Warnstreik! Niedriglöhner an der Uniklinik Regensburg machen ernst
„Ein Haus, ein Tarif“ lautet die Forderung der Beschäftigten einer ausgelagerten Niedriglohn-Gesellschaft am Uniklinikum Regensburg. Kein Einzelfall.
Regensburg – Nach einer „aktiven Pause“ Anfang März machten rund 120 Beschäftigte der Krankenhausdienstleistungsgesellschaft am Uniklinikum Regensburg (kurz KDL) letzte Woche ernst und traten am Mittwoch in einen ersten Warnstreik.
Servicegesellschaft KDL: Zwei-Klassen-Gesellschaft am Uniklinikum Regensburg
Die KDL wurde 2006 gegründet. Mehrheitsgesellschafterin ist mit 51 Prozent das Uniklinikum Regensburg (UKR) und damit letztlich der Freistaat Bayern, der Rest gehört einer Beteiligungsgesellschaft des Regensburger Putzimperiums Götz. Rund 350 Menschen sind dort beschäftigt – im Niedriglohnsektor. Denn am UKR herrscht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.
Anders als für die übrigen Beschäftigten am Uniklinikum gilt für die Angestellten der KDL nicht der Tarifvertrag der Länder, sondern der deutlich schlechtere Rahmentarif für das Gebäudereinigerhandwerk.
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Servicegesellschaft KDL: Lohn bis zu 45 Prozent niedriger als über direkte Beschäftigung am Uniklinikum
Die Lohndifferenz kann – je nach Beschäftigungsdauer – bis zu mehr als 45 Prozent betragen. Ein Beispiel: ein Beschäftigter, 24 Jahre im Hol- und Bringdienst für die Uniklinik tätig, verdient über die KDL 2.080 Euro im Monat, über den Tarifvertrag der Länder wären es mehr als 3.000 Euro. Dabei noch nicht berücksichtigt: das Urlaubsgeld ist deutlich niedriger, eine Jahressonderzahlung oder Weihnachtsgeld gibt es bei der KDL nicht. Die Forderung lautet deshalb: ein Haus, ein Tarif.
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Niedrige Löhne bei Servicegesellschaft KDL: „Altersarmut ist vorprogrammiert“
Streikleiter Heinz Neff macht deutlich: „Die Angestellten der KDL erledigen Reinigungs-, Transport- und Gärtnerarbeiten, sie arbeiten im Schneeräum- und Sicherheitsdienste am UKR.“ Lohngruppen, die ohnehin schon im unteren Bereich angesiedelt seien.
Bei der nochmals deutlich schlechteren Entlohnung via KDL sei Altersarmut vorprogrammiert. Eine Zusatzversorgung oder Betriebsrente fehle und für private Vorsorge reiche das mickrige Gehalt nicht. Der Großteil der Beschäftigten bei dieser Servicegesellschaft des UKR: Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund.
Niedriglohn per ausgelagerter Gesellschaft: auch andere Unikliniken greifen zu diesem Modell
Nelly Nentschuk, Betriebsratsvorsitzende der KDL mbH, sagt: „Ohne unsere Arbeit läuft nichts an den Universitätskliniken. Doch viele müssen nach ihrer anstrengenden Arbeit in der OP-Reinigung, der Spülküche, dem Hol- und Bringdienst oder dem Stationsservice noch Nebenjobs machen, um über die Runden zu kommen und ihre Familien zu ernähren.“
Das Niedriglohnmodell per Auslagerung kommt nicht nur in Regensburg zum Einsatz. Und nicht nur hier haben die Beschäftigten schon mehrfach vergeblich versucht, die Arbeitgeberseite zu Verhandlungen über einen einheitlichen Tarif für alle an einen Tisch zu bekommen.
Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di habe man neben Regensburg auch an den Universitätskliniken Erlangen und Würzburg, sowie des zur TU München gehörenden Klinikums rechts der Isar Tarifverhandlungen zu den ausgelagerten Service-GmbHs gefordert – erfolglos.
„Tarifflucht durch Ausgliederung“ : die Uniklinik Augsburg verzichtet auf dieses Modell
Trotz Einschüchterung und Versuchen, sie von Gewerkschaftsaktionen und Streiks fernzuhalten, von denen Beschäftigte der KDL berichten, wird jetzt die Gangart verschärft. Dem Warnstreik von letzter Woche sollen dem Vernehmen nach noch weitere folgen.
Eine zwingende Gesetzmäßigkeit sind Service-GmbHs an Unikliniken übrigens nicht. „Dass es anders geht, beweist etwa die Universitätsklinik Augsburg“, sagt Dr. Robert Hinke. In Augsburg habe man auf „Tarifflucht durch Ausgliederung“ verzichtet, so der Landesfachbereichsleiter für Gesundheit & Bildung bei ver.di.
Servicegesellschaft KDL: Geschäftsführer ist Logistikleiter am Uniklinikum
Die Konstruktion der KDL mbH am Uniklinikum Regensburg erscheint generell recht bemerkenswert. Der Geschäftsführer der KDL ist gleichzeitig als Leiter der Verwaltungsabteilung Logistik, Einkauf und Dienstleistungen direkt am Uniklinikum angestellt. Er verdient dort über den Tarifvertrag der Länder ein ordentliches Gehalt – im Gegensatz den Beschäftigten, für die er zuständig ist.
Die Geschäftsführertätigkeit für die KDL läuft für ihn offenbar ohnehin nur nebenher. Sie wird laut dem zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht mit lediglich 5.000 Euro jährlich entlohnt.
Uniklinikum Regensburg: Druck auf Beschäftigte durch Horror-Prognose?
Auf ein Entgegenkommen durch die Arbeitgeberseite stehen die Zeichen am Universitätsklinikum Regensburg derzeit nicht. Wie Mitte Februar berichtet, wurde der Führungsspitze am UKR Ende 2023 bei einer internen Sitzung ein Horror-Szenario präsentiert.
Demzufolge drohe ein Defizit in Höhe von über 45 Millionen Euro, hieß es gegenüber den Direktoren und Vorständen. Im Zuge von Recherchen des Online-Magazins regensburg-digital relativierte der Ärztliche Direktor des UKR, Professor Oliver Kölbl, diese Prognose zwar. Gegenüber der in Regensburg erscheinenden Mittelbayerische Zeitung war gar von einem „Gerücht“ die Rede.
Laut einem aktuellen Bericht des Bayerischen Rundfunks hat Kölbl aber nun durchblicken lassen, dass durch die Präsentation – verantwortlich dafür war übrigens die Kaufmännische Direktorin Sabine Lange – Druck ausgeübt und hausinterne Sparmaßnahmen forciert werden sollten. Im Wesentlichen, anders kann man es kaum verstehen, auf dem Rücken des Personals.
Ärztlicher Direktor am Uniklinikum Regensburg: Horror-Szenario sollte „motivieren“
„Ziel war natürlich auch, den Mitarbeitern zu zeigen, dass Anstrengungen von allen Berufsgruppen notwendig sind, damit es nicht zu diesem ‚Worst-Worst-Szenario‘ kommt, dass sich alle anstrengen und motiviert sind und gut zusammenarbeiten“, so Kölbl gegenüber dem BR.
In dem internen Protokoll der Führungsklausur, das unserer Redaktion vorliegt, drückt sich diese so umschriebene Aufforderung zu Motivation und Anstrengungen sehr konkret aus. Wörtlich heißt es dort: „Die bisherige UKR-interne Konvention zur Definition des Pflegeschlüssels ist auf den Prüfstand zu stellen und soll an die gesetzlichen Regelungen angepasst werden.“ Anders ausgedrückt: Der Betreuungsschlüssel soll verschlechtert und dem Pflegepersonal zusätzliche Belastung und Verantwortung aufgebürdet werden.
Bessere Bezahlung für KDL-Beschäftigte gilt intern als Zukunftsrisiko
Nicht viel anders sieht es mit Blick auf die KDL mbH aus. Eine Tarifangleichung für die dort beschäftigten Menschen wird als mögliches Zukunftsrisiko für das UKR gelistet.
Angesichts der öffentlich gewordenen Debatte über die Präsentation des Minus-45-Millionen-Euro-Szenarios soll sich zwischenzeitlich auch das bayerische Wissenschaftsministerium in Regensburg eingeschaltet haben – ob das für die Beschäftigten bei UKR und KDL eine positive Entwicklung ist, bleibt abzuwarten.
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