Die Wetterkerze machte ihn berühmt: Trauer um Schnee-Orakel Sepp Haslinger
Anhand der Blüten der Königskerze im August traf Sepp Haslinger Vorhersagen für die Schneemengen im Winter. Jetzt ist der Benediktbeurer mit 83 Jahren gestorben.
Benediktbeuern – Die Wetterkerze machte ihn berühmt, und er machte die Wetterkerze berühmt. Die Schneevorhersagen für den Winter, die Sepp Haslinger aus Benediktbeuern jedes Jahr um Mariä Himmelfahrt anhand seiner Naturbeobachtungen machte, hatten weit über das Tölzer Land hinaus Kultstatus. Jetzt ist der ehemalige Hüttenwirt im Alter von 83 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben.
Wetterprophet aus Benediktbeuern gestorben
Manche schmunzelten, andere schüttelten den Kopf, viele aber verfolgten es auch mit ernsthaftem Interesse, wenn der Haslinger Sepp als Wetterprophet in Erscheinung trat. Der Benediktbeurer war felsenfest überzeugt: Am Blütenstand der Wetter- oder Königskerze konnte er mitten im August ablesen, wie der Winter sein würde. Viele gelbe Blüten, das bedeutet reichlich weiße Pracht, keine Blüten deuten auf schneearme Monate hin, das war sein Credo. Widersprachen die realen Wetterverhältnisse am Ende seiner Vorhersage, war der Benediktbeurer nie um eine kreative Erklärung verlegen: Falsch interpretiert habe man ihn, oder er habe seine Prognose ja noch einmal korrigiert.
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Aus der Fassung bringen konnte den Haslinger Sepp keiner, auch weil er seine Orakelsprüche selbst nicht so bierernst nahm, sie verschmitzt vortrug und ihm bestimmt bewusst war, dass ein gutes Stück Unterhaltungswert darin steckte. Dahinter aber stand auch seine Wertschätzung für alte bäuerliche Überlieferungen und Traditionen.
Sepp Haslinger erregte bundesweit Medieninteresse
Jedes Jahr wieder fand der Haslinger Sepp ein Publikum, das seine Auslassungen begierig aufnahm. Bundesweit berichteten Medien über ihn, TV-Teams besuchten ihn, er wurde im Frühstücks-Fernsehen interviewt, als Werbeträger für Holzpellets eingesetzt und er bekam Fan-Post aus ganz Deutschland.
Sein persönlicher Lebensweg war der Öffentlichkeit weniger bekannt. Noch im Jahr von Josef Haslingers Geburt, 1941, fiel der aus Penzberg stammende Vater im Krieg. Zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder wuchs der junge Sepp in Mürnsee (Gemeinde Bad Heilbrunn) bei der Mutter und später dem Stiefvater in beschiedenen Verhältnissen auf. Nach der Volksschule zog er in das Münchner Jugendwohnheim Salesianum um und machte dort eine Lehre als Maschinenschlosser. In dieser Zeit entdeckte er auch sein musikalisches Talent und begann, Schlagzeug zu spielen.
In Berlin als Schlagzeuger aufgetreten
Die besseren Berufsaussichten führten den Oberbayern nach der Ausbildung für drei Jahre nach Berlin. Hier konnte er auch weiter seine Musik- und Tanzleidenschaft entfalten, stand mit verschiedenen bekannten Bands auf der Bühne und sorgte unter anderem mit dem Hit „My baby baby balla balla“ für Furore.
Zurück in der Heimat brachte er den musikalischen Schwung auch nach Benediktbeuern. Viele ältere Dorfbewohner erinnern sich noch an die Disconachmittage, die Haslinger jeden Sonntag im Gasthof Post veranstaltete.
Hüttenwirt an der Benediktenwand
Von dort führte ihn sein beruflicher Weg weiter in Richtung Gastlichkeit – und in Richtung Berge. Haslinger wurde Hüttenwirt, zuerst im „Garmischer Haus“, dann am Spitzingsee, schließlich zehn Jahre bis zu seinem Ruhestand auf der „Tutzinger Hütte“ an der Benediktenwand. In dieser Zeit vertiefte er auch sein Wissen über Kräuter, Wildpflanzen und die dazugehörigen Überlieferungen. Für ihn waren es wertvolle Wissensschätze, die er den Menschen anhand der Wetterkerze näherbringen wollte.
Seinen hintergründigen Humor und seine fröhliche Art bewahrte er bis zum Schluss. Mit seiner Frau Hannerl hätte Sepp Haslinger in diesem Jahr Diamantene Hochzeit gefeiert. (ast)