„Regt euch doch auf“ – Kolumne von Julia Ruhs - Klima retten wir nicht mit Mandelmilch: Wir brauchen schlaue Technik, keine Umerziehung
Der Einsatz des einfachen Bürgers ist so gut wie wirkungslos
Auch ich bin immer mal wieder erstaunt über manche Klima-Meldung. Dass der Klimawandel schlimme Pandemien und Flüchtlingsbewegungen auslösen kann, wissen wir ja bereits. Aber dass er zukünftig auch für Erdbeben verantwortlich sein könnte (hängt angeblich mit den schmelzenden Gletschern zusammen) und für die Verschiebung der Erdachse (soll aber harmlos sein) sind dann doch überraschendere Neuigkeiten.
Die Klimagefahr scheint ein nicht enden wollendes Repertoire an Schlagzeilen zu bieten. Wenn dann diese Hiobsbotschaften noch mit der Frage schließen: „Was würdest du an deinem Lebensstil ändern, um zum Schutz des Weltklimas beizutragen?“ bin ich nur noch genervt.
Wir machen uns nämlich etwas vor. Jedes bisschen Klimaschutz hilft. Das wird uns ständig eingebläut. Aber das ist doch Quatsch, der Einsatz des einfachen Bürgers ist so gut wie wirkungslos. Vielleicht fühlt manch einer sich selbst dadurch zwar mächtiger, aber das war’s im Grunde auch schon.
Es ist leider so: China ist der Game-Changer beim Klima
Ich weiß, das China-Argument darf man eigentlich nicht bringen, das regt klimabesorgte Kreise zu sehr auf. In den Kommentarspalten kommt dann nur ein entnervtes „Aber China!!!11!1!!1“ zurück, die Schreibweise eines Wutbürgers imitierend, der sich vor lauter Rage nicht mehr im Griff hat. Für mich auch ein Zeichen dafür, dass China durchaus ein wunder Punkt ist.
Denn was will man gegen den größten Klima-Sünder der Welt tun, ein Land, das erst bis 2060 klimaneutral werden will, neue Kohlekraftwerke baut, alles mit dem Argument, sich erst einmal industriell entwickeln zu wollen? Über 30 Prozent verursacht China am weltweiten CO2-Ausstoß, die knapp zwei Prozent, die Deutschland ausstößt, sind dagegen lächerlich.
Das heißt nicht, dass man nichts tun soll. Aber wenn Deutschland als Staat schon wenig ausrichten kann, dann ist das, was jeder Einzelne von uns tun kann, verschwindend gering.
Krieg – der absolute Klima-Killer
Ich will niemandem den Eifer nehmen. Ich finde es toll, wenn jemand nach seinen Überzeugungen lebt. Aber wenn wir ehrlich sind, ziehen das die wenigsten durch. Die meisten geloben nur: Natürlich fänden sie Klimaschutz sehr wichtig, unbedingt müsse da mehr getan werden. Ach ja, Fliegen sei ja eigentlich echt nicht so gut. Doch viele Menschen, die sich so äußern, steigen dann trotzdem genauso oft ins Flugzeug.
China ist leider nicht das einzige Argument, das mir die Lust am Klimaschützen nimmt. Interessant ist nämlich, wer im Pariser Klimaabkommen erst gar nicht vorkommt und keine Daten offenlegen muss: Krieg- und Rüstungsindustrie. Obwohl dort tonnenweise Kerosin und Treibstoff hinausgeballert wird. Aus Gründen der nationalen Sicherheit ist das ja total vernünftig. Trotzdem schocken die Schätzungen: Weltweit soll das Militär für über fünf Prozent aller Treibhausgase verantwortlich sein, das ist mehr als der gesamte Flugverkehr. Schaut man auf die aktuelle Weltlage, die Kriege in Israel und der Ukraine, dürfte da gerade so einiges zusammenkommen. Krieg – der absolute Klima-Killer.
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Seien wir ehrlich: Kaum einer hat Klima-Skrupel
Noch ein Grund, warum die Forderung nach Verzicht, welche nichts anderes im Sinn hat als eine Umerziehung der Menschen, in meinen Augen hoffnungslos ist: Vor drei Jahren noch lobten Umweltschützer die Coronapandemie als Segen für Klima und Umwelt. Flugzeuge blieben am Boden, viele Menschen reisten im eigenen Land.
Eigentlich war es der perfekte Zeitpunkt für ein Umdenken, eine langfristige Verhaltensänderung. Doch erstaunlicherweise vermeldete das Flugtracking-Unternehmen Flightradar24 im Juli diesen Jahres, dass so viele kommerzielle Flugzeuge in der Luft sind wie nie zuvor. Und dass, obwohl die Tickets teurer geworden sind. Die Menschen scheinen also nicht gerade von Klima-Skrupel heimgesucht zu werden. Alle wollen ihr Leben leben, zurecht. Aber wenn nicht mal Corona unsere Gewohnheiten gebrochen hat, dann wird das wohl nichts mehr.
Technologie statt Umerziehung
Wenn wir die Welt vor dem Klimawandel retten wollen, müssen wir es intelligenter anstellen. Ich bin überzeugt davon, dass die menschliche Intelligenz auch dafür Lösungen finden wird. Ich bin aber auch ein recht technologiegläubiger Mensch. Ein paar Optionen wären ja schon da (Atomkraft) oder in der Entwicklung (unterirdische CO2-Speicherung).
Selbst die Grünen haben sich auf ihrem letzten Parteitag von einem Teil ihrer Innovationsfeindlichkeit verabschiedet. CO2-Verpressung im Boden finden sie jetzt doch okay. Norwegen macht das schon seit Jahren und plant das mittlerweile im großen Stil. Das gesamte in Europa produzierte Treibhausgas will das Land unter der Nordsee einlagern, in 3000 Meter Tiefe. Praktisch ein Endlager für CO2. Klingt doch ganz vielversprechend.
Ich finde, wir brauchen mehr Zuversicht. Die Erfindung des Internets war eine Revolution – Künstliche Intelligenz soll das angeblich jetzt noch toppen. Die Chancen stehen ganz gut, dass wir den Klimawandel anders besiegen als radfahrend und mandelmilchtrinkend.