Trotz Energiewende. Wirtschaftsweise Grimm schockiert mit neuer Strompreis-Studie
Neue Strompreis-Studie: Wirtschaftsweise Grimm schockiert mit Langzeit-Prognose
Die Strompreise sinken gerade langsam. Doch eine aktuelle Studie der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm legt nahe, dass die Stromkosten langfristig hoch bleiben könnten.
Nürnberg – Die Preise für Strom und Gas sinken nach dem Preisschock allmählich. Trotzdem hat die Energie im zweiten Halbjahr 2023 deutlich mehr als vor der Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gekostet. Dabei können die Kosten für Strom langfristig hoch bleiben. Das legt zumindest eine neue Studie der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm von der Technischen Universität Nürnberg sowie der Forscher Leon Oechsle und Gregor Zöttl von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nahe, die dem Handelsblatt vorliegt.
Grimm: „Die Stromkosten dürften nicht mit dem Ausbau der Erneuerbaren deutlich sinken“
Demnach könnten die direkten Kosten für Strom aus Windkraft und Photovoltaik bis 2040 zwar auf rund drei Cent je Kilowattstunde sinken. Das Problem: Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, ist man auf alternative Energiequellen angewiesen wie etwa Gaskraftwerke – und die sind viel teurer. Wenn dies mit einberechnet würde, könnte es sein, dass die Stromkosten 2040 immer noch 7.,8 Cent betragen und sich auf einem ähnlichen Niveau wie heute bewegen, erklärt die Zeitung. So habe der Strompreis am Ende mit den staatlichen Abgaben für Industrieunternehmen bei 18 Cent gelegen.
Für Verbraucher ist es nochmal viel teurer – sie zahlten im zweiten Halbjahr 2023 durchschnittlich 41,75 Cent je Kilowattstunde. Das sei zwar etwas weniger als noch 2022, aber immer noch mehr als vor der Energiekrise, erklärt die Deutsche Presse-Agentur. Die Ampel-Koalition hatte sich damals mithilfe von Preisbremsen um eine Entlastung der Verbraucher bemüht und langfristig sinkende Energiepreise durch die Energiewende in Aussicht gestellt.
Doch die Wirtschaftsweise Grimm sieht das anders „Die Stromkosten dürften nicht – wie erhofft – mit dem Ausbau der Erneuerbaren deutlich sinken.“ Die genaue Entwicklung der Preise hänge zwar von vielen Faktoren ab, die noch nicht alle abzusehen seien. Aber die Studie würde nahelegen, dass die Energiewende genauso wenig zum großen Rückgang der Strompreise führen dürfte wie zu massiven Preisaufschlägen. „Es geht uns um eine Versachlichung der Debatte“, sagt Grimm dem Handelsblatt.
Habeck will Strompreise mit neuem Instrument stabilisieren
In Deutschland sind die Strompreise hoch – auch im europäischen Vergleich; die Industrie droht deshalb schon mit Abwanderung. Ein Problem sind dabei auch staatliche Abgaben wie die Netzentgelte. Diese haben sich zu Jahresbeginn fast verdoppelt und müssen wahrscheinlich noch weiter steigen, weil der über Jahre verschleppte Netzausbau nachgeholt werden muss.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant deshalb nun eine Stabilisierung der Strompreise mit einem neuen Instrument. „Ich will, dass wir private Haushalte und Unternehmen vor einem starken Anstieg der Netzentgelte schützen“, sagte der Grünen-Politiker vor kurzem der Wochenzeitung Die Zeit. „Dafür prüfen wir in der Bundesregierung eine Art Amortisationskonto – wie für das geplante Wasserstoffnetz.“ Dieses soll verhindern, dass durch den Ausbau der Stromnetze für bis zu 500 Milliarden Euro in den nächsten Jahren die Netzentgelte stark steigen, die jeder Bürger über seinen Strompreis bezahlen muss.
„Das Netz muss jetzt ausgebaut werden, aber wenn wir alle Kosten sofort auf die Kunden umlegen, würde es für sie sehr teuer“, sagte Habeck. „Deshalb würde ich die Kosten gern strecken, damit sie sich gleichmäßiger über die Generationen verteilen.“ Beim Bau des künftigen Wasserstoffnetzes will die Regierung die Kosten über ein spezielles Konto großteils vorfinanzieren. Erst bis zum Jahr 2055 sollen sie durch die Gebühren für die Nutzung des Netzes dann wieder eingespielt werden. Verschiedene Modelle würden nun gutachterlich geprüft. „Wünschenswert wäre, dass wir zum nächsten Jahr eine Lösung haben, um die Netzentgelte zu stabilisieren.“ Habecks Vorschlag würde weitere massive Preissteigerungen abdämpfen – aber an den langfristig höheren Kosten nichts ändern.