Worst-Case-Szenario - Wie der US-Streit über Ukraine-Hilfen in den dritten Weltkrieg führen könnte
Er hat sich ja zusammen mit Putin vorgenommen, die internationale Politik in einer Weise zu verändern, wie man sie seit 100 Jahren nicht erlebt habe. Er könnte in diesen Tagen zu dem Schluss kommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt wäre. Der Vergleich zu Israel drängt sich in diesem Zusammenhang geradezu auf: Die Hamas-Terroristen griffen Israel am 7. Oktober zu einem Zeitpunkt an, wo das Land infolge der Justizreform der Regierung Netanyahu politisch völlig polarisiert und in seiner Handlungsfähigkeit gelähmt war.
Wie würde ein derartiger Weltkrieg entstehen können?
Er würde mit der Abriegelung Taiwans durch chinesische Luft- und Flottenverbände beginnen, die dann durch Luftangriffe und eine see- und luftgestützte Invasion gegen die Insel erweitert werden würden. Taiwan wird sich wehren und die USA werden vor der Wahl stehen, entweder dem Untergang einer der wenigen Demokratien Asien zuzusehen, oder sie werden eingreifen, wohl wissend, dass damit ein großer Krieg gegen China ausgelöst werden wird. Vor allem werden sie Truppen aus Europa abziehen müssen und die Unterstützung der Ukraine würde auch darunter leiden. In Europa sähe sich Putin dann veranlasst, die Europäer mit Gewaltandrohung davon abzuhalten, weiter Waffen an die Ukraine zu liefern. Die dazu nötigen präzisen Mittelstreckenwaffen befinden sich auf Schiffen und U-Booten in der Nordsee und im Atlantik. Das wäre dann Bündnisfall gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrages, aber das würde Putin nicht weiter stören, denn dann ginge es um das Ganze, nämlich die Niederwerfung der USA und Europas. Das wäre das Szenario des Dritten Weltkriegs, auf den wir trotz Zeitenwende immer noch nicht vorbereitet sind.
Warum ist es so schwierig, in Washington eine Einigung zu finden?
Die Demokraten und die Biden-Administration haben die Hilfslieferungen an die Ukraine in ein Gesetzespaket zusammen mit der Hilfe für Israel und Taiwan gesteckt. So sollte den Republikaner die Möglichkeit genommen werden, die Hilfe für die Ukraine zu sabotieren. Diese Art der Verknüpfung verschiedener Politikbereiche miteinander hat aber seine Risiken, denn die Republikaner verknüpfen dieses Paket nunmehr mit Zugeständnissen der Demokraten in der Migrationspolitik. Sie wollen eine Obergrenze für die Aufnahme von Migranten gesetzlich festlegen, sie wollen eine Behörde schaffen, deren einzige Aufgabe es ist, illegale Migranten in ihre Heimatländer abzuschieben und sie wollen die Möglichkeiten des Präsidenten einschränken, illegal ins Land gekommene Migranten zu „begnadigen“. Das sind Forderungen, die wiederum im progressiven Teil der Demokraten als absolut unzumutbar empfunden werden und Präsident Biden in ein Dilemma treiben. Die Republikaner haben ein durchaus berechtigtes Anliegen, denn die US-Südgrenze wird derzeit von einer Flut von Migranten belagert und die Biden-Administration tut sehr wenig, um die illegale Migration einzudämmen. Die meisten Migranten kommen aus Venezuela – dort herrscht Nicolás Maduro, einer der ziemlich besten Freunde des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dass dieser Migrantenstrom Teil eines hybriden Krieges zur Destabilisierung der USA ist, geht allerdings nicht in die sturen Betonköpfe der Make-America-Great-Again Anhänger unter den Republikanern hinein. Vielmehr lassen sie sich auf Gespräche mit dem Putin-Freund Victor Orban ein, um eine transatlantische Allianz der Konservativen zu begründen. Und bei den Demokraten kommt auch keiner auf die Idee, dass die Eindämmung der illegalen Migration genauso wichtig ist, will man die hybride Bedrohung aus Russland und China effektiv bekämpfen.
Welche Rolle spielt dabei Donald Trump?
Man sollte davon ausgehen, dass er der Strippenzieher auf republikanischer Seite ist. Bis vor kurzem war im Senat die Unterstützung für das Gesetzespaket der Administration für die Auslandshilfe gesichert, denn auch genügend Republikaner waren dafür. Lediglich im Repräsentantenhaus galt es noch eine Mehrheit zu finden. Nunmehr lehnen auch die Republikaner im Senat dieses Gesetzespaket ab und schlagen damit einen gefährlichen Pfad ein. Derartige radikale Änderungen kann in der Republikanischen Partei nur eine Person bewirken: Donald Trump. Ihm kommt es in seinem Rachefeldzug für die angeblich verfälschte Wahl darauf an, die Biden-Administration lahmzulegen – egal, was das für Amerika und seine Verbündeten oder den Weltfrieden bedeutet. Viele Beobachter gehen davon aus, dass ein US-Präsident Donald Trump aus der ihm eigenen Mischung aus Ignoranz und Selbstüberschätzung einen Weltkrieg vom Zaun brechen könnte. Möglicherweise schafft er das auch, ohne Präsident geworden zu sein.
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Direktor emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS
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