Politik-Paukenschlag in Regensburg: Koalition ist geplatzt – OB macht Kampfansage

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Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer will ab sofort mit wechselnden Mehrheiten regieren. © Günter Staudinger

Knapp zwei Jahre vor der nächsten Kommunalwahl ist die Regierungskoalition in Regensburg geplatzt. Die OB gibt sich ungewohnt kämpferisch.

Regensburg - Joachim Wolbergs, früher Oberbürgermeister von Regensburg und heute Chef der sechsköpfigen Brücke-Fraktion im Stadtrat, spricht von einem „Fehler von Anfang an“, der nun an eine Ende gelangt ist. Die Rede ist von der 2020 geschlossenen Koalition aus SPD, CSU, Freien Wählern, FDP und CSB, die am Freitag nach langen Querelen endgültig geplatzt ist.

Regensburgs OB nach Koalitions-Aus: „Das wird nicht einfacher, aber schwieriger wird es auch nicht.“

Bei einer Pressekonferenz, zu der die SPD-Fraktion vergangenen Freitag geladen hat, lassen weder Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer noch SPD-Fraktionschef Thomas Burger einen Zweifel daran, dass man sich eine weitere Zusammenarbeit vor allem mit der CSU, aber auch den Freien Wählern nicht mehr vorstellen kann.

Dazu sei zu viel Vertrauen zerstört worden, heißt es. Man könne sich auf die beiden Koalitionspartner nicht mehr verlassen. Die verbliebenen gut eineinhalb Jahre bis zur nächsten Kommunalwahl strebe man auch keine andere Koalition mehr an. Sie werde themenbezogen mit wechselnden Mehrheiten regieren, so die Oberbürgermeisterin. „Das wird nicht einfacher, aber schwieriger wird es auch nicht.“

Unterstützung von FDP für Koalitionsende: „Das brauch’ ich nicht mehr“

Bemerkenswert: Mit am Podium bei der SPD-Pressekonferenz sitzen auch Horst Meierhofer und Gabriele Opitz von der FDP und Christian Janele von der CSB. „Ich bin aktiv der gleichen Meinung wie die SPD, dass es mit der Koalition so nicht weitergehen kann“, sagt Meierhofer. Vor allem mit der CSU fehle dafür die Vertrauensbasis. Auch wenn es inhaltlich vielleicht sogar mehr Schnittpunkte mit der CSU gebe als mit der SPD, lautet sein Fazit deshalb: „Das brauch’ ich nicht mehr.“

Der nun vollzogene Bruch hatte sich schon mehrfach angekündigt. Immer wieder gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen der CSU und dem Rest der Koalition, die offen ausgetragen wurden. Das endgültige Aus der vertraglich vereinbarten Zusammenarbeit setzte nun das Thema Stadtbahn.

Viele Querelen, doch den Ausschlag gab das Thema Stadtbahn: „Schlusspunkt“ für Koalition

Keine zwei Wochen vor dem Bürgerentscheid zu dem Projekt, bei dem die Regensburgerinnen und Regensburger mit knapp 54 Prozent dagegen stimmten, hatten sich CSU und Freie Wähler in zwei Pressemitteilungen offen gegen die Stadtbahn positioniert, die zu einem der wichtigsten Punkte der 2020 unterschriebenen Koalitionsvereinbarung zählte. SPD-Fraktionschef Thomas Burger sprach schon zu diesem Zeitpunkt von einem möglichen „Schlusspunkt“ der Koalition.

Bei der Pressekonferenz am Freitag betont betont Burger, dass dieser Schlusspunkt so oder so gekommen wäre – unabhängig vom negativen Ausgang des Bürgerentscheids. Es gehe um das Verhalten der Koalitionspartner im Vorfeld.

Man habe innerhalb der Koalition nämlich vereinbart, sich bis zum Bürgerentscheid zurück- und neutral zu verhalten, so Burger. Stadtrat Christian Janele (CSB) sei zum Beispiel von Anfang an ein Gegner der Stadtbahn gewesen, habe sich aber dennoch an diese Absprache gehalten.

„Aus dem Koalitionsboot ausgestiegen“: SPD hat kein Vertrauen mehr zu CS und Freien Wählern

Im Gegensatz zu CSU und Freien Wählern. Diese seien „aus dem Koalitionsboot ausgestiegen und machen keine Anstalten, wieder zurückzukehren“, so der SPD-Fraktionschef. Daran hätten auch klare Ansagen beim letzten Koalitionsausschuss nichts geändert. Bei der CSU sei ein solches Ausscheren und Querschießen auch nicht das erste Mal der Fall.

Horst Meierhofer wird noch deutlicher: „Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass es der CSU weniger um Inhalte, als mehr um Strategie und Wahltaktik geht. Die CSU habe von Anfang an über diverse Parteigruppierungen, Positionen und Einzelpersonen vieles öffentlich ausgetragen und Querschüsse geliefert. Der Umgang mit dem Thema Stadtbahn habe die Basis für diese ohnehin schwierige Zusammenarbeit endgültig zerstört, so Meierhofer.

Man sei gestartet mit einer Koalitionsvereinbarung mit inhaltlichen Zielen – insbesondere auch die Stadtbahn, erläutert Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer. Es sei vereinbart worden, gefasste Beschlüsse aus der Vergangenheit um- und gestartete Projekte fortzusetzen. Änderungen seien möglich, müssten aber miteinander besprochen und dann einvernehmlich vertreten werden.

OB zu Koalitionsende: „Es war nicht mehr stabil und nicht mehr verlässlich“

Die OB nennt unter anderem ein zunächst geplantes Fahrradverleihsystem, das ursprünglich auf der Agenda stand, insbesondere auch ein Projekt der SPD war, dann aber nach internen Diskussionen aus Kostengründen zurückgestellt wurde – zum Leidwesen ihrer Fraktion. „Das haben wir nach außen gemeinsam mit vertreten und haben dafür auch die Prügel eingesteckt.“

Vor allem mit der CSU habe das aber immer wieder nicht geklappt. Maltz-Schwarzfischer nennt die Diskussion um das geplante Containerdepot der Deutschen Bahn im Stadtosten als Beispiel, die Querschüsse der CSU bei der Verkehrsberuhigung am Hauptbahnhof. Zunehmend seien interne Diskussionen und Hickhack durchgesteckt worden. „Es war nicht mehr stabil und nicht mehr verlässlich.“

Fast jede Woche habe es einen ganzen Vormittag gebraucht, um die Mehrheit in der eigenen Koalition zu sicherzustellen. Da werde es kein größerer Aufwand, an Themen orientiert wechselnde Mehrheiten zu organisieren, glaubt Maltz-Schwarzfischer.

Kämpferische OB nach Koalitionsende: „Die Tagesordnung lege ich fest.“

Manche Themen würden nun „anders entschieden werden“ und es würden andere Themen auf die Tagesordnung kommen. „Die lege ich fest“, betont die OB ungewohnt resolut. Da gehe es zum Beispiel um Streetwork, die Umgestaltung des öffentlichen Raums, Verkehrsberuhigung im Obermünsterviertel. „Sie werden es feststellen.“

Gefragt danach, wie die Zusammenarbeit mit Bürgermeisterin Astrid Freudenstein und Bürgermeister Ludwig Artinger künftig funktionieren soll, sie behalten ihre Positionen bis zur nächsten Wahl, betont die OB, dass sie insbesondere mit Artinger, abgesehen vom Thema Stadtbahn, stets vertrauensvoll und konstruktiv zusammengearbeitet habe.

Mit Freudenstein sei die Zusammenarbeit „in weiten Teilen“ gut gewesen. Den sozialen Bereich habe sie ja früher selbst verantwortet – und da sei man sich dann „irgendwann“ auch immer einig geworden.

Koalitionsende in Regensburg: CSU und Freie Wähler per E-Mail informiert

Die beiden Referenten müssten aber nun auch selbst verstärkt um Mehrheiten werben, wenn sie manches Thema umsetzen wollten. „Und auch für deren Ausschüsse lege ich die Tagesordnung fest.“

Fragen, ob diese Entscheidung, die von der SPD-Basis schon seit langem gefordert wird, zu spät kommt, wiegeln Burger und Maltz-Schwarzfischer ab. Solche Überlegungen brächten zum jetzigen Zeitpunkt auch nichts mehr.

CSU und Freie Wähler wurden kurz vor der Pressekonferenz per E-Mail von der Entscheidung der SPD informiert. Das sei angesichts der jahrelangen konstruktiven Zusammenarbeit kein guter Stil, sagt Bürgermeister Ludwig Artinger, den wir im Urlaub erreichen.

Freie Wähler und CSU nach Koalitionsende: Teils konsterniert, teils gelassen

„Ich und die Freien Wähler waren immer ein loyaler Partner“, sagt er. Nur beim Thema Stadtbahn habe man „den Finanzierungsvorbehalt gezogen“ und das halte er nach wie vor für richtig. Ein Verlassen der Koalition sei das nicht gewesen, so Artinger. „Aber Wandernde soll man nicht aufhalten.“ Die Regierbarkeit der Stadt werde dadurch „sicher nicht besser“.

Betont gelassen gibt sich CSU-Chef Michael Lehner. Er wolle zwar darauf hinweisen, dass die SPD sich bei anderen Themen – etwa in Bezug auf das Vorgehen in Sachen Schmack-Berg – ebenfalls nicht an die Koalitionsvereinbarung gehalten habe. Doch die CSU sei trotzdem weiter zur Koalition gestanden und hätte dies auch jetzt getan.

Aber, so Lehner, „wenn die SPD das so sieht und jetzt die Koalition aufkündigt, dann tut es mir leid für sie, aber auch für Regensburg.“ Er glaube, dass es bei Themen der Sozialbürgermeisterin auch weiterhin kaum Probleme geben werde, sie durch den Stadtrat zu bringen.

Koalition am Ende: Grüne sehen „Chance für Regensburg“

Durchweg begrüßt wird das Koalitionsende von den anderen Fraktionen, wenngleich mit unterschiedlichem Zungenschlag. Daniel Gaittet, Fraktionschef der Grünen und damit der nach der CSU zweitgrößten Fraktion im Stadtrat, spricht von einer „Chance für Regensburg“ nach „vier verlorenen Jahren“.

Die Grünen seien auf ein Szenario mit wechselnden Mehrheiten vorbereitet, würden sich auf die inhaltliche Diskussion freuen und dabei auch konstruktiv verhalten. Die CSU müsse sich hingegen als größte Koalitionsfraktion fragen lassen, „ob die überhaupt regierungsfähig sind, wenn sie es nicht schaffen, den Laden sechs Jahre lang zusammenzuhalten“, so Gaittet. Das liege nämlich nicht allein in der Verantwortung der Oberbürgermeisterin.

„Streitkoalition“ am Ende: ÖDP will im Stadtrat konstruktiv mitarbeiten

„Es ist absolut Zeit geworden für diesen Schritt“, sagt ÖDP-Fraktionschef Benedikt Suttner. „Regensburg hat etwas Besseres verdient.“ Ständig sei gesagt worden, dass die Koalition Verlässlichkeit und Stabilität gewährleiste. „Dabei war das nur noch eine Streitkoalition und den Bürgerentscheid haben CSU und Freie Wähler als Wahlkampfthema in eigener Sache missbraucht.“

Die ÖDP sei gesprächsbereit, um im Sinne des Kollegialorgans Stadtrat mit allen demokratischen Kräften zusammenzuarbeiten. „Vielleicht bringen wir bei den wichtigen Themen doch noch etwas auf den Weg. Bislang herrscht hier weitgehend Stillstand.“

Ex-OB Wolbergs zu Koalitionsende: „Der CSU geht es nur um eine OB Freudenstein.“

Begrüßt wird die nun beerdigte Koalition auch von Ex-OB Wolbergs. Diese habe „nix zustande gebracht“ und nur dem Ziel gedient, „Posten zu verteilen“, sagt er. Die Brücke werde sich, wie schon in der Vergangenheit, ebenfalls konstruktiv verhalten. Er werde sich im Zweifel auch zurücknehmen und es anderen in seiner Fraktion überlassen, wenn es Gesprächsbedarf gebe, so Wolbergs.

Dass sich viel ändert, erwartet er hingegen nicht. „Da wird weiter gewurschtelt, wie bisher.“ CSU und Freie Wähler hätte mit den Bürgermeisterposten „komfortabelste Positionen“, um sich für die kommende Wahl in Szene zu setzen. „Der CSU geht es ja ausschließlich um eine Oberbürgermeisterin Freudenstein. An der Stadt haben die kein Interesse.“ Und die SPD, so Wolbergs, sei „am Ende“.

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