromer

Viele frustrierte Kunden landen am Ende bei der EV Clinic in Berlin. Otto Behrend und sein Team haben sich auf die Reparatur von E-Autos spezialisiert – und das mit Erfolg. Die EV Clinic besorge im Notfall sogar selbst Ersatzteile, etwa bei Recyclingfirmen oder Zulieferern. Ist einmal eine Batterie defekt, analysieren die Experten sie mit selbst entwickelter Software, öffnen den Akku und tauschen nur die wirklich kaputte Zelle aus. „Dadurch kommen wir am Ende auf ein Drittel des Preises, den die Hersteller verlangen“, sagt Behrend der Wirtschaftswoche.

Die Idee für das „E-Auto-Krankenhaus“ stammt ursprünglich aus Kroatien. Dort repariert Vanja Katić seit 2021 defekte Akkus und Ladegeräte. Die Nachfrage sei so groß, dass Katić inzwischen eine Art Franchisekette aufbaut und sogar einen eigenen Transportservice für kaputte E-Autos aus halb Europa organisiert. Die Berliner EV Clinic war den Angaben zufolge das erste Team, das Katić überzeugte. Aktuell ist eine weitere Niederlassung in Istanbul geplant.

Kritik an der Autoindustrie: Sollen Bauteile bewusst kaputtgehen?

Katić und Behrend sind sich den Angaben zufolge einig: Viele Hersteller bauen ihre Fahrzeuge so, dass sie schwer zu reparieren sind und letztlich hohe Kosten anfallen. Besonders der Stellantis-Konzern (Opel, Citroën, Peugeot, Fiat und mehr) steht in der Kritik. Laut dem kroatischen Unternehmer seien deren Komponenten „unzuverlässig, nicht nachhaltig und teuer“.

Die EV Clinic nimmt deshalb vorerst keine Stellantis-Modelle mehr an – zu oft gehe nach einer Reparatur das nächste Teil kaputt. Die Reparatur von E-Autos ist für viele Werkstätten noch Neuland und oft teuer. Spezialisten wie der benannte Dienstleister zeigen, dass es auch günstiger geht – und sich in diesem Bereich ein spannender Zukunftsmarkt auftut. (PF)

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