Ja, das Wunderkind Yamal ist ein Schnösel – aber das größere Problem liegt bei uns

Als er bei der EM 2024 auf der großen Fußball-Landkarte erschien, war Lamine Yamal nur ein 16-Jähriger mit Zahnspange. Eineinhalb Jahre später ist er ein globaler Superstar, Multi-Millionär, Zweitplatzierter der Ballon d'Or-Wahl – und Streitfigur.

Seit Monaten bildet Yamal den Gegenstand öffentlicher Debatten. Zuletzt legte sich der Offensivstar des FC Barcelona provokant mit Real Madrid an; laut "Mundo Deportivo" will er außerdem keine Autogramme mehr schreiben, um den finanziellen Wert seiner Unterschrift zu steigern. Barca soll sich jetzt für eine strengere Betreuung (manche sagen: Überwachung) entschieden haben. 

Lamine Yamal hat zu früh zu viel von allem, Strahlkraft, Popularität, Geld

Yamals Lebensstil gibt schon länger und immer vehementer Anlass zur Kritik. Im Sommer feierte er seinen 18. Geburtstag mit dem Auftritt kleinwüchsiger Künstler, was in Katalonien eine mittlere politische Krise auslöste. Der Gegenwind ließ erst ein wenig nach, als sich ein Beteiligter anonym zitieren ließ: "Niemand hat uns beleidigt, lassen Sie uns in Ruhe arbeiten. Wir sind keine Zirkusaffen."

Auf dem Fußballfeld fühlen wir uns eher bei Yamal an Zirkus erinnert, an tollkühne Tricks in der Manege. Schnelle Haken, zackige Dribblings, präzise Schüsse, keine Frage, der Kerl kann alles. Spanien-Legende Xavi sprach davon, dass Yamal "eines der Genies in der Fußballgeschichte" werden könne.

Ja, dieses Wunderkind hat einen Hang zum Schnöseligen, vielleicht sogar Abgehobenen. Vielleicht auch nicht. Seine Strahlkraft, seine Popularität, natürlich sein Reichtum: Es ist einfach zu früh zu viel, so etwas hat noch den allermeisten geschadet. Und manchen Fußballern, ganz gleich aus welcher Generation, später einen bösen Bumerang beschert.  

"Yamal ist im Fußball ein großartiger Spieler, aber im Leben ein 18-jähriger Junge"

Zugleich ist es auch ein gesellschaftliches Problem. Also nicht das von Yamal, sondern unser eigenes. Gewissermaßen. Wir zeigen ja gern mit dem Finger auf solche, die unverschämt von der Norm abweichen. Was wir dabei vergessen: Wie das Milieu die Menschen beeinflusst. Das ist keine Entschuldigung für divenhafte Allüren oder überhebliches Verhalten. Aber es mag eine Erklärung sein.

Dazu der Faktor Alter. Der 26-jährige Kylian Mbappé hat in der "Sport Bild" erstaunlich weise Worte gefunden, als er über Yamal redete. "Sie müssen akzeptieren, dass er im Fußball ein großartiger Spieler ist, aber im Leben ist er ein 18-jähriger Junge. In diesem Alter macht jeder Fehler. Man macht gute Dinge, man macht schlechte Dinge. Er wird seine Erfahrungen machen. Er wird wissen, was gut oder schlecht für ihn ist."

Lamine Yamal vom FC Barcelona
Lamine Yamal vom FC Barcelona Getty

Barca-Trainer Hansi Flick sagte über Yamal: "Ich werde ihn immer schützen und unterstützen. Er ist ein fantastischer Spieler, ein fantastischer Kerl." Xavi titulierte ihn als "Auserwählten", dessen sportliche Zukunft von "seinem Ehrgeiz und seiner Leidenschaft" abhänge. 

Im Herbst 2025 kommt gerade ein dritter Aspekt dazu: Yamals Gesundheit. 

Barcelona in Sorge: Leidet Yamal an Pubalgie?

Fünf Pflichtspiele versäumte er in dieser Saison bereits, und wie die spanische Zeitung "Sport" berichtete, steckt möglicherweise mehr dahinter – nämlich die Krankheit Pubalgie, die chronische Schmerzen in der Leistengegend verursache. Vermutungen gehen dahin, dass Pubalgie durch frühzeitige körperliche (Über-)Belastung begünstigt werde. Betroffen seien im Fußball besonders Spieler, die von Explosivität, Dynamik, Tempo leben. Wie Yamal.

Die Crux: Pubalgie ist keine Muskelverletzung, die irgendwann heilt. Sondern etwas, das bleibt. Als Flick kürzlich zu Yamals Verfassung gefragt wurde, deutete er etwas in diese Richtung an: "Ich kann nicht sagen, dass die Verletzung auskuriert ist. Sie kommt und geht. Und er muss damit umgehen lernen."

Schlimmstenfalls, das ist die Essenz, hat der sehr talentierte, sehr reiche Fußballer Lamine Yamal bald andere Sorgen als Autogramm-Verweigerungen oder Debatten um Kleinwüchsige.