Nahost-Konflikt im Ticker - Netanjahu bittet um „Vergebung“ für Tod von Hamas-Geiseln
US-Regierung sieht Hoffnung auf Geisel-Deal und widerspricht Netanjahu
20.20 Uhr: Die US-Regierung sieht noch Hoffnung auf einen Deal zur Freilassung von Geiseln aus den Händen der Hamas und widerspricht in der Debatte einmal mehr dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Eine Einigung sei möglich, „wir glauben, dass wir nahe genug dran sind, dass die Lücken eng genug sind, dass es geschehen könnte“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. US-Präsident Joe Biden sei persönlich eingebunden in die Bemühungen.
Mit Blick auf Bidens jüngste Kritik, dass sich Netanjahu nicht ausreichend für einen Deal einsetze, sagte Kirby: Um eine Vereinbarung zu erreichen, erfordere es Kompromissbereitschaft und Führungskraft von allen. „Dabei möchte ich es belassen.“
Schon 161.000 Kinder im Gazastreifen gegen Polio geimpft
Dienstag, 03. September, 11.58 Uhr: In den ersten beiden Tagen der Polio-Impfkampagne im Gazastreifen sind bereits mehr als 161.000 Kinder unter zehn Jahren geimpft worden. Das übertrifft die Gesamtzahl, die die Behörden in der zentralen Zone des Gebiets erreichen wollten, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie hatten mit 156.000 gerechnet.
Dass sich dort mehr Kinder aufhielten als gedacht, liege an den ständigen Vertreibungen. Zehntausende Menschen müssen ihre Zufluchtsstätten immer wieder verlassen, wenn Israel dort Ziele der Terrororganisation Hamas ins Visier nimmt und Bewohner auffordert, sich in Sicherheit zu bringen. Deshalb sei es auch schwierig, sicher zu sein, dass wirklich alle Kinder erreicht worden sind. Die ursprünglich dreitägige Kampagne, die am Sonntag begann, werde deshalb aller Voraussicht nach um einen Tag verlängert, so die WHO.
Anschließend gehen die Impfteams in den Süden des Gazastreifens. Dort sollen 340.000 Kinder geimpft werden. Im Norden geht es danach um weitere 150.000 Kinder. In vier Wochen brauchen alle Geimpfte eine zweite Dosis.
Hamas: Geiseln werden bei anhaltendem militärischen Druck Israels „in Särgen“ zurückkehren
22.10 Uhr: Die Hamas hat damit gedroht, dass die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln „in Särgen“ zurückkehren werden, wenn Israel weiterhin militärischen Druck ausübt. Die „Hartnäckigkeit“ von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, „die Gefangenen durch militärischen Druck zu befreien, anstatt eine Vereinbarung zu treffen, bedeutet, dass sie in Särgen zu ihren Familien zurückkehren werden“, erklärte der Sprecher des bewaffneten Arms der Hamas, der Essedin-al-Kassam-Brigaden, Abu Obeida, am Montag.
Den Wächtern der Geiseln seien neue Anweisungen gegeben worden, für den Fall, dass sich israelische Soldaten ihrem Aufenthaltsort nähern, fügte er hinzu.
Hunderte protestieren in Nähe von Netanjahus Haus
19.47 Uhr: Auf Demonstrationen in mehreren Teilen Israels haben Tausende Menschen ein Abkommen über die Freilassung der noch immer von der islamistischen Hamas im Gazastreifen gefangengehaltenen israelischen Geiseln gefordert. Auch in der Nähe des Wohnhauses des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu kam es wenige Stunden nach der Beerdigung einer getöteten Geisel zu Protesten mit mehreren Hundert Teilnehmern. „Eure Entscheidungen führen zu ihrem Tod“, zitiertem israelische Medien aus der Rede eines Mannes, dessen Bruder noch immer im Gazastreifen festgehalten wird.
Zuvor hatte US-Präsident Joe Biden Netanjahus Bemühungen um ein Abkommen zur Befreiung als nicht ausreichend bezeichnet. Angehörige der Geiseln würdigten in einer am Abend veröffentlichten Stellungnahme Bidens Bemühungen um ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln und forderte von Netanjahu ähnliche Entschlossenheit. „Die Menschen in Israel werden nicht zulassen, dass die fast elf Monate andauernde Vernachlässigung der Geiseln andauert“, hieß es darin. „Jeder Tag könnte ihr letzter sein, wie die Tötung der sechs Geiseln in den vergangenen Tagen gezeigt hat.“
Netanjahu bittet um „Vergebung“ für Tod von Hamas-Geiseln
19.37 Uhr: Nach der Bergung von sechs getöteten Hamas-Geiseln wächst im In- und Ausland der Druck auf Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung aller übrigen Geiseln zu erzielen. Netanjahu bat am Montagabend zwar um „Verzeihung“ für die nicht gelungene Rettung der Geiseln, will bei den Verhandlungen über das Waffenruhe-Abkommen aber hart bleiben. Außer den Teilnehmern landesweiter Proteste und eines zwischenzeitlichen Generalstreiks in Israel übte auch US-Präsident Joe Biden Kritik an Netanjahus Kurs.
„Ich bitte Sie um Vergebung, sie nicht lebend zurückgebracht zu haben“, sagte Netanjahu am Montag bei einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz über die sechs getöteten Geiseln. „Wir waren nah dran, aber es ist uns nicht gelungen.“
Die Hamas werde „in naher Zukunft einen sehr hohen Preis“ dafür zahlen, dass sie die Geiseln mit Schüssen „in den Hinterkopf“ getötet habe, sagte Netanjahu. Statt Zugeständnissen sei „maximaler Druck auf die Hamas“ notwendig. Zugleich versicherte Netanjahu, dass niemand sich mehr um die Befreiung der Geiseln bemühe als er: „Niemand kann mir darüber Lehren erteilen.“
London schränkt Waffenverkäufe an Israel ein
17.56 Uhr: Großbritannien schränkt wegen des Gaza-Kriegs den Verkauf von Waffen an Israel ein. Die Regierung in London setzte 30 der aktuell rund 350 Lizenzen für den Rüstungsexport aus, wie Außenminister David Lammy im Parlament in London sagte. Es gebe ein großes Risiko, dass die Waffen dazu genutzt werden könnten, „einen schweren Verstoß internationalen Menschenrechts zu erleichtern“. Medienberichten zufolge sind auch Kampfjet- und Drohnenteile betroffen.
Angesichts des Ausmaßes des Konflikts sei es die Pflicht der Regierung, Großbritanniens Exportlizenzen zu überprüfen, sagte Lammy. „Dies ist kein pauschales Verbot. Dies ist kein Waffenembargo.“
Nach Bergung toter Geiseln ruft Gewerkschaftsverband in Israel zum Generalstreik auf
Montag, 02. September, 03.15 Uhr: In Israel gerät die Regierung nach der Bergung von sechs weiteren toten Geiseln aus dem Gazastreifen unter immer größeren Druck, ein Abkommen mit der Hamas zu schließen. Israels größter Gewerkschaftsverband Histadrut rief für Montag einen Generalstreik zur Unterstützung der noch lebenden Geiseln im Gazastreifen aus. In Tel Aviv und anderen Städten protestierten am Sonntagabend Zehntausende gegen die Regierung und forderten ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln.
„Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass nur unser Eingreifen diejenigen wachrütteln kann, die wachgerüttelt werden müssen“, erklärte Histadrut-Chef Arnon Bar David mit Blick auf die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Dieser wird vorgeworfen, ein Abkommen mit der islamistischen Hamas über die Freilassung der Geiseln mit immer neuen Forderungen zu verhindern. Ab Montagmorgen um sechs Uhr werde „die gesamte israelische Wirtschaft in einen vollständigen Streik treten“, schrieb der Gewerkschaftschef.
Zuvor hatte bereits das Forum der Geisel-Angehörigen zum Generalstreik aufgerufen und an die Gewerkschaften appelliert, sich dem anzuschließen. Damit solle die Regierung dazu gebracht werden, unverzüglich ein Abkommen zur Freilassung der noch lebenden Geiseln zu schließen, erklärte das Forum der Familien der Geiseln und Vermissten. Oppositionsführer Jair Lapid schloss sich den Forderungen an.
Bei Protesten in Tel Aviv blockierten Demonstrierende nach Polizeiangaben eine Schnellstraße und stellten sich den Behörden entgegen. Das habe die Polizei dazu „gezwungen“, den Protest für illegal zu erklären und die Menge auseinanderzutreiben, hieß es.
Auch Verteidigungsminister Joav Gallant fand klare Worte: Das Kabinett müsse eine am Donnerstag getroffene Entscheidung zur andauernden israelischen Militärpräsenz im Philadelphi-Korridor „zurückzunehmen“, forderte er. Das Gebiet entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist einer der zentralen Streitpunkte in den Verhandlungen über eine Feuerpause.
Christliche Partei im Libanon: Hisbollah zwingt uns Krieg mit Israel auf
Sonntag, 01. September, 22.20 Uhr: Die christliche Partei Libanesische Kräfte (LF) hat der pro-iranischen Hisbollah-Miliz vorgeworfen, das Land in einen Krieg mit Israel hineinzuziehen. Parteichef Samir Geagea warf der Hisbollah am Sonntag in einer Rede vor Anhängern nördlich der Hauptstadt Beirut vor, „die Entscheidung des libanesischen Volkes über Krieg und Frieden zu konfiszieren, als ob es keinen Staat gäbe“.
Er bezeichnete die Gefechte zwischen der mit der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen verbündeten Miliz und der israelischen Armee als einen „Krieg, den das libanesische Volk nicht will“ und auf den die Regierung keinen Einfluss habe. „Dieser Krieg dient dem Libanon nicht, er hat dem Gazastreifen nichts gebracht und das Leiden kein bisschen gelindert“, fügte Geagea hinzu.
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