Eskalation zwischen Israel und Iran: Die nächsten Angriffe könnten den Nahen Osten für immer verändern
Iranische Experten gehen bei einem israelischen Vergeltungsangriff von einer Eskalation aus. Ein großer Krieg könnte „die Wirtschaft und Sicherheit der Welt zerstören.“
Teheran – Im Nahen Osten droht die Lage weiter zu eskalieren. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach dem Angriff des Irans auf Israel geschworen, dass der Iran „bezahlen“ werde. Das Regime im Iran hatte als Reaktion auf die Tötung von Hisbollah-Führer Hasan Nasrallah und eines hochrangigen iranischen Militärs in Beirut sowie auf andere Aktionen im Nahen Osten, die mit Israel in Verbindung stehen, bis zu 200 Raketen auf ihren langjährigen Feind abgefeuert.
Iranische Regierungsvertreter hatte daraufhin den jüngsten Kampf damit für beendet erklärt. Gleichzeitig warnten sie vor noch intensiveren Maßnahmen, sollte Israel weitere Aktionen gegen den Iran durchführen. Israel könnte hingegen als Reaktion auf den iranischen Raketenangriff militärische Infrastruktur, Nuklearanlagen sowie Raffinerien angreifen.
Iran wartet möglichen israelischen Angriff ab
Wie der Iran reagieren wird, bliebt allerdings abzuwarten. „Ich weiß, dass iranische Beamte beschlossen haben, Israel im Falle eines Angriffs auf den Iran ernst zu nehmen“, sagte der in Teheran ansässige Sicherheitsanalytiker Alireza Taghavinia gegenüber Newsweek, „denn der Iran wird keinen Angriff auf sein Territorium dulden, nicht einmal einen symbolischen Angriff“, so der Experte. Auch könnte von dem israelischen Angriff abhängen, in welche Richtung das iranische Atomprogramm geht. „Jeder Angriff auf das iranische Territorium wird die Position derjenigen stärken, die die iranische Nukleardoktrin ändern und Atomwaffen bauen wollen“, sagte er gegenüber dem US-Magazin.
„Und der Bau von Atomwaffen ist für den Iran technisch möglich und hängt nur von der politischen Entscheidung von Ayatollah Khamenei ab.“ Der oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, hat bislang die Herstellung von Atomwaffen seit Jahrzehnten offiziell verboten.
„Angriff auf Iran wird die Wirtschaft und Sicherheit der Welt zerstören“
Hossein Vazirian, ein ebenfalls in Teheran ansässiger politischer Analyst, warnt vor den Folgen eines israelischen Angriffs. „Wenn Israel die iranische Infrastruktur angreift, insbesondere die iranische Wirtschaftsinfrastruktur, kann der Iran Gasplattformen im Mittelmeerraum beschädigen“, sagte Vazirian gegenüber Newsweek. „Und der Iran kann israelische Militärindustrien wie Rafael, israelische Kraftwerke, israelische Öl- und Benzinlager in Haifa angreifen, und insbesondere kann ich mich auf die Ölraffinerien in Haifa und Ashdod beziehen.“ Bei Rafel handelt es sich um ein staatliches Rüstungsunternehmen in Israel.
Das Ganze könnte vor allem dann eskalieren, wenn sich die USA an dem israelischen Schlag beteiligen. In diesem Fall könnte der Iran, unterstützt von seinem Netzwerk nichtstaatlicher Verbündeter, „beschließen, amerikanische Interessen im Nahen Osten anzugreifen“. Dazu zählen auch US-Militäreinrichtungen im Irak und in Syrien. Auch der weltweite Öl- und Gasfluss durch den Persischen Golf und das Rote Meer könnte unterbrochen werden. Mostafa Najafi, ein weiterer iranischer Analyst, warnt vor einer Eskalation. Der Iran sei weder der Irak noch Afghanistan. „Ein Krieg mit dem Iran wird die Wirtschaft und die Sicherheit der Welt zerstören“, sagte Najafi ebenfalls gegenüber dem US-Magazin.
Biden hält „umfassenden Krieg“ für vermeidbar
US-Präsident Joe Biden zeigt sich vorsichtig optimistisch. „Ich glaube nicht, dass es einen umfassenden Krieg geben wird. Ich denke, wir können ihn vermeiden“, sagte Biden am Donnerstag (3. Oktober) auf Nachfrage zu Reportern. Es gebe aber „noch viel zu tun“. Auch international wächst die Angst vor einem großen regionalen Krieg im Nahen Osten. Israel geht seit Tagen mit massiven Luftangriffen gegen die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon vor. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden dabei schon mehr als 1000 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben. (erpe/AFP)