„Fatal“: Nullrunde bei Rentenerhöhung lässt „Millionen im Regen“ stehen
Kritik am kontroversen Renten-Vorschlag eines Ökonomen hagelt es von allen Seiten. Auch Kanzler Scholz und Minister Heil verurteilen den Vorstoß scharf.
Berlin – Gespannt warten Rentner auf die Rentenerhöhung im Sommer 2024. Doch wenige Wochen vor der Verkündung sorgt ein neuer Spar-Vorschlag bei der Rente für Aufregung. Der Top-Ökonomen Bernd Raffelhüschen fordert nämlich eine Nullrunde bei der Rentenerhöhung, um den Haushalt der Ampel-Koalition und die Rentenkasse gleichermaßen zu entlasten.
Neuer Sparvorschlag bei der Rente: „Rentenerhöhung sollte ausgesetzt werden“
„Deutschland baut seinen Sozialstaat seit Jahrzehnten immer weiter aus“, sagte der Freiburger Professor für Finanzwissenschaft der Bild-Zeitung über seinen Spar-Vorschlag bei der Rente. „Deshalb ist es auch unproblematisch, im Sozialbereich zu sparen. Beispielsweise wäre ein Renten-Moratorium sinnvoll: Die Rentenerhöhung für dieses Jahr sollte ausgesetzt werden. Das würde in der Rentenkasse innerhalb eines Jahres mehr als zehn Milliarden Euro sparen.“

Ähnlich hatte sich auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) in der vergangenen Woche geäußert und für ein dreijähriges Moratorium der Sozialausgaben und ein Einfrieren der Rente plädiert. Für die Forderung, die in ihrem Kern Kürzungen für Rentner bedeuten würde, hagelte es jedoch von vielen Seiten scharfe Kritik.
Nullrunde bei der Rentenerhöhung: Kanzler Scholz weist Renten-Vorschlag deutlich zurück
Auch aus Berlin ließ eine Reaktion auf die Forderung einer Nullrunde bei der Rentenerhöhung nicht lange auf sich warten. Unter anderem hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Spar-Vorschlag des Ökonomen für die Rente in scharfer Form zurückweisen lassen.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Mittwoch (28. Februar), der Kanzler habe diesen Vorschlag „als einen Beleg dafür bewertet, wie weit die Lebenswelt eines Herrn Professors mit den Lebenswirklichkeiten von 20 Millionen Rentnerinnen und Rentnern nicht in Einklang zu bringen“ sei.
Nullrunde für die Rente: „Recht auf Rentenerhöhung“ – wird in diesem Sommer für Renter kommen
Die Idee sei „ökonomisch widersinnig, sie ist gesellschaftlich falsch und sozialpolitisch fatal“, fügte Hebestreit zur geforderten Nullrunde für Rentner hinzu. „Es gibt ein Recht auf Rentenerhöhungen, ist gesetzlich festgelegt, und es wird auch in diesem Sommer kommen.“ Hebestreit verwies auf die gestiegenen Preise und die aktuell große Kaufzurückhaltung in Deutschland.
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Ähnlich äußerte sich der für Renten zuständige Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD). „Die Rentenerhöhung zum 1. Juli wird kommen, sie steht den Rentnerinnen und Rentner in Deutschland zu“, erklärte Heil, der ebenfalls bei der „Rente mit 69 oder 70“ eine klare Linie zieht. „Dass sogenannte Experten chronisch die soziale Sicherheit infrage stellen, ist kein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und selbstverständlich nicht handlungsleitend für die Bundesregierung“, stellte der Minister klar. Sie folge der positiven Lohnentwicklung und sei gesetzlich festgeschrieben.
Kürzungen für Rentner: SPD veruteilt Forderung nach Nullrunde bei Rentenerhöhung
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf dem Professor vor, das Vertrauen in den deutschen Sozialstaat zu beschädigen. „Solche Debatten loszutreten ist ein Angriff auf Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil sie ohne Not Vertrauen in funktionierende Systeme zerstören“, kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. „Eine Nullrunde bei der Rente bedeutet, Millionen Menschen im Regen stehen zu lassen: Nämlich Rentnerinnen und Rentner, die genau wie alle anderen von den anhaltend hohen Preisen betroffen sind.“
Eine weitere Vertreterin der SPD hat die Forderung nach einer Nullrunde bei den Renten ebenfalls scharf kritisiert. „Es wird mit uns keine Rentenkürzungen geben, das ist auch eine Frage des Respekts vor der Lebensleistung von allen, die viele Jahre hart gearbeitet haben“, sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). Genau dies würde aber die zuvor von dem Rentenexperten Bernd Raffelhüschen vorgeschlagene Nullrunde bedeuten.
„Geforderte Nullrunde für Rentnerinnen und Rentner eine Rentenkürzung“
In unsicheren Zeiten wie diesen bräuchten Menschen soziale Sicherheit. Der Sozialstaat sei dafür der Garant, betonte Schmidt. „De facto würde die von Professor Raffelhüschen, der unter anderem als Lobbyist für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft tätig ist, geforderte Nullrunde für Rentnerinnen und Rentner eine Rentenkürzung bedeuten“, fügte die SPD-Politikerin hinzu. Sie verwies dabei auf den Kaufkraftverlust wegen der Inflation.
Schmidt bekräftigte, dass die SPD das Rentenniveau von mindestens 48 Prozent langfristig sichern wolle. Die Renten müssten weiterhin mit den Löhnen steigen, damit die Rentnerinnen und Rentner an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben könnten. „Die jährliche Rentenanpassung ist kein Almosen, sondern ein fest verbrieftes soziales Recht, an dem es nichts zu rütteln gibt“, stellte die Bundestags-Fraktionsvize klar.
Rentenerhöhung im Sommer 2024: Heil zeigt sich für den Juli optimistisch – „Rente höher als Inflation“
Wie hoch die Rentenerhöhung in diesem Jahr ausfällt, erfahren Rentnerinnen und Rentner bereits im März. Die Ankündigung gehört wie die steigenden Krankenkassenbeiträge zu den wichtigen Änderungen für Rentner im kommenden Monat. Arbeitsminister Heil hatte bereits eine erste optimistische Prognose zu Rentenerhöhung 2024 abgeben und zeigte sich bei den Zeitungen der Funke Mediengruppe, „zuversichtlich, dass zum 1. Juli die Renten wieder stärker steigen als die Inflation“.
Die Bundesregierung geht nach ersten Schätzungen wohl von einer Rentenerhöhung im Juli von etwa 3,5 Prozent aus. Wie hoch die Steigerung genau ausfällt, wird im Frühjahr anhand der dann feststehenden genauen Daten hierzu festgelegt.