Krankenkassen schlagen Alarm: Eine Gruppe soll blechen – noch weniger Netto vom Brutto

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Die gesetzlichen Krankenkassen brauchen Geld. Die finanzielle Lage bleibt kritisch, das Nachsehen haben die Beitragszahlenden. Besonders eine Gruppe rückt ins Visier.

Berlin – Die gesetzliche Krankenversicherung schreibt noch immer rote Zahlen. Die Pläne der Bundesregierung für den Bundeshaushalt 2025 dämpfen die Hoffnung auf eine stabilere Finanzsituation. Zu erwarten sind höhere Beiträge, bereits zum Juli 2025 haben mehrere Krankenkassen eine Erhöhung angekündigt. Im Ringen um eine Lösung rückt eine Gruppe in den Fokus.

Krankenkassen in der Krise: Enttäuschung über Pläne im Haushaltsentwurf

Seit Monaten beklagen die gesetzlichen Krankenkassen ein Milliardendefizit, und auch weiterhin werden die Ausgaben steigen. Um das Defizit zu decken, haben viele Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge erhöht. Die neue Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) will die Kranken- und Pflegeversicherung nun mit Darlehen unterstützen. Für 2025 und 2026 soll die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) jeweils ein Darlehen über 2,3 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten. Für die Pflegeversicherung (SPV) ist 2025 ein Darlehen von 500 Millionen Euro und für 2026 eines über 1,5 Milliarden Euro vorgesehen.

Aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen reicht das aber nicht. „Die im Regierungsentwurf für die Bundeshaushalte 2025 und 2026 vorgesehenen Darlehen sind aber nur weiße Salbe“, heißt es in einer Pressemitteilung des GKV-Spitzenverbandes vom 25. Juni 2025. Die Beitragsspirale werde sich weiterdrehen. „Wenn die Darlehen zurückgezahlt werden müssen, werden die Beitragszahlenden mit noch größerer Wucht getroffen“, warnte der Spitzenverband.

Krankenkassen kritisieren Pläne der Bundesregierung – Forderung nach Ausgabenmoratorium wird lauter

Ähnlich äußerte sich auch die Techniker Krankenkasse, dessen Chef jüngst wiederholt vor höheren Beiträgen warnte. „Mit Blick auf die finanzielle Lage der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind die angekündigten Darlehen ein Tropfen auf den heißen Stein“, heißt es auf IPPEN.MEDIA-Anfrage. Die Darlehen würden in keiner Weise eine langfristige Lösung darstellen.

Der Spitzenverband fordert schon lange ein Ausgabemoratorium, um das Ungleichgewicht zwischen den Ein- und Ausgaben einzudämmen. Doch von einem Ausgabemoratorium ist in dem Haushaltsentwurf, den Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) auf den Weg brachte, nichts zu lesen.

Gesundheitskarte mit Geld.
Krise bei den Krankenkassen – Zusatzbeitrag steigt mitten im Jahr © IMAGO/Zoonar.com/stockfotos-mg

Krankenkassen bekommen kein zusätzliches Geld für Bürgergeld-Empfänger

Ein weiterer Punkt, der laut den gesetzlichen Krankenkassen fehlt: die Gegenfinanzierung der versicherungsfremden Leistungen. Gemeint ist vor allem die Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung der Bürgergeldbeziehenden und die Finanzierung der Rentenbeiträge für die pflegenden Angehörigen. Da die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung derzeit nicht mit zusätzlichen Zuschüssen rechnen, sondern nur mit Darlehen rechnen können, wird die Gegenfinanzierung auf die lange Bank geschoben.

Der Staat schulde der gesetzlichen Krankenversicherung allein für die Versorgung von Bürgergeldempfängern jährlich rund zehn Milliarden Euro, sagte TK-Chef Jens Baas in einer Mitteilung vom 24. Juni 2025. „Für eine echte Entlastung der Pflegeversicherung müsste der Bund zunächst seine Schulden begleichen. Die Pflegeversicherung hatte Coronahilfen in Höhe von rund sechs Milliarden Euro ausgelegt. Gleichzeitig brauchen wir echte strukturelle Reformen.“ 

Krankenkassen brauchen Geld – Besserverdiener werden von Politik zur Kasse gebeten

Aus Sicht der Krankenkassen müssen schnelle Reformen her, um die finanzielle Lage zu verbessern. In der SPD wurden vor dem Hintergrund der Finanzmisere Forderungen lauter, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben. So hält SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf höhere Krankenkassenbeiträge für Gutverdiener für richtig. „Wir haben in der Krankenversicherung immer wieder die Diskussion über Beitragsbemessungsgrenzen, wo noch deutlich mehr drin ist“, sagte Klüssendorf jüngst der Bild am Sonntag. Das sehe er auch bei seinem eigenen Gehalt. „Da zahle ich den Maximalbeitrag und wäre in der Lage, auch mehr zu zahlen.“

Aktuell liegt die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung bei 5512,50 Euro monatlich, die der Rentenversicherung bei 8050 Euro. Die Beitragsbemessungsgrenze bezeichnet den maximalen Bruttolohn, bis zu dem Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Einkommen oberhalb dieser Grenze bleibt beitragsfrei.

Krankenkassen beklagen Finanzmisere – eine Gruppe könnte weniger Netto haben

Dabei haben viele Gutverdiener schon seit Jahresbeginn wegen der stark steigenden Sozialbeiträge weniger Geld in der Tasche. Zu Jahresbeginn waren die Sozialbeiträge für Gutverdiener stark gestiegen. Der Grund war auch damals ein starker Anstieg der Beitragsbemessungsgrenzen.

Eine Analyse des Finanzwissenschaftlers Frank Hechtner von der Universität Erlangen-Nürnberg zeigt, dass Besserverdienende seit Jahresbeginn unter dem Strich durch die steigenden Sozialabgaben teils weniger Netto in der Tasche hatten. „Ein Großteil der steuerlichen Entlastungen wird durch die höheren Sozialabgaben wieder aufgezehrt“, sagte Hechtner im Januar 2025. Zieht man von den Steuerentlastungen die Belastungen durch die steigenden Sozialabgaben ab, so bleiben einem Single mit einem Monatseinkommen von 2.000 Euro lediglich sechs Euro mehr im Jahr, das sind 50 Cent im Monat. Ein gut verdienender Single mit einem Einkommen von 5.500 Euro monatlich wird laut den Berechnungen sogar unterm Strich mit 252 Euro zusätzlich belastet.

Wie sehr eine mögliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze das Nettoeinkommen schmälern würde, ist noch unklar. Eine konkrete Zahl nannte Klüssendorf für eine etwaige Erhöhung nicht. „Ich will mich jetzt nicht auf eine Zahl festnageln lassen, aber ich finde, dass man sich auf jeden Fall in die Richtung orientieren kann – ohne dass ein großes Ungerechtigkeitsproblem entstehen würde“, sagte er. Leistungskürzungen zur Kostendeckelung lehnt er dagegen strikt ab.

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