„Ein neues Worst-Case-Szenario“ – Uralter Sonnensturm alarmiert Wissenschaftler

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In Baumringen verborgen liegt die Geschichte eines kosmischen Ereignisses, das unsere moderne Welt komplett lahmlegen könnte. Forscher schlagen Alarm.

Oulu – Wenn die Sonne geladene Plasma ins Weltall schleudert, kann es für die Erde gefährlich werden. Denn ein Sonnensturm kann nicht nur die wunderschönen und farbenfrohen Polarlichter erzeugen, die man im Mai 2024 vielerorts am Himmel sehen konnte. Ein Sonnensturm kann auch Satelliten im Erdorbit und die Infrastruktur auf der Erde beschädigen oder beispielsweise den Funkverkehr beeinträchtigen. Beim bisher größten wissenschaftlichen beobachteten Sonnensturm, dem „Carrington-Ereignis“, gerieten im Jahr 1859 unter anderem Telegrafenleitungen in Brand.

Extremer Sonnensturm traf die Erde im Jahr 12.350 vor Christus – heute könnte er für Chaos sorgen

Heute – in einer Zeit, in der ohne Satelliten, Strom und technische Geräte nichts mehr geht – wären die Auswirkungen noch viel gravierender als 1859, mahnen Fachleute seit langer Zeit. Deshalb versuchen sie, die Aktivität der Sonne genauer vorherzusagen. Doch auch in der Vergangenheit haben starke Sonnenstürme die Erde getroffen. Wann das war und wie stark die magnetischen Stürme waren, verraten unter anderem Jahresringe in Baumstämmen. Ein internationales Forschungsteam hat nun den bisher stärksten bekannten Sonnensturm, der die Erde getroffen hat, ermittelt.

Jahr Bekannte große Sonnenstürme
774/775 Möglicherweise traf ein großer Sonnensturm die Erde, was die Forschung an Jahresringen abgelesen hat.
1806 Alexander von Humboldt untersuchte magnetische Störungen und sah am nächsten Abend Polarlichter.
1859 Der heftigste bisher wissenschaftlich beobachtete geomagnetische Sturm. Polarlichter konnten selbst in Äquatornähe beobachtet werden.
1967 Ein Sonnensturm störte die Radaranlagen des amerikanischen Raketenfrühwarnsystems - es wurde beinahe ein Atomkrieg ausgelöst.
1989 Heftiger geomagnetischer Sturm sorgte für den Ausfall mehrerer Transformatoren - es kam zu einem 9-stündigen Stromausfall um Montreal.
2012 Heftiger Sonnenstrom verpasste die Erde knapp. Er wäre stärker gewesen als das Carrington-Ereignis von 1859.
2022 SpaceX verlor zahlreiche Starlink-Satelliten durch einen Sonnensturm.
2024 Im Mai traf ein Sonnensturm die Erde und sorgte für Polarlichter bis weit in den Süden. Vereinzelt gab es Probleme, beispielsweise mit Funk und GPS.

Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal Earth and Planetary Science Letters veröffentlicht und zeigen, dass im Jahr 12.350 vor Christus ein gewaltiger Sonnensturm auf die Erde getroffen ist. Der Magnetsturm war etwa 18 Prozent stärker als der bisher stärkste bekannte Sonnensturm aus dem Jahr 775. „Verglichen mit dem größten Ereignis der modernen Satellitenära – dem Partikelsturm von 2005 – war das alte Ereignis von 12.350 v. Chr. nach unseren Schätzungen über 500 Mal intensiver“, erklärt Kseniia Golubenko von der Universität in Oulu, Finnland.

Starker Sonnensturm ist in Baumringen ablesbar – neues Klimamodell verrät Details

Das Forschungsteam um Golubenko hat einen plötzlichen und bisher unerklärlichen Anstieg von Radiokohlenstoff in Baumringen mithilfe eines neuen Klimamodells untersucht. Dabei stellte es fest, dass in den Jahresringen ein starker Sonnensturm abzulesen ist. Die Forschenden verifizierten das Alter des Sonnensturms mit Holz aus den französischen Alpen, das auf ein Alter von etwa 14.300 Jahre datiert wurde.

Vom Sonnensturm zum Jahresring im Baum

Sonnenstürme stören das Magnetfeld der Erde, indem sie große Mengen von geladenen Partikeln in die Erdatmosphäre einbringen. Dabei handelt es sich meistens um hochenergetische Protonen, die den natürlichen Anteil von Kohlenstoff-14 erhöhen. Kohlenstoff-14 (C14) ist ein radioaktives Isotop von Kohlenstoff, auch bekannt als Radiokohlenstoff (Radiokarbon).

Er entsteht durch die Wechselwirkung von Stickstoffatomen mit kosmischer Strahlung in der Atmosphäre. Da die Isotope im Laufe der Zeit zerfallen, kann die Radiokohlenstoffkonzentration genutzt werden, um organische Materialien – oder Sonnenstürme – zu datieren.

Extreme Sonnenstürme können die Infrastruktur im All und auf der Erde stören

Extreme Sonnenstürme, die in den Jahresringen von Bäumen ablesbar sind, werden „Miyake-Ereignisse“ genannt, nach der japanischen Astronomin Fusa Miyake, die sie entdeckte. „Miyake-Ereignisse ermöglichen es uns, genaue Kalenderjahre in fließenden archäologischen Chronologien festzulegen“, erklärt Mitautor Ilya Usoskin in einer Mitteilung. Mithilfe von Radiokohlenstoff-Signalen anderer Miyake-Ereignisse wurden bereits Wikinger-Siedlungen in Neufundland und neolithische Gemeinschaften in Griechenland genau datiert.

Eruptionen auf der Oberfläche schleudern Plasma ins Weltall, das in Form eines Sonnensturms die Erde treffen kann. (Archivbild) © NASA/SDO/AIA/Goddard Space Flight Center

Doch die neuen Daten sind nicht nur für den Blick in die Vergangenheit wichtig, sondern auch für die Zukunft von großer Bedeutung. „Dieses Ereignis stellt ein neues Worst-Case-Szenario dar“, betont Golubenko. „Das Verständnis seines Ausmaßes ist entscheidend für die Bewertung der Risiken, die zukünftige Sonnenstürme für moderne Infrastrukturen wie Satelliten, Stromnetze und Kommunikationssysteme darstellen.“ (tab)

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